Ort: Krefeld - Kulturfabrik
Datum: 14.09.2006
Mitten in der Woche mal eben von Osnabrück nach Krefeld, da steckt schon eine ordentliche Portion Idealismus dahinter. Aber was tut man nicht alles, um 2 aufstrebende Elektro Pop Formationen zum ersten Mal live zu sehen, zumal wenn das Konzert schon einmal verschoben werden musste (ursprünglicher Termin: 26.5.). Dafür gab es nun noch einen Headliner „gratis“ dazu: HUND AM STRAND sollten für zusätzlichen Zuschauerandrang sorgen. Der war natürlich trotzdem eher gemäßigt an diesem wunderschönen Spätsommertag, wenngleich schon einige alternative Herren und (vor allem) Damen vor der „ehrwürdigen“ Kulturfabrik flanierten, als wir gegen 20 Uhr dort eintrudelten. Ungefähr 80 Leute sorgten in dem kleinen Konzertraum für gemütliche Wohnzimmeratmosphäre, wozu die einladenden Sofas ihren Teil beitrugen. Leider zog sich das Ganze noch ein wenig, bis der Opener NACHLADER dann schlussendlich kurz nach 9 auf die Bühne trat.
Die Herren aus Berlin konnten mich mit ihrem Langspiel Debüt „Bock auf Aphorismen“ (erschienen bei Labels/ Mute) vollauf überzeugen, das ist nun aber auch schon eine Weile her und irgendwie sind sie in letzter Zeit ein wenig in Vergessenheit geraten. An diesem Abend arbeiteten sie aber massiv daran, das zu ändern. Wenngleich kaum einer mit dem Material vertraut gewesen sein dürfte, so rockten sie doch das Haus von Minute zu Minute mehr. Live präsentierte man sich nämlich nicht als steriler Electro Act sondern mit Schlagzeug und „Umhänge-Keyboard“ (bedient von „Serge Kool“) – Bewegungsfreiheit garantiert. Mastermind Daniel Baumann agierte zudem hin und wieder an der Gitarre, was der Sache einen zusätzlichen Rock-Anstrich verpasste. Das Treiben der tätowierten Herren erinnerte bisweilen an die MEDIENGRUPPE TELEKOMMANDER, insbesondere bei „Fett“, wo Serge einige französisch-sprachige Parts beisteuerte. Ansonsten verließ man sich auf eine Mischung aus bereits veröffentlichten Tracks und einigen neuen Kompositionen, die auf mich noch rockiger wirkten. Zum Einsatz kamen u.a. „Bald ist früher als später“, „Arbeitsgeld“, „Alles“, das groovige „An die Wand“ und zum Abschluss des erstaunlich ausgedehnten Sets dann natürlich der kleine Hit „Individuum Vakuum“, bekannt von der 2004er EP. Mittlerweile befanden sich auch einige Tanzbären im Publikum, die wie ich fast ein wenig überrascht davon waren, dass NACHLADER auch noch eine (durchaus geforderte Zugabe) kredenzten. Das popironische „Gitarre“ bot natürlich noch einmal die Möglichkeit, ein feines Schweinerock Solo vom Stapel zu lassen, welchen diesen im wahrsten Sinne des Wortes fetten Gig abrundete. Bin schon sehr gespannt auf neues Material!
