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GOETHES ERBEN (DVD-Präsentation) – OSWALD HENKE (Lesung)

Ort: Leipzig WGT Cinestar

Datum: 15.05.2005

Leipzig war immer noch wolkenbehangen; demzufolge strömten erneut die Menschenmassen in die Indoor-Veranstaltungen – so auch zu den diversen Vorführungen im Cinestar-Kino in der Innenstadt. Bereits 45 Minuten vor Beginn bildete sich eine lange Warteschlange vor der Ticket-Ausgabe für die zweite Lesung von OSWALD HENKE, an die sich eine DVD Präsentation von GOETHES ERBEN mit einem ersten Vorgeschmack der für nächstes Jahr anstehenden Veröffentlichung „Schattendenken“ anschließen sollte.

Der organisatorische Rahmen schien im Vorfeld nicht klar genug abgesteckt worden zu sein – der Ordner vom Cinestar ließ die wartende Menge wissen, dass man sich für die DVD Präsentation ein separates Ticket sichern und ggf. die Lesung vorzeitig verlassen müsse, um ein solches zu erhalten. Reichlich unlogisch, bildeten Lesung und DVD Präsentation doch eine logische Einheit. Aber so hätte zumindest ein Teil derjenigen, die aufgrund der großen Nachfrage kein Ticket mehr für die Lesung bekommen konnten, noch eine Chance gehabt, den Konzertfilm der Bremen-Aufführung vom April letzten Jahres zu sehen. Glück für mich : Jeffrey (Haus- und Hof-Foto- bzw. Videograph von GOETHES ERBEN) schleppte mich gleich mit in den Backstage-Bereich, so dass ich mir über diese Hürde keine Gedanken mehr zu machen brauchte.

Dort erwartete uns ein sichtlich angespannter Oswald. Es war kurz vor Zwei und im Kinosaal lief noch die DVD Präsentation von UNHEILIG. Herr Henke hätte gerne schon um 14 Uhr mit der Lesung begonnen und hatte auch eine direkte Überleitung zur DVD Präsentation geplant – leider ging aus dem Programmplan nicht eindeutig hervor, dass es sich um eine „Kombinationsveranstaltung“ handelte, wodurch es vermutlich seitens des Veranstalters zu Irritationen kam. Im übrigen war der Lesungsbeginn auf 14.30 Uhr angesetzt. Und so sah Oswald die Zeit davonrennen, denn um 18.30 Uhr musste er bereits wieder am Agragelände zu einer Autogrammstunde sein – Künstlerstress auf dem WGT! Da es in der Vergangenheit des Öfteren vorgekommen war, dass eine Reihe von Treffen-Besuchern nach Ende einer Kino-Veranstaltung einfach auf ihrem Platz sitzen geblieben waren, hatte man nun konsequent nach jedem Event eine Leerung des Saales mit sich anschließendem Wiedereinlass durchgeführt – was aber auch entsprechend Zeit in Anspruch nahm. Zwischen der DVD Präsentation von UNHEILIG und der HENKEschen Lesung lagen gerade einmal 20 Minuten, die für diese organisationsbedingte Zäsur kaum ausreichten. Und so saß ein ungeduldiger HENKE an seinem Tisch vor der überdimensionalen Kinoleinwand und forderte eintretende Gäste auf, sich bitte möglichst schnell auf die Plätze zu begeben („Nicht stolpern, zügig durchgehen !“) – die Lesung würde ohnehin kürzer ausfallen als am Tag zuvor, man hätte nun mal nicht soviel Zeit. Im übrigen seien die ersten 10 Seiten schon gelesen! – Das ist HENKE, wenn er gereizt ist und nicht nach seinen Spielregeln gespielt wird!

Die Nervosität legte sich im Laufe der Lesung, die am Tag zuvor versprochenen Variationen bei der Auswahl der gelesenen Texte blieb jedoch aus – es war im Grunde eine Schmalspur-Version des Vortages, bei der jedoch auch das „Zimmer 34“ nicht fehlen sollte – zu meinem Leidwesen saß ich nun in der ersten Reihe an ungünstiger Stelle und hatte somit erstmals die „Ehre“, als Neonröhre zu fungieren. Wer damit jetzt nichts anzufangen weiß, dem sei die Doppel-DVD „Was war bleibt“ ans Herz gelegt, auf der dieses Stück in Bild und Ton verewigt wurde. Und mir bot sich so zum ersten Mal ein Blick aus der Bühnenperspektive auf erbisches Publikum in Kinoatmosphäre – es ist schon interessant, in die Gesichter Anwesender zu blicken und die Reaktionen auf das nicht gerade leicht konsumierbare Stück zu verfolgen. Da gibt es amüsierte, betroffene, aber auch vollkommen gleichgültige Blicke – so betritt jeder Gast sein individuelles „Zimmer 34“. Schade nur, dass die Lesung dieses Tages etwas traurig mit „Nur ein Narr“ endete – am Tag zuvor hatte Oswald noch einmal einen amüsanteren Abschluss oben drauf gesetzt. Die Sanduhr lief, die DVD Vorführung begann und… Oswald entschwand und überließ alles Weitere seinem „Schatten“ Jochen, dem an dieser Stelle auch noch einmal ein besonderer Dank als Kinovorführer gebührt!

Es war eine Rohfassung des Filmes und dennoch ließ sie den Vorteil des Einsatzes eines Kamerakrans erkennen, denn so manch eine Kameraeinstellung war sehr außergewöhnlich – so ganz anders als die Kameras eines „normalen“ Konzertmitschnitts. Hervorzuheben wären zudem die wirklich einprägsamen Portrait-Aufnahmen von Jeffrey, der einfach ein Faible für Gesichter hat. An der einen oder anderen Stelle kann der Film sicher noch nachgebessert werden, eine besondere Herausforderung wird wohl insbesondere das Herausfiltern zweier „Unruheherde“ sein, die es während der Aufführung für nötig hielten, in die Dialoge zwischen Gefangenem und Wärter hineinzuplärren. Andererseits: „Schattendenken“ ist auch eine Rückschau auf die Geschichte GOETHES ERBENS und „störendes Volk“ gehört (so bedauerlich es ist) zweifelsohne auch dazu.

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