Ort: Hamburg - Grünspan
Datum: 04.09.2007
Hatte ich schon einmal erwähnt, dass das Leben zu kurz für schlechte Vorbands ist? Mittlerweile bezahle ich lieber mehr Geld, um weniger Bands zu sehen, weil man meist Stunden gequält wird, bevor man die Band sieht, für die man das Geld eigentlich ausgegeben hat. Aber dazu später mehr. Das „NO SMOKING“ – Schild seitens der Band wurde natürlich geflissentlich übersehen und der Bierkonsum ging soweit, dass zum Schluss im Grünspan keines mehr aufzutreiben war. Die derben Straight-Edge Zeiten sind mittlerweile eben für die meisten nur noch ein Relikt aus vergangener Zeit. Ein einziges X auf der Hand wurde von mir gesichtet, ansonsten waren halt die Jahrgänge anwesend, die auch mit dieser Musik aufgewachsen sind. Eine neue Generation ist hier nicht nachgewachsen. Heute wird ja mehr Zeit vor dem Spiegel verbracht, als sich im Pit die Frisur zu ruinieren. Dementsprechend war großes Klassentreffen angesagt. Man traf Leute, die man schon Jahre nicht mehr gesehen hatte. Aber jetzt einmal im Einzelnen:
TALK RADIO TALK
Eine mir bis dato unbekannte Band aus Stade entert die Bühne in Einheitstracht (Jeans und weiße Shirts) und versucht sich an ausgelutschtem Screamo der uninspirierten Sorte. Da hilft auch das eigens mitgebrachte Stroboskoplicht und ein bisschen Keyboard-Geplimper nicht viel. Der Gesang ist leider viel zu monoton und das Songwriting stammt von gestern. Bei einigen Parts denkt man nur: „REFUSED, ick hör dir trapsen…“ Wie sagte meine Begleitung so schön: “Dieser Musikstil ist auch ein wenig in die Jahre gekommen.“ Das Publikum ignoriert ebenfalls das Dargebotene und geht lieber Bier holen.
WATERDOWN
Junge, Junge, was hatte mich die Band damals beim ersten Treffen auf der GRADE Tour im Hafenklang zu Hamburg umgeblasen. Catchy Songs, energetisch vorgetragen. Damals konnte man zu Recht sagen, das WATERDOWN eine der deutschen Vorzeige-Bands waren. But the times they are A-Changin’. Leider haben WATERDOWN überhaupt nicht einsehen wollen, dass sie an diesem Abend keiner sehen wollte. Mit ultranervigen Aufforderungen, doch endlich nach vorne zu kommen, wurde nicht gespart. Ich für meinen Teil entscheide lieber selbst, aus welcher Entfernung ich einer Band zuschauen möchte. So reagierte die ersten Male auch keiner, nur als es später wirklich voll wurde, gingen die Menschen ein paar Schritte vor. Dann dissten die Herrschaften erst einmal Victory Records, die die armen Jungs ja so derbe über den Tisch gezogen hätten und riefen die Zuschauer auf, doch ihre CDs zu brennen, weil das dem Label wehtun würde. Ich für meinen Teil denke ja eher, dass von der miesen letzten Scheibe nicht genug verkauft worden sind. Na ja, sehr glaubwürdig ist das Ganze nicht, vor allem wenn man bedenkt, wie stolz die Jungs damals waren, die erste „deutsche Band auf Victory“ zu sein. Aber das ist ja auch alles zweitrangig, wichtig ist die Musik. Und diese ist leider in keinster Weise gereift. In Zeiten von PARKWAY DRIVE oder ähnlichen Vertretern der Zunft, wirken WATERDOWN leider viel zu stumpf, regelrecht prollig. Man merkt, dass das Songwriting den heutigen Maßstäben nicht gerecht wird. Selbst die Band vertraut anscheinend ihrer Mischung, die aus dem obligatorischen Wechsel zwischen zwei Gesangsstilen, ein paar Breakdowns und schnellen Parts besteht, nicht mehr und spielt insgesamt drei Cover-Versionen. Als verkündet wird, dass man noch zwei Songs spielen würde, ging wirklich ein Raunen durch das Publikum. Beruhigt wurden die Zuschauer gleich mit der Ankündigung, dass dies aber zwei Cover-Versionen wären und keine eigenen Songs. So kam bei den Hardcore-Classics ein bisschen Bewegung zustande, aber ein Armutszeugnis war es trotzdem. Wer drei Platten veröffentlicht hat, sollte wohl eine vernünftige Setlist zustande bekommen. Schade, ein wirklich unsympathischer Auftritt einer ehemals tollen Band.
GORILLA BISCUITS
Da der Abend bis jetzt ja eher ruhig verlief, befand ich mich bis zum Konzertbeginn direkt vor der Bühne…20 Sekunden später und 10 Fußtritte später fand ich mich am anderen Ende des Grünspans wieder. Hölle! Wie mit einem Fingerschnippen legte ein Orkan los, wie ich ihn seit mindestens 10 Jahren nicht mehr erlebt habe. Der größte Ü-30 Moshpit ever! Walter Schreifels (Gitarre) im stilsicheren „Band Aid“–Shirt, während Anthony „CIV“ Civarelli im „Roots“- Shirt von SEPULTURA auf die Bühne kam, was gleich mit „Roots! Bloody Roots“ – Rufen quittiert wurde. Sammy Siegler an den Drums in bester Verfassung, während der Rest der Band friedlich grinsend ihre Parts spielten. Das Ganze aber unheimlich tight und mit mehr Energie gespielt, als diese ganzen Jungspunde, die heutzutage meinen Hardcore zu sein, es jemals können werden. Und außerdem fehlt eben diesen auch einfach diese Armada an Hits. So wurde wirklich zweifellos die komplette Diskographie heruntergeprügelt. Selbst Herrn Schreifels, der ja heute in Berlin lebt und dort eher auf Elektro-Parties zu finden ist, machte es sichtlich immer noch Spaß, die alten Gassenhauer zu spielen. Auch wenn es schon recht amüsant ist, wie er mit seiner Indie-Haltung den schnellen Hardcore auf der Gitarre spielt. Einfach zum lieb haben! Der Sound war gut, die Leute alle aus dem Häuschen, dementsprechend wurde später dann auch der Merchandise-Stand geplündert (Shirts für 10 Euro sind heute ja auch eher die Seltenheit). Egal aus welchen Gründen die Band sich wieder aufgerafft hat… Wer so klasse aufspielt und das Herz der Zuhörer gewinnt, darf gerne weitermachen. Auch wenn neue Songs wohl nicht zu erwarten sind.
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