Ort: Oslo - Rockefeller/ John Dee
Datum: 10.04.2009
Das Wetter zeigte sich nach wie vor von seiner besten Seite und der Plan vom Vortag, die Festung zu besuchen, wurde umgesetzt. Ein wenig Bewegung an der frischen Luft schadet ja auch nicht. Treppensteigen und Kraxelei wurden mit einem herrlichen Ausblick über den gesamten Hafen belohnt. Definitiv empfehlenswert (und kostenlos…).
DEW-SCENTED
Nach einer wiederholten Invasion des favorisierten Pizzatempels ging’s zum Rockefeller, Tag 2 des Festivals konnte beginnen. Und das gleich mal richtig thrashig – also quasi wie der Vorabend mit PESTILENCE geendet hatte – nur mit unseren Landsmännern von DEW-SCENTED. Leider nicht gerade mit sonderlich großem Publikum gesegnet, legte sich die Truppe, die all ihre Alben konsequent mit „ i” beginnen lässt, trotz allem gehörig ins Zeug und lud mit Krachern à la „ Cities Of The Dead” bis hin zum letzten Song „ Acts Of Rage” zum gepflegten Kopfschütteln ein. Den Anwesenden jedenfalls hat’s gefallen, starker Gig, Daumen hoch! Und keiner hegte Zweifel an der Aussage des Sängers, bald möglichst wieder zurückzukommen.
Intro
Bitter Conflict
Turn To Ash
Into The Arms Of Misery
Cities Of The Dead
Never To Return
Locked In Motion
Final Warning
Soul Poison
Acts Of Rage
KRYPT
Eine Etage tiefer ging es kurz darauf in typisch norwegischer ultraschwarzer Manier weiter. Black Metal mit satanischen Lyrics, norwegischer geht’s nicht mehr. Auch wenn die Band erst seit 3 Jahren existiert, befanden sich hier sicherlich keine Unbekannten auf der Bühne. Sänger Nag hatte KRYPT zusammen mit Drummer Desecrator gegründet, nach Auflösung seiner alten Band TSJUDER. Man hat es sich zur Aufgabe gemacht, oldschool BM zu spielen, rau und schnörkellos und genau das zelebrierte man auch im Club und gab Stücke vom 2008er „Preludes To Death” Debüt zum Besten.
VREID
Wieder oben angekommen, traute man seinen Augen kaum, das Rockefeller war richtig voll, spätestens mit Blick auf die Running Order, nach der nun VREID an der Reihe waren, war klar woher der plötzliche Andrang rührte. Auch wenn ich die Band, aus der VREID letztendlich hervorgegangen waren – WINDIR – wirklich sehr mochte, habe ich zur „ neuen” Truppe nie den richtigen Zugang gefunden. Gespannt also, ob sich dies heute ändern sollte, wartete ich ebenso wie die Menge vor der Bühne auf den Beginn. Sollte man die Show mit einem Wort beschreiben, so träfe das Wort „ episch” die Sache recht gut. Neben massig Pyros wurden Kriegszenen im Hintergrund auf eine Leinwand geworfen und untermalten den Sound der Norweger nur allzu eindrucksvoll. Fototechnisch war’s nicht allzu gut, denn mehr als 1 Song im Graben war bei der Knallerei nicht drin.
