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HIM – ZERAPHINE – THORA

Ort: Münster - Jovel

Datum: 28.03.2004

Ein Tag nach den EINSTÜRZENDEN NEUBAUTEN nun also die Liebesmetaller Nr.1 und das in werter Begleitung. So begab ich mich nach langen Jahren mal wieder ins Jovel, einst Münsters Aushängeschild in Sachen Disco, mittlerweile eine Konzertstätte für alternative Events, wie sich die Zeiten ändern. Und ich war nicht der einzige! Als ich so gegen 19 45 Uhr auf den großen Parkbereich vor der ehemaligen Germania Therme aufkreuzte, war doch tatsächlich schon alles belegt und eine lange Schlange Wartender säumte meinen Weg. Nur gut, dass wir auf der Gästeliste standen, andernfalls hätte das Spektakel knapp 35 Euro gekostet. Das Jovel war rappelvoll (dürften damit deutlich über 1000 Leute gewesen sein) und der Anteil junger Frauen (aka Mädchen) lag so bei 70 Prozent, die meisten sahen sich recht ähnlich und warteten nur auf einen Mann! Doch zu dem kommen wir später.

Die Tour wurde von Jägermeister gesponsert und so konnte ich nur knapp einem orangen Gratis-Kappen-Angriff entgehen, den Logos auf den Vorhängen allerdings weniger. Sofort fiel die unpassende Background-Beschallung auf, PAULA ABDUL? 80er Jahre Rock? Das müssen wir aber noch üben… Mutig kämpfte ich mich mit meinem fotografierenden Knappen nach links vorne, was nicht so einfach war, da die Mädels sich bereits zur HIM-Schlacht gerüstet hatten und kaum einen Meter Platz preisgeben wollten. Die erste Band des Abends variiert auf dieser Tour von Gig zu Gig, so waren bereits PINKOSTAR und EAT THE GUN in den Genuss der Eröffnung gekommen. Heute sollten es THORA aus Aachen sein, die mir vorher freundlicherweise ihr aktuelles Album „Total World Paranoia“ zur Verfügung gestellt hatten. Obwohl es sich dabei um eine BMG-Verlagsband handelt, war mir der Vierer vorher nicht bekannt, das sollte sich aber ändern. Ohne große Angst stürzte man sich ins Getümmel und hatte in Thomas Fräntzki einen beweglichen und kommunikationsfreudigen Frontmann. Heute war irgendwie der Abend der „hübschen“ Sänger. Und da reihte sich der gelockte Langhaarige mühelos neben Ville und Sven ein. Nachdem man sich artig bei Jägermeister und HIM bedankt hatte, rockten THORA (Kombination aus den Göttern Thor und Ra) einfach so drauf los, in einer Mischung aus klassischem Heavy Metal und melancholischen Parts. Fräntzki bestand die Sangesprüfung mit Bravour, mit leichtem Vibrato in der Stimme irgendwie ein klassischer Heavy Shouter. Und der Sound kam beim Publikum gut an, und das nicht nur beim eigens mitgereisten Fanclub. Geballte Fäuste und Teufelshörner reckten sich im Takt. Zu den dargebotenen Songs zählten „The Heroes“, „Crucify God“, die Single „The Black Roses“ sowie das SISTERS Cover „This Corrosion“, bei dem mir allerdings mein Lieblingspart gegen Ende fehlte. Eine sehr solide Vorstellung, die der Formation sicher neue Fans eingebracht haben wird.

Dann war Schluss und schon bald standen Sven Friedrich und seine Mannen zum Greifen nahe hinter der Absperrung, während sich der Ex DREADFUL SHADOWS-Shouter noch eine letzte Kippe ansteckte, wurde schon klar, dass die Zuschauer ihre Probleme mit der doch recht gemäßigten Band haben würden. So fragte mich eine ansonsten nette junge Dame, ob die Band denn wohl aus Münster stamme… Tapfer wollte ich die Fahne der schwarzen Seelen aufrecht erhalten und so war es dann bald soweit. Besonders auffällig: Der gute Norman Selbig glänzte mit knallroter Färbung von den Haaren bis zu den Koteletten. Sven liebkoste wie üblich sein Mikro, kommunizierte aber außer einem ständigen „Vielen, vielen Dank“ kaum mit den Fans. Ausnahme: als der Lederriemen von Manuel Senger den Geist aufgab und er das ein wenig überbrücken musste. Stimmlich war SF natürlich voll auf der Höhe und konnte mit seinem einfühlsamen Gesang doch einige Fans auf seine Seite ziehen. Die Tracklist enthielt Songs beider Alben und der gerade aktuell erschienenen Single „New Year’s Day“, natürlich ein U2-Cover. Auch das brandneue „Sometimes“ blieb nicht außen vor, dafür verzichtete man auf das altbekannte „In your room“, im Original von DEPECHE MODE. Zu den deutschen Klassikern, die ich buchstabengetreu mitsang (zum Unwillen der Girlies um mich herum…), gehörten „Licht“, das wunderschöne „Sterne sehen“ sowie die erste Single „Die Wirklichkeit“. Nach diesem Song wurden allerdings auch erstmals Rufe nach dem Headliner laut, die ZERAPHINE süffisant aufnahmen. Interessanterweise wurden auch vom aktuellen Album „Traumaworld“ die beiden einzigen deutschen Stücke gespielt, „Schreit dein Herz“ und als sanften Rausschmeißer „Wenn du gehst“, vielleicht ein back to the roots, was die Vocals angeht? Dazu kamen aber natürlich auch „No tears“ oder „Be my rain“. Die Stimmung war ordentlich, wenngleich THORA das Publikum zugegebenermaßen mehr in Bewegung brachten. ZERAPHINE ist halt eine Band zum stillen Genießen und Augen schließen, weniger zum Rocken, aber die Eingeweiden äh Eingeweihten dürften sehr zufrieden gewesen sein. Wie wäre es denn mal mit einer Headliner-Tour?

