Ort: Hameln - Auf der Hafenspitze
Datum: 31.08.2007 - 02.09.2007
Freitag, 31.8.2007
„Extra früher in den Feierabend gehen und so zu Beginn des Festivals vor Ort sein“ so war meine Freitagsplanung. Leider bot die A2 nach der Ausfahrt Minden das gewohnte Bild, Stau bis hinter Bad Eilsen. Also erst mal 2 Stunden stehen. Nachdem ich dann endlich die Bahn verlassen und Hameln erreicht hatte, tat sich sofort das nächste Problem auf, wo könnte das Festivalgelände sein? Leider war die Internetseite seit Tagen offline und ich konnte mir keine Wegbeschreibung ausdrucken. Also nachfragen! Hier eine Auswahl der Antworten (ich habe etwa zehn Leute ansprechen müssen): „keine Ahnung“, „irgendwo im Süden“, „fahr mal diese Straße lang, vielleicht da“. Leider konnte ich keine Wegweiser etc finden und habe mich so langsam ans Gelände rangepirscht. Als ich dann einen Parkplatz gefunden hatte, musste ich mich auf die Suche nach Kartenverkauf und Pressestelle machen, was sich dadurch erschwerte, dass ich die Straße, die ich als Hinweg genutzt hatte, nicht ohne Karte wieder zurücklaufen durfte und so einen Bogen machen musste. Am Pressestand las ich dann zu meiner Enttäuschung, dass GIRLSCHOOL leider abgesagt hatten. Da der vorgesehene Fotograf aus zeitlichen Gründen nicht kommen konnte, wollte ich eine neue Kamerafrau für den Samstag auf die Gästeliste setzten. Würde aber laut Mitarbeitern am Pressestand nur nach Absprache mit dem Veranstalter gehen. Auf meine Frage, wo ich den denn finden könnte, wurde nur grob Richtung Festivalgelände gezeigt. „Frag dich da rum“. Fotopass gab es auch nicht, sollte man laut Auskunft nicht brauchen, es reiche das VIP-Band.
Meine erste positive Überraschung erlebte ich dann bei A TRAITOR LIKE JUDAS. Der von mir sehr geschätzte Daniel Kleinehagenbrock (ex A FEAR CALLED TREASON) singt mittlerweile bei den Braunschweigern und bewies wieder einmal, wie man richtig rockt. Nach einem kurzen Gespräch mit Daniel konnte ich mir im Backstagebereich endlich eine Playlist abschreiben. Leider gab es dergleichen nirgends ausliegen bzw. -hängen. Hierzu muss gesagt werden, dass ich mit meinem VIP-Armband in den Backstage Bereich reinkam, aber dazu gleich mehr. Die DÖDELHAIE waren die nächste Band, die mich vor die Bühne zog. Die vier mittlerweile in die Jahre gekommenen „Dödel“ hatten das zweifelhafte Vergnügen vor vielleicht hundert Nachwuchspunkern ihr Politpunkprogramm runterzuspielen.
Kurz vor VOLBEAT wollte ich noch schnell etwas essen und machte mich auf dem großen Gelände auf die Suche. Was ich fand, waren mindestens vier Plattenhändler, einen Teestand, die APPD und einen Süßigkeitenladen. Dann habe ich aber doch noch die einzig beiden Fressbuden entdeckt. Einen Stand für Thai Spezialitäten und eine Pizzabude. Pizza habe ich alle Tage, also thailändisch essen heute. Nachdem ich gesehen hatte, wie das Essen zubereitet wurde, habe ich ohne zu bezahlen und ohne meine Bestellung mitzunehmen das Feld geräumt. Hätte ich auch etwas essen können, was ich auf dem Boden rumlag. Die Pizza war dann essbar. Zwei Fressbuden bei 5.000 erwarteten Besuchern ist doch etwas wenig. VOLBEAT sollten eigentlich auf der Hauptbühne als nächste Band auftreten. Da sie aber wie ich im Stau standen, wurden CATARACT kurzerhand von der kleinen Nebenbühne rübergezogen.
Die Schweizer wussten mit ihrem Metalcore das Publikum zu begeistern. Auch der erste richtige Moshpit konnte an diesem verregneten Freitag vor der Hauptbühne gesichtet werden. Da sie von der Nebenbühne zur Hauptbühne zogen, hatten CATARACT auch wesentlich mehr Zeit für ihre Show und mussten feststellen, dass sie nach ihrem eigentlichen Set erst bei der Hälfte der Zeit angekommen waren. Der zweite Teil der Show kann also getrost als eine der längsten Zugaben meiner Konzert History angesehen werden.
Kurz vor RASTA KNAST wollte ich mich dann doch mal auf die Suche nach einem der Verantwortlichen machen, weil ich ja immer noch das Problem mit der Gästeliste hatte. Kein Mensch, der ein Crewmitglied T-Shirt anhatte, konnte mir behilflich sein. Die Frau am T-Shirt Stand war dabei die Krönung. Auf meine Frage nach einem Verantwortlichen kam die Antwort: „Ich nicht!“, danach wurde ich unsichtbar und sie starrte durch mich hindurch ins Leere.