Was meine Kollegin noch als „episch“ beschreibt, würde ich eher mit „einen verstörenden Eindruck erweckend“ bezeichnen – hier sei der musikalische Faktor also zunächst außen vor gelassen. Sagen wir es mal so: Wenn VREID eine deutsche Band gewesen und mit derselben – natürlich entsprechend der Nationalität abgewandelten – Show wie an diesem Abend aufgetreten wären, dann hätte ich schleunigst den Saal verlassen! Nun sind VREID aber keine deutsche, sondern eine norwegische Band, möge man einwenden, und die inhaltliche Thematisierung des 2. Weltkrieges mag sicherlich auch in einer anderen Perspektive – sprich: der Wiedergabe der Ereignisse aus damaliger Sicht – auf die Dinge resultieren, aber so ganz kann ich mich auch im Nachhinein nicht von einer großen Portion Magendrücken entsagen. Doch eins nach dem anderen: Los ging es mit einer Videoprojektion auf den Bühnenhintergrund, die verschwommene Sequenzen aus dem Film „Das Boot“ zeigte, untermalt von der dazugehörigen allbekannten Musik. 2. Weltkrieg also. „1940, Europa liegt im Krieg, Operation Weserübung bewegt sich gen Norden.“ Die Musiker betreten die Bühne, das Bandlogo wird auf den Hintergrund projiziert und Pyros krachen. Die Sidedrops zeigen das Logo der aktuellen Auskopplung „Milorg“ (Bezeichnung einer norwegischen Widerstandsgruppe im 2. Weltkrieg). Landkarten werden eingeblendet, die durch Pfeilzeichnungen die deutschen Truppenbewegungen zeigen. Während des dritten Songs wird die Textzeile „I will die for my Norwegian nation“ auf die Bühne projiziert. Später folgen die Angaben „9.4.1940. 5:15“, das ist der Zeitpunkt, an dem die Operation Weserübung Norwegen erreichte. Norwegische Flaggen wehen. Zwischendurch Kriegsszenen mit Kampschiffen und –Flugzeugen, Detonationen, Fliegeralarm. Überlegen wir uns doch mal, wir hätten es hier mit einer deutschen Band zu tun, die sich inhaltlich dem 2. Weltkrieg widmen, bei Konzerten Deutschlandfahnen hissen und „Ich kämpfe für das deutsche Vaterland!“ auf die Bühnenwand projizieren würde, das Publikum jubelt dabei frenetisch, geradezu ekstatisch. Ich denke, spätestens hier würde jeder liberal gesonnene Bürger mit großer Skepsis reagieren! In diesem Falle nun stellt sich also die Frage, ob VREID vom Durchschnittsbesucher erwarten können, dass selbiger sich intensiv mit den Texten der Band auseinander gesetzt hat, bevor er oder sie mit eben jener Bühnenshow konfrontiert wird. Damit etwaige Missverständnisse gar nicht erst aufkommen. Aber widerlegen die Texte überhaupt den Eindruck, den die Bühnenshow vermittelt? Anderseits: Gehört ein gewisser Schock-Effekt nicht manchmal einfach dazu? Und reagiere ich als Deutsche einfach zu sensibel auf das Thema? Wie dem auch sei – dieser Auftritt hinterließ bei mir einen wirklich faden Beigeschmack! Daran konnte weder die Uniform tragende Violinistin, die in einem der Songs live on stage vertreten war, noch der gut abgemischte Sound oder der erfrischend Präsente Bass etwas ändern.
PANTHEON I
Zumindest von Pyros blieb man im Club „verschont”, dafür war es bisweilen eine Kunst, noch einen Platz im Fotograben zu ergattern. Ein paar Fotografen nebeneinander und das Ding war voll – aneinander vorbeigehen, Fehlanzeige! So oder so: Anhänger norwegischen Black Metals kamen hier einmal mehr auf ihre Kosten. Ich für meinen Teil brauchte allerdings erstmal eine Verschnaufpause, weswegen ich über den weiteren Verlauf des Gigs – außer untenstehender Setlist nichts liefern kann.
Setlist PANTHEON I (ohne Gewähr)
Intro
The Wanderer and His Shadow
Cyanide Storm
Transgression
Myopic Dark Eyes
Enter the Pantheon
Where Angels Burn
SWALLOW THE SUN
Eins meiner persönlichen Highlights des Tages, auf das ich schon sehnsüchtig gewartet hatte, war der nun folgende Auftritt der finnischen Deathdoomer SWALLOW THE SUN, deren Album „ Hope” bei mir nach wie vor regelmäßig im Player rotiert. „Through Her Silvery Body” war wieder mal einer der genialsten Songs und die Finnen headbangten auf der Bühne ordentlich – so furchtbar ruhig ist Doom doch gar nicht! Einigen war das wohl etwas zu ruhig, ich weiß es nicht, jedenfalls war’s im Gegensatz zum Gig von VREID etwas leerer. „Plattgedoomt” wie ich danach war, ließ ich ROOT eine Etage tiefer erstmal ROOT sein.
