Ort: Danzig - St. Johanneskirche
Datum: 02.04.2005
Hätte sich an dem geschichtsträchtigen Samstag Nachmittag ein ausländisches Fernsehteam auf der Suche nach medienwirksamen Bildern von polnischer Jugend, die für den sterbenden Papst betet, in die Danziger Altstadt verirrt, wäre es von der malerischen Gruppe von etwa 300 Personen, die meisten davon tatsächlich jung und apart schwarz gekleidet, welche geduldig vor einer Kirche Schlange standen, wohl entzückt gewesen. Der wahre Anlass für die Versammlung vor dem Gotteshaus war allerdings in Wirklichkeit nur bedingt religiöser Natur und hieß „Rumours About Angels II“. Den Namen für die Veranstaltung haben zwei junge polnische Künstler Bartosz Hervy (Musik ) und Jaroslaw Kubicki (Grafiken) tatsächlich dem Opener vom 2000er Album von DIARY OF DREAMS entliehen, aber, wie es sich schnell herausgestellt hat, konnte man außerdem keine offensichtliche Parallelen zur Band von Adrian Hates ziehen. Das Thema „Engel – die Geburt“ passte auch natürlich sehr gut zu der Location, wo normalerweise an jedem Sonntagmittag die Heilige Messe für die Danziger Künstler stattfindet. Unter der Woche ist die St. Johanneskirche jedoch seit Jahren ein beliebter Ort für Ausstellungen, Vernissagen und Konzerte jeglicher Art.
Als kurz nach 19 Uhr die Türen geöffnet wurden, glich das Innere des Gotteshauses einer Kulisse für einen Alptraum. Die bedrohliche geloopte Musik unterstrich perfekt die bedruckende Atmosphäre. Nur ein Stück Mauer neben dem Eingang wurde von oben beleuchtet. Das diffuse Licht täuschte einen seltsamen Nebel vor. An der Wand entlang hingen 13 Bilder verdeckt mit schwarzem Stoff. Der Altar war in der Dunkelheit kaum sichtbar, dafür standen links und rechts davon Leinwände auf denen zu dem Zeitpunkt das Logo der Veranstaltung – eine weiße Feder auf schwarzem Hintergrund – zu sehen war. Die Kirche war zwar bestuhlt, aber aus Platzmangel gab es wohl nicht genug Sitzplätze und ein Teil des Publikums musste stehen. Um 19:30 erschienen auf dem zur Bühne umfunktionierten Altarpodest die zwei Hauptakteure des Abends: der Danziger Absolvent der Kunstakademie Jaroslaw Kubicki und Bartosz Hervy aka. „DJ H_12“. In den darauffolgenden 50 Minuten waren wir Zeugen der Geburt von 13 Engeln, die in der Phantasie des renommierten Grafikers und Coverdesigners Kubicki entstanden waren. Seine Engel sehen anders aus als die, die man aus zahlreichen sakralen Gemälden seit frühester Kindheit kennt. Kubickis Engel sehen bedrohlich schön aus und besitzen weder Flügel noch Heiligenschein.
„Die Geburt von Schönheit ist äußerst schmerzvoll und hässlich“ lautet das Motto seiner Werke. Den Entstehungsprozess der Engel gab es als Videoprojektion zu sehen – eine elektronische Collage aus Digitalfotografie, „traditioneller“ Malerei, Computergrafik und verschiedenen Digitalbearbeitungstechniken. Die dazugehörige Musik sollte nicht als schiere „Untermalung“, sondern als gleichwertiger Teil des Projektes verstanden werden. Für diesen Teil des Projektes war der bekannte polnische „schwarze“ DJ Bartosz Hervy verantwortlich. Seit Jahren legt er als H_12 nicht nur Platten auf, sondern arbeitet außerdem als Produzent und Musiker. Er ist Mastermind von NO SIGNAL DETECTET, einer Band deren Stillrichtung man als „Dark Ambient“ bezeichnen kann. Seine zu „Rumours About Angels“ komponierte Musik klingt allerdings anders. Sie ist viel bedrohlicher und düsterer und erinnert an die ruhigeren Kompositionen von Bands wie SKINNY PUPPY oder PLACEBO EFFECT.
Außer Musik und elektronischen Collagen spielte an dem Abend in der St. Johanneskirche das Licht die zentrale Rolle. Ich kann mich an kein Konzert erinnern, wo die Beleuchtung so perfekt ins Geschehen integriert wurde. Wahrscheinlich lag es auch zum Teil an dem Veranstaltungsort, aber die fast 3D Lichteffekte, die plötzlich kleine Teile des Altars zum Vorschein brachten, fand ich atemberaubend. Jede Engelsgeburt wurde auch von einer Lichtflut auf der Bühne begleitet, sonst war die Beleuchtung eher sparsam, wurde aber, wie gesagt, äußerst effizient eingesetzt. Nach 50 Minuten des Spektakels wurde es stockdunkel. Dann ging das neblige Seitenlicht wieder an. Nach und nach enthüllten die beiden Künstler die Bilder der 13 vollkommenen Engel. Das war es. Nach längeren Schlangestehen, um die Werke aus der Nähe zu betrachten, ging ein Abend in der Welt der mysteriösen, himmlischen Kreaturen zu Ende und ich verließ die unglaublich kalte Kirche. Es war ein sehr schöner Abend und die Zeichen stehen gut, dass sich das Event hier irgendwo in Deutschland irgendwann wiederholen kann. Mehrere Infos dazu (mitsamt Musik und Bildern) findet ihr, auch auf Deutsch, unter www.rumoursaboutangels.com.
Copyright Fotos: Katarina Mazurkiewicz
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