Dass nun der heutige Headliner auf dem Programm stand, wurde schon daran deutlich, dass plötzlich ein schwarzes Tuch aufgezogen wurde, was den Einblick hinter die Bühne verwerte. Damit auch ja niemand dem armen Ville etwas wegschaut! Außerdem lernen wir die Leiterin des deutschen HIM-Fanclubs kennen, die „leider nur 10 der 14 Konzerte mitnehmen konnte, wegen der Schule“… Die Umbaupause endete in einem kurzen Soundcheck und schon war es soweit: Das finnische Quartett enterte unter frenetischem Gekreische/ Jubel die Bühne. Ursprünglich wollte man ja als Vorgruppe von Ozzy touren, der aber nach seinem bedauernswerten Unfall absagen musste. Und so reist man als Hauptact durch die Lande, die neue Best of „And Love said no“ im Gepäck. Sofort war eins klar: Der Sound war plötzlich druckvoll, differenziert und klar. Kein Wunder, denn wie mir zugetragen wurde, durften THORA nur 25 und ZERAPHINE 50 Prozent der Anlage nutzen, während die Skandinavier natürlich alles an Licht und Sound auffuhren, was möglich war. Ville trägt ja mittlerweile Bart und nuschelt sich bei den Ansagen auch in denselbigen. Dafür schaut er jetzt aus wie eine Mischung aus Christus und Johnny Depp in „Fluch der Karibik“, die Mädels waren jedenfalls begeistert und fielen gleich reihenweise in Ohnmacht. Migé, der Bassist, wirkte ein wenig speckig, gab aber mit gutem Einsatz den Rock ‚n’ Roller. Überhaupt muss man Villes Gesangsleistung loben, ich hatte ihn doch wesentlich schlechter in Erinnerung. Natürlich gab er sich betont lässig mit Kippe, dafür rockten er und seine Mannen aber ganz gewaltig, das war schon eindeutig Metal! Wie zu erwarten wurde der Auftritt zu einer Rundreise durch 8 Jahre Bandgeschichte, mit den vielen kleinen und großen Hits als da z.B. wären: „Buried alive by Love“, „Heartache every Moment“, „In Joy and Sorrow“ oder die Klassiker „Your Sweet 666“ sowie „Wicked game“. Besonders frenetisch wurde „Join me“ mitgesungen, mir gefiel die NEIL DIAMOND Cover Version „Solitary Man“ allerdings besser, da zackiger. „The Funeral of Hearts“ beendete das reguläre Set, währenddessen sich Musiker von ZERAPHINE und THORA am Bühnenrand versammelten. Letztere feierten ihren Abend mit einer extrem leckeren Zigarette… Schon wurde wieder der schwarze Vorhang aufgezogen, wie lächerlich, besonders wenn man bedenkt, dass es nur EINE Zugabe gab: das schnelle „Soul on Fire“, da hätten sie auch gleich hinten bleiben können. O.K. die reguläre Spielzeit war ganz in Ordnung, aber die Zugabe war eines Headliners und Megasellers unwürdig. Nachtrag: Ville hat wohl folgenden Satz vor der Zugabe von sich gegeben: „This will definitely be the last song we´ll play for a long time… IN MÜNSTER!“. O.K. die Location war nicht optimal aber der Band wäre dennoch kein Zacken aus der Krone gebrochen, wenn man den beengten Fans noch etwas mehr geboten hätte, sei’s drum. Schnell wurde es hell und die Meute quetschte sich nach draußen, wo bereits eine Horde fliegender Händler versuchte, noch mehr Kohle aus den Valle-Devotees zu pressen, die zum großen Teil begeistert waren, wie man so mithören konnte. Na ja, irgendwann werden die auch noch feststellen, dass es anders geht, siehe die formidable Leistung der NEUBAUTEN am Vortag.

Fazit: Eine Vorband, die ihre Chance beim Schopf ergriffen hat, eine, die irgendwie wunderschön unpassend war und ein routinierter aber nicht übermäßig inspirierter Headliner. Für mich persönlich hatte sich der Abend gelohnt, da ich neben einem Getränk am Ausgang auch noch Geld geschenkt bekam (man hatte vergessen, mir die Wertkarte zu berechnen). Vielleicht wussten die „Jovels“ auch, dass ich in 20 Minuten biblisches Alter erreichen sollte…

Copyright Fotos: Hellectric

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