Ort: Hamburg - Hafenklang
Datum: 20.12.2010
Wenn der Hamburger Stoner Rock-Underground zum vorweihnachtlichen Stelldichein bittet, darf der Terrorverlag nicht fehlen, also flugs den am Vortag bereits komplett angesengten Adventskranz in die Zigarette gebröselt und durch antarktische Schneeverwehungen zum lauschigen Hafenklang durchgekämpft, angetrieben von der Aussicht auf die wohlige Wärme einer Nacht voller Wüstenrock.
Diese Genre-Bezeichnung sollte dann auch gleich zu Beginn bei PENNYDREADFUL ganz besonders zutreffend sein. Ein gut gewählter Opener, denn der Dreier war an diesem Abend so etwas wie der lässig aus dem Fenster des 30 Jahre alten Oldsmobile gelehnte musikalische Arm, der jovial die Pommesgabel zum Gruße an BRANT BJORK und seine Desert Session-Kollegen ausstreckt. Erst kürzlich des zweiten Gitarristen verlustig gegangen, trumpfte die von dem australischen Sänger und Gitarristen Rhys Jones angeführte Truppe mit betont entspannt zurückgelehnten Grooves und angenehm rauen, aber zu jedem Zeitpunkt melodischen Vocal Lines auf. Besonders angenehm fiel dabei die sehr tight agierende Rhythmussektion, bestehend aus Bassist Daniel Horvath und der hübschen Schlagzeugerin (Seltenheitswert Olé!) Meike Hindemith auf. Allgemeines Kopfnicken im eher mäßig gefüllten Hafenklang war die logische Konsequenz. Die überwiegend im Midtempo gehaltenen, auf das Wesentliche reduzierten Rocksongs vom Schlage „Face Off“ oder „Minds Away“ konnten vollauf überzeugen und machten Lust auf mehr. Das wird es sicherlich auch geben, allerdings fortan unter anderem Namen, nun da man als Trio unterwegs ist, wie uns während des 45-minütigen Gigs mitgeteilt wurde.
Um Einiges heftiger, leider aber auch spielerisch nur halb so präzise ging es im Anschluss mit der fünfköpfigen Combo HYNE (gesprochen Hüne!) weiter. Die eher distanziert, teilweise gar ein wenig lustlos wirkende Band schielte mit ihren auf treibend getrimmten Wüstenrockern ziemlich deutlich in Richtung der Erfinder eben dieses Stils, lieferten dabei allerdings auch den Beweis, dass man KYUSS nicht einfach beliebig ohne Qualitätsverlust adaptieren kann. Die besten Momente hatten die Hünen an diesem Abend immer dann, wenn sie das Tempo herausgenommen und sich im wahlweise zähflüssig-doomigen oder auch verspielt-bluesigen Marihuananebel ein Jam-Picknick gegönnt haben. Alles in allem bestimmt kein Grund, die Ohren auf Durchzug zu stellen oder gar den Ort des Geschehens zu verlassen, aber am Stage-Acting (Zigarettenpause auf der Bühne geht gar nicht, wenn überhaupt heißt das „Beer break“, findet nicht zwischen, sondern IM Song statt und dauert genau einen Dreivierteltakt lang, wie im Vorfeld bei PENNYDREADFUL!) und auch an der Tightness dürfen die fünf Herren schon noch arbeiten. Geschmackssicherheit darf man ihnen durchaus bescheinigen, insofern kann da sicherlich noch was kommen.
Anschließend konnten zu mittlerweile vorgerückter Stunde die vierköpfigen GREENFUELED um den Sänger und Gitarristen mit dem wohlklingenden Namen Alex Marques Diogo von der ersten Note an beweisen, wer hier an diesem Abend der Chef im Ring sein sollte. Auch wenn die Konsistenz des Sounds beim ersten Song ein wenig in Richtung gehaltvoller Brei tendierte und die bereits beim anschließenden Nackenbrecher „Sun Breaks Down“ aufgrund einer gerissenen Saite zu Ehren kommende Ersatzgitarre leider zunächst out of tune war, war schnell klar, wohin die musikalische Reise gehen sollte, nämlich DOWNwards. Nach wenigen Minuten waren die genannten, unter der Rubrik Künstlerpech verbuchbaren technischen Fehlerchen dann behoben und spätestens bei dem mit einem herrlichen Bass-Solo daherkommenden „Gaze The Grace“ konnten sich die Blues-getränkten, korrodierenden Riffs in voller Gänze entfalten. Nach und nach wurde man gewahr, dass die Beschreibung Stoner Rock auf eine Band wie GREENFUELED nur begrenzt, maximal als loser Gesamtkontext zutrifft. Vielmehr präsentierten sich die vier Herren als Anhänger des gepflegten, betont druckvoll riffenden Dooms (gerade Diogos Gesang verneigt sich in Richtung eines Pepper Keenan). Über Allem jedoch schwebte während des gesamten Gigs der eine, wahre und heilige Blues, der den schweren und stampfenden Rockern ihre Seele verlieh und dafür sorgte, dass die Heaviness nicht als eiskalter Felsbrocken sondern angenehm feurig-warm auf das zufriedene Publikum hernieder ging. Nach der „Nola“-Hommage „Let It Rain“ sollte dann eigentlich der Gig beendet sein, da das jedoch vorher nicht angekündigt wurde, kamen GREENFUELED nicht darum herum, noch eins draufzulegen (Strafe muss sein!). Und weil es so schön war und das Auditorium keine Ruhe gab, wurde dann mit „Left Unknown“ noch eine weitere Zugabe geboten, die ganz sicher nicht programmatisch zu verstehen war, denn „unknown“ verließen GREENFUELED an diesem Abend keineswegs die Bühne.
Alles in allem ein toller Abend mit drei geschmackvollen Bands für schmales Geld, der den erneuten Beweis erbracht hat, dass gute Musik nach wie vor ihre Anhänger findet und, angesichts der vielen jungen, vielversprechenden Bands, die ihr frönen, keinesfalls aussterben wird. In diesem Sinne: Support your local underground!
Setlist GREENFUELED
Restrayned In Rage
Sun Breaks Down
Waves
Gaze The Grace
Rapid Streams
Let It Rain
Through My Eyes
Left Unknown
Copyright Fotos: Wiebke Tamke
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