Ich bin dann wohl eine derjenigen, die nicht so ganz vom Auftritt von SWALLOW THE SUN zu beeindrucken war, obwohl man die fertigen Alben durchaus gut hören kann. Aber immerhin harrte ich bis zum Schluss aus und gab den Jungs somit wirklich genug Gelegenheit, mich von ihren Live-Qualitäten zu überzeugen. Los ging es mit einem ruhigen, geradezu einschläfernden Intro mit weiblichem Gesangspart. Schon bald, nachdem SWALLOW THE SUN dann ihr eigentliches Set gestartet hatten, fiel der schlecht abgemischte, cleane Gesang von Fronter Mikko Kotamäki auf. Oder waren es doch eher die mangelnden Gesangsqualitäten? Immerhin: Das Growlen klappte prima. Das waren in der folgenden Spielzeit dann auch immer die Momente, in denen ich wieder aus meinem Dämmerzustand gerissen wurde. Denn die Musik an sich und über weite Strecken auch die Bühnenbeleuchtung wirkten sehr beruhigend auf mich – vielleicht sogar einen Tacken zuviel. Dazu trug auch der auf mich eher emotionslos wirkende ruhige Gesang Kotamäkis mit der allzu sehr zurück gefahrenen Gestik und Mimik bei, was dazu führte, dass ich mir zwischendurch gar THE BATALLION vom Vortag zurück auf die Bühne wünschte. Was dem Fronter von SWALLOW THE SUN fehlte, lieferte Bassist Matti Honkonen hingegen in zu großen Dosen. Auch das halbherzige Formationsgepose wie bspw. zum Titel „Plague of Butterflies“ wollte nicht so recht gelingen – da hätte man noch ein wenig bei den Herren von FINNTROLL in Lehre gehen sollen. Positiv in Erinnerung behalte ich hingegen die Präsentation des druckvollen Titels „Out of this gloomy light“, bei dem man automatisch und unweigerlich mitwippen muss. Ganz hoch beim Publikum im Kurs stand „Descending winters“, der auch bei mir als neuerlicher Wachmacher fungierte, was nicht zuletzt auch an der anstrengenden Beleuchtung in hellem Grün und grellem Weiß lag. Pünktlich um 22h war es dann an der Zeit, den Schlaf endgültig wieder aus den Äuglein zu reiben und mit dem einen oder anderen Kaffee den Kreislauf wieder in Schwung zu bringen.
KEEP OF KALESSIN
Dass der ganze zuvor konsumierte Kaffee nicht den gewünschten Effekt mit sich brachte, zeigte sich nach einiger Zeit auf schockierende Art und Weise: Denn nachdem ich mir ein Plätzchen auf den Stühlen oben auf der Tribüne gesucht hatte, geschah es irgendwann – ich schlief tatsächlich ein! Und das, obwohl Obsidian C. (!) mit seinen KEEP OF KALESSIN ziemlich laut und schnell und wild am auf der Bühne Umherlaufen war und die Herren ausdauerndstes Rotor-Bangen inszenierten. Mit dem Gig selbst kann es also schon mal nichts zu tun haben, denn was ich zwischenzeitlich wahr nahm, fand ich richtig gut; wohl aber mit der äußerst unvorteilhaften Beleuchtung, die durch permanente Strobos in Richtung Publikum den Zuschauerraum gleißend hell erstrahlen ließ und mich quasi dazu zwang, die Augen zusammen zu kneifen. In Kombination mit meinem fortschreitenden Alter und der oben angesprochenen Grundmüdigkeit – ein fataler Mix! Man möge es mir verzeihen.
