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GÜNTHER, DER TRECKERFAHRER

Ort: Osnabrück – OsnabrückHalle

Datum: 24.05.2023

Bestes Wetter, um auf dem Acker noch einen Schlag zu machen und trotzdem strömt die Landbevölkerung mitten in der Woche kurz vor 20 Uhr in Scharen in die OsnabrückHalle? Ist doch gar nicht Bullenball, der findet doch erst im November statt!?! Tja, GÜNTHER, DER TRECKERFAHRER (der 66-jährige Dietmar Wischmeyer in seiner Paraderolle) hatte zur Jahreshauptversammlung geladen und wenn im Europasaal noch vereinzelt ein Stuhl leer geblieben ist, lag das nur daran, dass der Geladene zwischenzeitlich verstorben war oder womöglich sogar noch vor Ort leblos vom Sitzmöbel gerutscht ist. In diesem Fall hätte aber ein Handzeichen gereicht und Günther hätte die betreffende Person noch schnell in den Tagesordnungspunkt „Ehrung der Verstorbenen“ aufgenommen. Damit startete der Abend nämlich nach der musikalischen Eröffnung durch Heinz Vukovar, Leiter und einziges Mitglied des European Sound Machine Orchestra.

Der niedersächsische Vorzeigelandwirt wusste von allerlei Todesfällen im Dorfe zu berichten: Moderne Zapfwellen können sich in Kombination mit dem langen Schweinstallskittel ebenso zur tödlichen Falle entwickeln wie Frondladerforken, bei denen irgendwie die Sicherheitssplinte abhandengekommen sind und wenn man allein den Achtscharpflug hinter den Schlüter hängen muss, kann es auch schon mal zu Verlusten kommen. Nur was tun, wenn Opa mit seinen 85 Jahren partout nicht von der Welt will? GÜNTHER, DER TRECKERFAHRER wusste die Antwort und sein Sidekick Heinz hatte mit „Ein Stein, der deinen Namen trägt“ und „Wie schön, dass du gestorben bist“ auch das passende Liedgut in petto. Der nächste Tagesordnungspunkt war mit einem Lichtbildvortrag verbunden und betraf die besonderen Ehrungen, die insbesondere diversen Politiker gewidmet waren. Wer erinnert sich beispielsweise noch an Martin Schulz? Bundeskanzler wollte er mal werden, macht jetzt jedoch eine Umschulung zum Katzenschlachter, wenn man dem Zeremonienmeister des Abends glauben durfte. Der berichtete im nächsten TOP sogleich vom Jahresverlauf auf dem Lande. Der Januar besteht im Wesentlichen aus Grünkohl, im Februar muss der Landmann sich mit dem Valentinstag herumschlagen, bevor es im März vergleichsweise ruhig zugeht, bevor im April Ostern mit aller Kraft zuschlägt und im Mai eine Feier die nächste jagt. Den Höhepunkt bilden allerdings die Schützenfeste, die ebenfalls en detail beschrieben wurden, was im gleichen Maß für Erheiterung sorgte wie der minutiöse Abriss einer Landhochzeit. Großartig war auch das Video zu „Einmal um das ganze Feld“, das den Monat Juli begleitete und sogar Krombacher-Flaschen aus dem Boden wachsen ließ. Was für eine Traumvorstellung: Bierernte mit dem Vollernter! Natürlich blieben auch die Vereine der dörflichen Gemeinschaft nicht unerwähnt. So nutze Günther sein Grußwort gleich einmal zur näheren Betrachtung von Schützen- und Sportverein sowie Feuerwehr. Die Gesangsvereine wurden besonders detailliert beleuchtet: ist so ein Männergesangverein schon kritisch, muss man einem gemischten Chor wohl bereits jegliche Daseinsberechtigung absprechen. Ganz zu schweigen von Gospel- und zuletzt Shantychören, die nur etwas für Sparkassenangestellte sind. Und dann gibt es ja auch noch die Spielmannszüge wie die ‚Dezibel Devils‘, deren erste Aufgabe es ist, den Kids den Spaß an der Musik auszutreiben. Sein Bedauern brachte DER TRECKERFAHRER am Ende angesichts der Unübersichtlichkeit zum Ausdruck, die inzwischen in der Politik, ja selbst im kleinsten Gemeinderat herrscht. Früher sei das viel einfacher gewesen: wer mehr als einen Hektar hatte, gehörte zur CDU, hatte man nur Karnickel im Stall, zählte man zur SPD und wer ganz allein war und mit allen über Kreuz lag, war FDP-Mitglied.

