Ort: Bielefeld - Rudolf-Oetker-Halle
Datum: 24.03.2007
Seit fast 20 Jahren tourt HERBERT KNEBEL mit seinem AFFENTHEATER durch die Republik. Inzwischen mit dem zehnten Live-Programm „Nix wie weg!“ unterwegs machten die Krawall-Rentner aus dem Ruhrpott Station in Bielefeld, so dass auch ich meinem extremen Schlafdefizit zum Trotze den Weg in die Hauptstadt des Backpulvers fand. HERBERT KNEBEL ist das Alter ego von Uwe Lyko – der Kabarettist und Komiker lebt geradezu die Figur des grantelnden Frührentners, der mit seiner Frau Guste in Essen lebt. Daneben gibt es noch das AFFENTHEATER, seine drei Kumpels Ernst Pichel (Martin „Alfi“ Breuer, Bass), Ozzy Ostermann (Georg Göbel, Gitarre) und den Trainer (Detlef Hinze, Schlagzeug). Gemeinsam verdienen sie sich durch Auftritte ihrer Band ein wenig was zur Rente hinzu, so wie auch an diesem Abend.
In der Rudolf-Oetker-Halle waren nahezu alle Plätze mit erwartungsfrohen Damen und Herren von Ende Zwanzig aufwärts besetzt, als pünktlich um 20.00 Uhr zu „I’m Walking“ von FATS DOMINO das Quartett in kompletter „Nordic Walking“-Montur die Bühne betrat. Die Herrschaften gehen nämlich mit der Zeit und so testete man die gesundheitlichen Vorzüge dieser In-Sportart. Dabei werden jedoch modische Experimente außer Acht gelassen. Herbert Knebel geht nicht ohne seine Kappe aus dem Haus und die braune Stoffhose ist ebenso essentiell wie die dicke Hornbrille. Bei der sportlichen Betätigung kommt vielleicht noch eine Seventies-Trainingsjacke hinzu, Ernst Pichel hatte sich in Ballonseide gewandet, ansonsten bleiben die Jungs ihrem Stil treu, was bei Ozzy Ostermann immer auch eine schlecht sitzende Hose bedeutet. Das Für und Wider des Walkings wurde in der unnachahmlichen schnoddrigen Art des Kleeblatts erörtert, letztlich kam man aber doch wieder zu dem Schluss, dass Sport in Verein am schönsten sei und hat darauf erst mal einen gehoben und die Instrumente zum Klingen gebracht. Bei HERBERT KNEBEL und seinem AFFENTHEATER bedeutet dies, dass Klassiker des Pop, Rocks und Schlagers einen neuen, deutschsprachigen Text erhalten und voller Inbrunst intoniert werden. So geschah es auch mit dem bereits erwähnten „I’m Walking“, „Walking On The Moon“ von THE POLICE und DAVID BOWIEs „Space Oddity“. Bei letzterem wähnte sich Herbert in einer Raumkapsel, sehr schön durch entsprechende Verrenkungen auf einem Stuhl dargestellt und textlich in „Bodenstation an Herbert Knebel“ umgesetzt. Als nächstes schwappte eine „Grippewelle“ über den knarzigen Ex-Bergmann hinweg, bevor man sich Pichels Ausstiegsüberlegungen widmete. Ernst werden die vielen Fernsehprogramme, Fernbedienungen und das Hinterherhinken bei den Klingeltönen zu viel. Deshalb will er aussteigen, hat jetzt auch schon mal ne Woche auf den Toaster verzichtet und plant als nächstes einen „5-Sterne-Aussteiger-Urlaub“ in Ägypten. Da hatte er allerdings die Rechnung ohne Herbert und Ozzy gemacht, die ihm erst einmal Bescheid sagten, was einen richtigen Aussteiger überhaupt ausmacht. Der isst nämlich sogar Stachelbeeren ohne Zucker! Das wusste Ernst nicht und nahm geschockt wieder Abstand von seinen Plänen, der Zivilisation den Rücken zu kehren. Dafür hatte er seinen Frust jedoch noch in ein passendes musikalisches Gewand gehüllt und gab seine Version der SIMON & GARFUNKEL-Hits „The Boxer“ zum Besten. Dann hatte Herbert auch schon Neuigkeiten über Theo Röttger zu berichten, der ist zu den „letzten bibeltreuen Anhängern vonne Bibel“ konvertiert. Und