Nach kurzer Schrauberei am Drumkit ging es dann auch schon mit dem nächsten Act los. GROSSSTADTGEFLÜSTER waren zusammen mit den NACHLADERn angereist, neben einer Freundschaft verbindet die beiden Bands natürlich auch der Sound, der bei den Flüstertüten vielleicht ein klein weniger archaisch ausfällt. Raphael aus Bremen im feinen Zwirn (Keys) plus Hauptstädterin Jen am Micro (klein aber oho!) wollten die Kraft ihres Debüts „Muss Laut Sein“ auch in Live Energie umsetzen, was ihnen zweifellos gelang. Hier fanden sich dann auch ein paar Herrschaften vor der Bühne, welche die Texte mitsingen konnten, was das dynamische Trio (auch hier ein Drummer mit an Bord) sichtlich freute. Die weibliche Powermaus mit Uma Thurman Gedächtnisfrisur ließ sich für viele Lieder eigene Choreographien einfallen, beispielsweise eine Tai Chi-Lehrstunde bei „Luft & Liebe“. Um Liebe und vielleicht auch etwas mehr geht es in fast allen Texten, egal ob man einen „Bassbox“-Fi… beschreibt oder ganz allgemein konstatiert: „Liebe schmeckt gut“. Während Raphael sich alsbald so sehr verausgabte, dass er nur noch im Hemd musizierte, wurde schon recht früh der Tanzflächen-Hit „Ich muss gar nix“ in die Setlist integriert. Hierbei schrie sich die Fronterin im Refrain fast die Lunge aus dem Hals. Wer nun erwartet hätte, dass dies nicht mehr getoppt werden könnte, wurde beispielsweise durch „Meine Freundin die Maschine“ eines Besseren belehrt. Der letzte Titel war mir unbekannt – irgendwas mit „rocken“ und das wurde genau so in die Tat umgesetzt, inklusive unzähliger Pommesgabeln. Natürlich ging man auch hier in die Verlängerung: Nach einem weiteren neuen Live Track stellte man dem Auditorium die rhetorische Frage, ob man noch einen neuen schlechten oder einen bereits erprobten Song hören wolle. So kam dann „Ich muss gar nix“ noch einmal zum Zuge, wobei ich lieber die Bandhymne „Grossstadtgeflüster“ vernommen hätte. Auf Nachfrage erklärte man mir, dass diese Komposition live irgendwie nicht funktionieren würde, kann ich mir kaum vorstellen. Die Zuschauer waren jedenfalls sehr zufrieden, wenngleich beide „Opener“ ihr komplettes Merchandise Material zu Hause gelassen hatten. Dafür brachten sie Spielfreude und ungestüme Energie mit, welche den Konzertbesuch bereits jetzt mehr als gerechtfertigt hatten und der eigentliche Headliner stand ja noch in den Startlöchern…
Die Uhr ging bereits Richtung 11 als HUND AM STRAND ihren ausgiebigen Soundcheck beendet hatten. War wohl ein chaotischer Tag für das Trio aus Berlin, wie man dem Publikum verriet. Der morgendliche Verlust des Bandbusses führte zu einigen Verspätungen und so kamen HUND AM STRAND erst in letzter Minute in Krefeld an. Offensichtlich hatten die Hauptstädter aber zumindest irgendeine Reisemöglichkeit aufgetan; wie es mit dem Bus weitergegangen ist, entzieht sich leider meiner Kenntnis, da auch uns die Zeit im Nacken saß und wir die Geschichte, die im Laufe des Konzertes weitererzählt werden sollte, nicht bis zum Ende verfolgen konnten. In erster Linie wollten wir ja auch der Musik lauschen. Genauso ging es auch den übrigen Anwesenden, die schon den Soundcheck aufmerksam und voller Vorfreude verfolgten. Als es dann richtig losging, wurde auch gleich das Tanzbein geschwungen und zu hören gab es „4 Akkorde“ vom letztjährigen Debüt „Adieu Sweet Bahnhof“. Auch „Erklär mir die Welt“ stammt wie fast alle Songs von diesem Album. Nach gut der Hälfte des Gigs (und Titeln wie „Neues Lied“ oder „Zeit zu trauern“) war für uns aber auch Schluss, da uns noch eine ausgedehnte Heimfahrt bevorstand und zu allem Übel auch die Arbeit am nächsten Morgen rief. Dem verbliebenden Auditorium stand dieses schwere Schicksal vermutlich nicht bevor, die Damen und Herren wirkten zu einem Großteil, als hätten sie sich der Lehre und Forschung verschrieben und so konnten sie weiterhin dem etwas gewöhnungsbedürftigen Gesang Fabians frönen, der auch die Gitarre bediente und von Tina am Bass und Martin am Schlagzeug tatkräftig unterstützt wurde. Wie auch schon bei unserer letzten Begegnung bei der Rocknacht im Harsewinkeler Park fungierte übrigens der Ex-KLEE-Basser als Mischer von HUND AM STRAND.
Copyright Fotos: Karsten Thurau
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