Ort: Berlin - K17
Datum: 24.10.2004
Was Auftritte im K17 angeht, habe ich mittlerweile meine Ansprüche, was Besucherzahlen und Soundqualität betrifft, aus Erfahrung deutlich zurückgeschraubt. Aber manchmal gibt es auch noch Abende, die mit kleinen Überraschungen aufwarten. So fand ich für einen Sonntag und ein K17 doch einen halbwegs gefüllten Konzertraum vor, und das percussion-orientierte Instrumentarium auf der Bühne machte neugierig auf die Darbietungen von HEKATE und deren Support SIEBEN. Gerade bei letzterem fragte ich mich doch, wie Matt Howden die Musik seines Soloprojektes live darbieten wollte: Dem Alleingang treu bleiben und sich mit puristischen Liveversionen bescheiden oder doch lieber den mehrspurigen Charakter der Songs erhalten und dafür mit einer Liveband arbeiten?
Weder noch, so des Rätsels Lösung. SIEBEN war und blieben Matt Howden und seine Violine – ohne Kompromisse, ohne Einbußen. Live unterschieden sich zwar die Songs im Aufbau notwendigerweise von der Studiofassung, doch kam man in den vollen Genuss sich auftürmender Harmoniekaskaden, denn der Mann loopte sich und sein Geigenspiel kontinuierlich selbst und legte immer neue Melodiespuren darüber. Erstaunlich, wie eine Violine so zum Schlagzeug oder Bass mutieren konnte und sonstige ungewöhnliche Töne hervorbrachte. Howden klopfte auf den Resonanzkörper, fuhr mit den Nägeln über die Saiten, kratzte mit dem Kinn über Halterungen, zupfte, schlug und strich und entlockte seinem Instrument so alles andere als minimalistische Arrangements. So gesehen begann jeder Song ähnlich, denn nachdem das rhythmische Grundgerüst erstellt war, wurden die Melodien übereinandergelegt. War dies zur Zufriedenheit geschehen, konnte sich Howden auf den rezitativen Gesang konzentrieren und Geschichten von Sex und Wildblumen oder Einzelhaft zum Besten geben. Von „Sex & Wildflowers“ bzw. „Our solitary confinement“ waren die meisten Stücke rekrutiert worden, deren hypnotische einlullende Linienführung perfekt zum Umsetzungskonzept passte. Ob „Virgin in the Green“ oder „Peterson’s Seat“ – sie alle verwandelten sich in handgemachte Experimentalmusik der folkigen Art. Besonders interessant war auch anzusehen und -hören, wie Howden seine Geige ansang und seine durch die Saitenvibration verzerrte Stimme selbst zum Instrument wurde. Es wurden wahrlich alle Register gezogen, was das Publikum auch gebührend honorierte. Nichtsdestotrotz musste er sich irgendwann von den Leuten verabschieden, kündigte aber schon vorsorglich einige gemeinsame Stücke mit HEKATE an.
Nach kurzer Pause trat dann auch das Quintett um Axel Menz und Susanne Grosche vor die Zuschauer und erfreute nach einem ruhigen Intro die Ohren mit bombastischem, schlagwerklastigem Neofolk vom aktuellen Album „Goddess“. Die Koblenzer, die sich durch zahlreiche Auftritte – zum Beispiel zu mancher Walpurgisnacht – in der Hauptstadt eine treue Basis erspielt hatten, freuten sich sichtlich, wieder einmal Berlin beglücken zu können. Und auch wenn man z.B. bei „Fatherland“ über die Qualität der weiblichen Vocals von Susanne geteilter Meinung sein konnte, so tat das der Stimmung und Spielfreude keinerlei Abbruch. Wie gewohnt wurden Instrumente und Plätze mehrfach gewechselt. So griff Achim Weiler, hauptsächlich für die Synthesizer zuständig, auch schon mal zur Landsknechttrommel oder zur Drehleier, Axel neben diversem Schlagwerk und eigener Vokalarbeit auch zur Gitarre etc. Ein reines Bäumchen-wechsel-dich von allen Mitgliedern! Immer wieder Jubel und Applaus, immer wieder Dankesworte aus dem Munde von HEKATE. Da brauchte es auch keine ausgefallenen Bühnenklamotten, um zu beeindrucken, ein Herr Menz wirkte durchaus auch ohne Trachtenjanker in schlichtem Schwarz. Insgesamt stellte das Set einen Querschnitt durch die letzten Langspieler dar, Klassiker wie „L’ivresse“ vom Album „Sonnentanz“ durften natürlich ebenfalls nicht fehlen und wurden begeistert aufgenommen. Zwischenzeitlich huschte der ohnehin publikumsnahe Matt Howden durch den Zuschauerraum, stahl sich an den Bühnenrand, um einmal alle Mitglieder mit einer Digicam festzuhalten, was für ein amüsiert-freudiges Posieren bei HEKATE sorgte. Mit einer fulminanten Version von „Morituri te salutant“, bei der Axels eindringlicher Schreigesang einem Schauer über den Rücken rieseln ließ, beendeten HEKATE vorerst ihren Auftritt. Natürlich nicht endgültig, dafür verlangten die Zuschauer viel zu sehr nach Zugaben. So kehrte man frohgemut zurück, holte Matt Howden wie versprochen mit auf die Bretter und lieferte noch drei höchst intensive Stücke ab, die durch das Geigenspiel ungemein bereichert wurden. Bei „Henry M.“ verwies Axel explizit auf den zwar anwesenden aber nicht auf der Bühne stehenden Arne Thau als geistigen Urheber, der Abschluss „Break the silence“ hingegen war eine Widmung an einen Freund aus Wittenberg. Man holte Arne für eine formvollendete gemeinschaftliche Verbeugung auf die Bühne, beglückwünschte sich gegenseitig zum gelungenen Tourende, klopfte sich – leicht wehmütig – verabschiedend auf die Schulter und überließ ein überzeugtes Publikum der Aftershowparty und der Nacht.
Setlist HEKATE
Intro
Morgaine
Ocean Blue
Fatherland
Montségur
In Mithras’ Garden
Dos Kelbl
Melancholy
Stiertanz
L’ivresse
Morituri te salutant
Danse de l’obscurité
Henry M.
Break the silence
Copyright Fotos: Antje Wagler
Hinterlassen Sie einen Kommentar.
Du musst angemeldet sein, um einen Kommentar abzugeben.