VICIOUS ART
Ein wenig irre wurde es zum Abschluss im John Dee, als VICIOUS ART aus Stockholm die Bretter enterten, wirkte Fronter Jocke Widfeldt mit seinem oftmals wahnsinnig wirkenden Blick in Kombination mit seltsam anmutenden Zuckungen doch ein wenig „besessen”. Das passte aber bestens zu Stücken wie „ Murderer” oder „We’re Both Into Killing Me”. Außerdem geht’s in den Stücken eh um Wahnsinn, Mord und dergleichen, also kann man ebenso irre auf die Bühne. Tolle Show, tolle Mucke, was will man mehr? Danach ging’s aber fix zurück zur Hauptbühne, denn der Headliner des Abends stand in den Startlöchern. Wie immer die bange Frage …wie werden PARADISE LOST wohl heute gelaunt sein – hatte ich Vorjahr bei drei verschiedenen Gigs die gesamte Palette von „ och nö” über „akzeptabel” bis hin zu „grandios” erlebt. „och nö” war’s jedenfalls heute nicht!
Setlist VICIOUS ART
Murderer
Tombstone Grind
Evicting Dead Tenants
The Paulina Paw Paintings
We’re Both Into Killing Me
Debria Seems To Bleeding
Our Family Flesh
Weed The Wild
Chain Hooks Failing
Chewing Gunpowder
PARADISE LOST
Was hatte ich mich gefreut! Mit mir harrte eine treue Schar Festivalbesucher bis zum Start des Gigs – immerhin um 1h nachts – aus, wenngleich man keinesfalls mehr von Überfüllung sprechen konnte. Aber das war nicht weiter schlimm, denn die da gebliebenen Nachtschwärmer fieberten dem Auftritt des britischen Gothic Rock-Urgesteins umso freudiger entgegen. Zumindest meinen hohen Erwartungen konnte der nachfolgende, 1:15h dauernde Gig aber leider nicht gerecht werden. Solide und routiniert, aber mehr auch nicht. Außer bei Bassist Steve Edmondson, der wirklich mit Feuereifer dabei war und sich über die lautstark positiven Reaktionen des Publikums aufrichtig freute, fehlte den Musikern an diesem Abend das spürbare Herzblut, und besonders auch Fronter Nick Holmes, dem man ja sicherlich britische Zurückhaltung nachsagen kann, hätte mehr Ambition und Charisma zeigen müssen. So häufig lassen sich die Herren ja auch nicht gerade in Norwegen blicken. Ich hatte jedenfalls mit deutlich mehr Atmosphäre gerechnet. Gerade auch, weil die fast die komplette Schaffensperiode umfassende Setlist in meinen Augen wirklich hochkarätig war und viele Titel beinhaltete, die seiner Zeit auch als Singles ausgekoppelt wurden. Da hätte man wirklich was draus machen können! Immerhin trugen die dankbaren Fans ihren Teil verlässlich bei und sorgten ihrerseits mit lautstarkem Mitsingen und –klatschen dafür, dass sich eine über Strecken ansteckende gute Laune im Rockefeller ausbreitete.
Ja, da kann ich meiner Kollegin nur beipflichten. Es war keinesfalls ein schlechter Gig, allerdings habe ich die Truppe sicherlich auch schon in kommunikativerer Verfassung gesehen. Zu schade, dass der Fronter immer derart unberechenbar in punkto Laune ist… Auch ich war nicht komplett enttäuscht, hätte aber auf alle Fälle mehr erwartet, zumal sich so einige andere Bands für das Inferno einige Überraschungen hatten einfallen lassen.
Setlist PARADISE LOST
Hallowed Land
Embers Fire
Ash & Debris
Shadow Kings
The Enemy
Enchantement
As I Die
Gothic
Never For The Damned
Say Just Words
One Second
The Last Time
Copyright Fotos: Cornelia Wickel
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