Nach einer knappen halben Stunde Pause, die genutzt werden konnte, um Flüssigkeitsdefizite auszugleichen oder Devotionalien am Merch-Stand zu erwerben, begeisterte ein weiteres Alter Ego von Dietmar Wischmeyer das Auditorium: DER KLEINE TIERFREUND! Auch er hatte einen Lichtbildvortrag vorbereitet und wusste sein Publikum mit seinem umfassenden Fachwissen zu fesseln und zum Staunen zu bringen. Es ging Schlag auf Schlag, schon stand erneut ein musikalischer Part von Heinz Vukovar auf dem Programm. Das „Haus am See“ von PETER FOX stand Pate für das „Haus am Güllesee“, das inklusive Video performt wurde. Eine wichtige Frage galt es noch zu beantworten: wie sieht eigentlich so eine Kindheit auf dem Lande aus? Nun, die ersten drei Jahre wird man von ‚use Omma‘ groß gemacht, weil die Mutter in der Landwirtschaft unabkömmlich ist. Danach übernimmt der Schäferhund die Erziehung und mit acht Jahren hat man ein Mofa und fährt zum Rauchen in seine selbstgezimmerte Bude im Wald. Kritisch ist die Schulzeit, insbesondere, wenn man zur weiterführenden Schule in die Kreisstadt muss. Wenn es gut läuft, besucht man das Gymnasium, dann hat man nämlich den doppelt so dicken Diercke-Weltatlas wie die Realschüler. Den braucht man nicht unbedingt im Unterricht, aber zu Verteidigungszwecken macht der sich gut im Tornister. Schwierig wird es freilich insbesondere für den männlichen Heranwachsenden, wenn sich die Hormone melden. Schnell stellt sich heraus, dass die „Landlust“ als Pornoheft nicht taugt und auch der „Landliebe“-Joghurt hält nicht, was sein Name verspricht. Deshalb kommt es auf ländlichen Schützenfesten auch nach zu viel Fanta-Korn zu Übergriffen „die beide nicht wollen, es aber trotzdem tun“. Oder man muss sich der käuflichen Liebe bedienen, wovon Heinz ein weiteres Lied zu singen wusste. Auf die Gefahren, die von den Erotikkalendern des Landmaschinenhändlers herrühren, wies Günther noch einmal explizit hin. Letztlich könnten sich auf Kreiseleggen räkelnde Osteuropäerinnen ein gewichtiger Grund für die Landflucht sein, denn wer will schon die Abdrücke der Bodenbearbeitungsmaschine auf Bauch oder Rücken haben? Laut Günther ist die beste Symbiose auf dem Land überhaupt, wenn die 84-jährige Oma mit ihrem über 50-jährigen Sohn auf einem runtergekommenen Resthof zusammenlebt. Da kommt es auf nix mehr an und die gegenseitigen Erwartungshaltungen sind gering. Aber dürfen diese Junggesellen eigentlich auch am Vatertag mit dem Bollerwagen losziehen? Die Frage blieb unbeantwortet, dafür wurde sehr bildlich das Zusammenspiel von Nudelsalat, Bananenschnaps und rohen Grillwürstchen dargestellt, nachdem Kollege Vukovar zuvor unter Saal-Akklamationen seine Version des BONEY-M-Klassikers „Daddy Cool“ zum Besten gegeben hatte. Blieb noch die niedersächsische Variante von „Take Me Home, Country `Roads“, mit der die gesellige Jahreshauptversammlung nach rund 2 ½ Stunden schloss.

Nein, politisch korrekt ist das nicht, was Dietmar Wischmeyer als GÜNTHER, DER TRECKERFAHRER von sich gibt. Aber wahnsinnig witzig, wenn man eine gewisse Affinität zum bäuerlichen Landleben hat. Das wird bei den Anwesenden zweifellos der Fall gewesen sein, tatsächlich war wohl sogar jemand mit seinem alten Dieselross vor Ort, zumindest habe ich das prägnante Tuckern draußen vor der Halle gehört. Auch wenn der selbsternannte ‚Humorfacharbeiter’ in Melle-Oberholsten aufgewachsen ist, wird er nicht mit seinem Trecker angereist sein, schließlich stand er zu diesem Zeitpunkt auch noch für eine Autogrammstunde zur Verfügung und das Merchandising war zudem noch dicht bevölkert, als ich die Halle verlassen habe. Seit 1988 gibt es die Figur GÜNTHER, DER TRECKERFAHRER und sie hat sich in seiner lakonischen Schnodderigkeit in keiner Weise abgenutzt. Einzig FRIEDA HORSTMANNSKÖTTER habe ich vermisst – gemeinsam mit Sabine Bulthaup, die den Part der ANNELIESE HAUSMANN innehatte, bildete DIETMAR WISCHMEYER das schlagfertige Landfrauen-Duo, das ebenso wie Günther in Plattengülle, in der niedersächsischen Pampa beheimatet ist und einst beim Frühstyxradio von Radio ffn aus der Taufe gehoben wurde. Es war mir mal wieder ein Fest!

Copyright Fotos: Ulrike Meyer-Potthoff

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