Ort: Harsewinkel
Datum: 02.10.2006
Es ist der Vorabend zum Tag der Deutschen Einheit im Jahre 2006. Das im Fußballsommer aufkeimende Gefühl von Patriotismus weicht dem Alltag und die Autofähnchen sind längst dem Sondermüll zugeführt. Doch in einem Kaff in Ostwestfalen, aus dem man sich an einem solchen Abend höchstens in die Großraumdisko der nächsten Provinzstadt retten könnte, hält ein örtlicher Veranstalter die Fahne hoch und lädt zum „Tanz in die Deutsche Einheit“. Das alleine ließe noch jeden Terror-Schreiberling kalt, aber die Tatsache, dass als Special Guest NDW-Star HUBERT KAH angekündigt war, holte dann doch die Seniorenfront dieses Magazins auf den Plan.
Bei unserem Eintreffen gegen 22 Uhr hatte schon einiges partywilliges Völkchen am Grenzposten der Mehrzweckhalle seinen Zoll entrichtet. Dekotechnisch gibt das Thema Deutsche Einheit ja genug her, als Schmankerl gab es Ostprodukte und DDR-Devotionalien zu erstehen, sowie Vita-Cola und Köstritzer im Ausschank. Eine kleine Kino-Ecke wartete mit Ostfilmen auf, als wir mal um die Ecke lugten, lief jedoch gerade „Good bye, Lenin“ – das hätte man ja auch auf dem heimischen Sofa haben können. Für die Beschallung zeigte sich im entsprechenden Outfit das FDJ-Disco-Team verantwortlich und so hieß es für uns zunächst eine Stunde zwischen Wolle und den PUHDYS, ROSENSTOLZ und KARAT vom Plattenteller auszuharren. Einige Eintänzer wurden derweil mit roten Nelken und NVA-Käppis belohnt.
Kurz nach 23 Uhr betrat dann ein gewisser „Dr.“ Thomas Drücker (vormals bei einer Kapelle namens TOTAL ECLIPSE tätig), ein Saitenspezialist aus dem nahen Spexard die Bühne, um nach einigen Riffs das erste Highlight des Abends anzukündigen: HUBERT KAH. Zu „Rosemarie“ füllte sich der Raum vor der Bühne sofort ordentlich und das partyhungrige Volk ging gleich mit. Hubert, natürlich auch nicht jünger geworden, aber immer noch bei bester Stimme rief dem Publikum entgegen: Seit Ihr bereit für die deutsch-deutsche Revolution? Um anschließend mit „Einmal nur mit Erika“ fortzufahren. Passend zum Titel fielen nun zahlreiche rosa Luftballons von der Hallendecke – ein netter Einfall. Am Ende sang die Halle alleine und Hubert nutzte gleich die Chance, die Nummer mit entsprechendem Wechselgesang auf 10 Minuten auszudehnen. Nach einer launigen Ansage ging es weiter mit „Engel 07“, der Gitarrist sorgte zwar für ein wenig Live-Atmosphäre, der Rest kam aber erwartungsgemäß vom Band. Das Vorhaben, nun mit „Yolanda“ auch ein Stück seiner aktuellen CD „Seelentaucher“ vorzustellen, nutzen viele zur weiteren Getränkeversorgung, ein altes Dilemma bei neuen Liedern alter Stars. Bei diesem Titel handelt es sich übrigens um ein mexikanisches Volkslied, zu dem der junge wilde Herr an der Gitarre den deutschen Text verfasst hat! Doch zurück in die Mehrzweckhalle: Mit „Wenn der Mond die Sonne berührt“ holte H.K. die Leute zurück zur Bühne (eine aparte Mitdreißigerin sogar engumschlungen AUF dieselbige), hielt auch mal das Mikro ins Publikum und das finale „Sternenhimmel“ ließ sich dann wieder niemand im Saal nehmen, so dass es in einer Reggae-Version nochmals als Zugabe erschall.
Die Ü30iger waren auf ihre Kosten gekommen, auch Hubert hatte offensichtlich seinen Spaß, wenngleich vielleicht auf einer etwas anderen Ebene. So waren alleine seine Sandalenwurf-Einlagen feinste Improvisationskunst und die teils rechts schrägen Ansagen sicher nicht jedermann verständlich… Der Tag der Deutschen Einheit war nun schon angebrochen, als wir die Halle verließen und somit den Auftritt des „Arbeiter- und Bauern-Blasorchesters“ und ihrem Spiel beider Hymnen verpassten. Der Rest feierte weiter, außer einer jungen Genossin (sicherlich schon ein Kind der Einheit), die die Halle mit dem Kommentar „Das war der beschissenste Abend meines Lebens“ verließ. Wir wünschen ihr ein sorgenfreies, langes Leben und werden uns eines kruden und in jeder Hinsicht subkulturellen Abends erinnern.
Setlist
Rosemarie
Einmal nur mit Erika
Engel 07
Yolanda
Wenn der Mond die Sonne berührt
Sternenhimmel
Sternenhimmel (Reggae-Version)
Copyright Fotos: Karsten Thurau
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