die dürfen erschreckenderweise kein Bier trinken, noch nicht mal Clausthaler. In diesem Zusammenhang besprachen Herbert und Ernst auch das unmögliche Unterfangen, dass die Welt in sieben Tagen erschaffen worden sein soll. Man wisse ja schließlich, wie lange es dauert, nur ne Doppelhaushälfte hochzuziehen. Bei den Pangeleien mit den Handwerkern kann auch Gott unmöglich in sieben Tagen fertig geworden sein. Für Herbert ist ja das Schlimmste die Kombination aus „keine Ahnung, kein Lebenssinn und kein Plan“. Seiner Meinung nach häufig anzutreffen in den USA, deshalb hieß es in seiner nächsten Gesangseinlage auch „Haut mich ab mitte USA“, so ähnlich schon mal von den BEATLES unter dem Namen „Back In The U.S.S.R.“ gehört, allerdings hatte keiner der Pilzköpfe einen ähnlich provokanten Hüftschwung wie Ozzy Ostermann, dem Herbert bei seinem Tänzchen auf einem Bein allerdings in nichts nachstand. Im Folgenden ging’s um die „Abenteuer Trophy“, die Kumpel Walter bei einer „Zarettenfirma gewonnen hat, die immer mit den schwulen Cowboys reklamiert“. Was Walter für einen Traumurlaub hielt, konnte Herbert innerhalb kürzester Zeit als Gefahr für Leib und Leben entlarven, so dass Walter am Ende seinen Hauptgewinn gegen eine Stange Kippen tauschen wollte, schließlich waren die am Anfang auch der eigentliche Antrieb für die Teilnahme an dem Gewinnspiel. Walter ist nämlich ziemlich rauchfixiert, so dass SMOKIE logischerweise seine Lieblingsband ist. Fast romantisch wurde es bei Herberts Anlehnung „Tür an Tür mit Ellie“ an den SMOKIE-Kracher „Living Next Door Door To Alice“, bei dem auch der Trainer einen quietschigen Vocalbeitrag leisten durfte. Inzwischen war es fast 21.00 Uhr und die Protagonisten verabschiedeten sich für 20 Minuten in die Pause, welche das Publikum nutze, um durch das Vergießen von Lachtränen entstandene Flüssigkeitsverluste auszugleichen und das stark beanspruchte Zwerchfell zu lockern.
Nach dem Break setzte dann endgültig ein Harmonie-Overkill ein. In der kleinen Garderobe waren die Vier sich so nahe gekommen, dass der Hausmeister sie mit einem Dietrich trennen musste. Musikalisch wurde das mit einer Neuinterpretation von „Happy Together“ (THE TURTLES) manifestiert. Und das, obwohl Herbert ernste Zweifel an der Zukunft äußerte. Während Knebel schwarz malte, wies der Trainer daraufhin, dass Herbert ja auch der Schlechtelaunebeauftragte der Bundesregierung sei und Ozzy untermauerte sein Statement, ihm ginge es gut, indem er sein Hemd zerriss. Er könne sich dank der Eintrittgelder noch immer jeden Abend ein neues Oberhemd leisten. Da wurde er allerdings von Ernst und Herbert eines Besseren belehrt, so dass der Trainer schon mit seinem Karohut sammeln gehen wollte. Wie immer scheute man sich nicht, brisante gesellschaftspolitische Themen anzupacken und so wurde auch die Überalterung der deutschen Bevölkerung zur Sprache gebracht. Zukünftig kämen auf einen Arbeitnehmer 2 ½ Rentner, die dann auch direkt zugeteilt werden sollten. Herbert hofft, in einem Millionärshaushalt unterzukommen, sieht allerdings durchaus die Endzeit auf uns zueilen, deshalb wurde die Problematik auch in Noten gefasst. Aus LOU REEDs „Walk On The Wild Side“ wurde „Kurz vor der Endzeit“ inklusive Ausdruckstanz HERBERT KNEBEL und sexy Beckenkreisen Ozzy Ostermann. Die aktuellen Sorgen von Ernst kreisten um das Fehlen einer Krankheit seinerseits, was seiner Frau ihrerseits große Kopfschmerzen bereitete. Glücklicherweise hat der Arzt dann doch noch was gefunden: „Cholesterin“. Diese Geisel der Menschheit war dann gleich noch einen Song wert („Cocaine“ von GaryDavis/ Hannes Wader), der gefolgt wurde von einer Bigamistenstory aus Essen, wo Günther Gall als Günner Güll eine türkische Zweitfamilie bei Laune hielt. Natürlich flog der Schwindel irgendwann auf, weil die beiden Frauen sich kennen lernten und anfreundeten. Das Ende vom Lied: Die Frauen schmissen den Kerl raus und zogen mit den Kindern zusammen. Mit Frauen ging es auch weiter. Die besseren Hälften von Herbert, Ernst und dem Trainer Guste, Änne und Irmchen trafen sich bei Ozzy Ostermann im Cafe und schwadronierten ebenfalls über die demografischen Probleme im Land. Letztlich beschloss man, sich nicht auf die Männer verlassen zu können und wollte die Sache selbst in die Hand nehmen. Das gipfelte in einem Stuhltanz der besonderen Art. Was bei den EURYTHMICS und ARETHA FRANKLIN „Sisters Are Doin’ It For Themselves“ hieß, nannte sich bei den Damen „Schwestern, wir machen es uns jetzt selbst” und bot jede Menge Erotik… Gleiches galt auch für Ozzy, der im Anschluss zur Gitarre griff. Der Mann weiß was Frauen wünschen: Gepflegte Erscheinung, Top-Frisur, humorvolles Auftreten, Gitarrenmusik. All das vereinte er bei „Besame mucho“ in unvergleichbarer und unnachahmlicher Ozzy-Ostermann-Manier. Die „Nachwuchssorgen“ ließen nicht nach, Herbert musste abermals über vergangene gute Zeiten und schlechte gegenwärtige Zeiten sinnieren, da kamen die „Knebel-Kerls“ bereits zum zweiten Nordic-Walking-Durchgang. Es wurde noch einmal hochdramatisch als Herbert „Ich schick ne SMS in die Welt“ (THE POLICE „Message In A Bottle“) sang, bevor er seine Mitstreiter vorstellte und um 22.20 Uhr die Mannen unter tosendem Applaus, Pfeifen und Fußtrappeln die Stage verließen. Also nahm Herbert noch einmal auf dem Stuhl in der Bühnenmitte Platz und ließ uns teilhaben an den Vorkommnissen in der Zoohandlung, in der für einige Stunden ausgeholfen hatte, weil der Inhaber das verfaulte Faultier beerdigen musste. Bevor mit dem geschmeidigen „Gez und für immer“ (Melodie von „Sole Mio“) tatsächlich sich der Abend nach gut 2.5Stunden zum Ende neigte, lobte Herbert noch die Atmosphäre in der Oetker-Halle. Beim letzten Mal habe man in der Bielefelder Stadthalle gespielt, dort sei aber kein Rock ’N’ Roll in den Wänden, hingegen schmecke man in der Oetker-Halle gleich beim Reinkommen das Pudding-Pulver.
Tatsächlich schien Herr Knebel die Architektur ein wenig an die heimische Garage zu erinnern. Der Stimmung tat das aber in keiner Weise einen Abbruch. Das Auditorium amüsierte sich köstlich und auch die Akteure machten den Eindruck, Freude an ihrem Tun zu haben und konnten sich hier und dort nur schwer ein Lachen verkneifen. Auch nach 19 Jahren haben die Vier nicht an Ideenreichtum und Witz verloren. Ganz in der Tradition eines Jürgen von Manger bzw. seiner Kunstfigur „Adolf Tegtmeier“ schauen sie den Bewohnern des Ruhrpotts auf den Mund und überspitzen an der ein oder anderen Stelle vortrefflich. Außerdem sind die Unruheständler auch noch hervorragende Musiker, so dass einem vergnüglichen Abend wie heute auf in der Zukunft mit HERBERT KNEBELS AFFENTHEATER nichts im Wege stehen dürfte. In jedem Fall wird die Tour noch bis mindestens Ende des Jahres fortgesetzt, es besteht also noch die Chance, am begnadeten Spiel des Quartetts teilzuhaben.
Copyright Fotos: Ulrike Meyer-Potthoff
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