Ich wollte es erst mal dabei belassen, und mich RASTA KNAST zuwenden, die im Zelt ihren Auftritt hatten. Schnell ein paar Fotos machen und dann ab nach hinten und der Musik lauschen. Bei diesem Vorhaben hielt mich der Ordner, der mich eben noch in den Backstage Bereich gelassen hatte, erst mal nicht durch. „Mit den Bändern kommst du nicht mehr in den hinteren Bereich!“ – „Ich will auch nur in den Fotograben.“. Da kam ich dann doch noch rein, die Betonung liegt auf noch! RASTA KNAST, mit ihrem sehr nach dem schwedischen Sound klingendem Punkrock, konnten sich rühmen, als erste Band des Tages, das Zelt rappelvoll zu bekommen und die Zuhörer bis zum Ende des Konzertes zum Tanzen zu bewegen.
Auf der Nebenbühne waren derweil eifrige Aufbauarbeiten im Gange. Da ja für die kleine Bühne keine Band mehr eingeplant war, suchte ich einen Ordner, der dort stand und fragte nach der Formation die hier nun auftreten würde. „Irgendwas mit W!“, lautetet die Antwort. Es waren dann doch endlich VOLBEAT, die den Stau hinter sich gelassen hatten. Das Publikum konnte den Beginn kaum noch erwarten und die VOLBEAT Rufe wurden immer mehr und lauter. Einen schöneren Empfang konnten sich die Dänen wirklich nicht wünschen und so tobte das Publikum schon nach den ersten Gitarrenklängen. Ihre Mischung aus Metal und Rockabilly war genau das, was die Leute wollten. Mit ihrem charismatischen Sänger, der wusste, wie man mit den Zuhörern spielt, konnten die Dänen in jeder Hinsicht punkten. Kein Wunder also, dass sie momentan auf ihrer Tour fast ausnahmslos in ausverkauften Hallen spielen. Mein persönliches Highlight war die musikalische Erinnerung an „Johnny Cash“. Dabei hatte ich dann die nächste unangenehme Situation mit einem Ordner. Der am Eingang zum Graben hatte mein Band gesehen und ließ mich durch. Der zweite Herr hatte es wohl nicht erspäht und riss mich an meinem Rucksack in den Schlamm. Da war ich dann also nicht nur total nass, sondern auch noch saudreckig – vielen Dank!
Aber nicht genug des Ärgers mit den Ordnern, ich wollte ja noch schnell zum ANTIDOTE Auftritt ins Zelt. VOLBEAT hatten mich so gefesselt, dass ich es fast vergessen hätte. Diesmal wollte mich der Ordner im Zelt nicht mehr in den Graben lassen. Nur noch mit Fotopass, den es ja nicht gab, sollte man rein dürfen. Erst sein Vorgesetzter ließ mich dann rein, sehr zum Missfallen des Ordners, der mich dann die ganze Zeit genauestens beobachtete. Leider zog sich die ganze Aktion etwas länger hin und ich konnte vor dem Ende des Konzertes nur noch ein paar Fotos machen. In den Genuss der Musik kam ich leider nur am Rande. Da das Publikum allerdings ziemlich gut gelaunt das Zelt verließ konnte ich nur ahnen, dass ANTIDOTE ihre Sache hervorragend gemeistert hatten.
Mittlerweile hatte der Nieselregen einem ordentlichen Regenschauer Platz gemacht. Gut dass der Bierstand an der Hauptbühne geschlossen war. So konnte ich unter dem Zelt dann doch etwas Schutz finden. Da frage ich mich aber doch, warum die weit entfernten Bierstände offen sind und der an zwei Bühnen am nächsten steht ist geschlossen?
SICK OF IT ALL kamen gegen 22.30 dann als Headliner auf die Stage und bewiesen, warum sie seit mehr als zwanzig Jahren im Geschäft sind. Von der ersten Minute an brannte die Luft. Das Publikum vergaß Regen und Kälte und holte noch mal alles aus sich raus. Die vier New Yorker tobten über die Bühne, die teilweise sehr große Wasserlachen aufwies, als wäre es ihr erstes Konzert überhaupt. Ihr Repertoire reichte von der ersten EP „Sick of it all“ bis hin zum aktuellen Album „Death to Tyrants“. Hier wurde keiner der großen Hardcoreklassiker ausgelassen. Es freut mich immer wieder musikalische Legenden zu sehen, die soviel Spaß an der Arbeit haben. Währenddessen“ erfuhr ich dann von Daniel, dass NARZISS auf der Aftershowparty in irgendeinem Club in Hameln spielen würden. Mein Kleidungszustand ließ aber einen längeren Aufenthalt dort nicht mehr zu und ich trat den Heinweg an.
Samstag, 1.9.2007
Am Samstag bekam ich dann die Quittung für meine durchnässten Klamotten. Ordentlich verschnupft und mit leichtem Fieber musste ich bis zum Mittag arbeiten. Kurz noch eine Stunde hingelegt und schon ging es wieder Richtung Hameln. Damit ich nicht wieder im Stau stehen musste, bin ich schon in Minden von der Autobahn runter und nahm den Landweg. Dieser erwies sich als auch sehr lang und zeitraubend. Meine Annahme, den Weg zu finden, weil ich ihn das schon einmal geschafft hatte, erwies sich auch als falsch. Ich habe mich in Hameln total verfahren und war nach 45 Minuten Rumgekurve schon soweit den Heimweg anzutreten, als ich zwei nette Damen traf, die mir den Weg genauestens beschrieben.
MERCENARY waren dann die erste Band, die ich zwar hören konnte, aber aufgrund des Weges den ich noch zu laufen hatte nicht sehen konnte. Die Dänen klangen jedenfalls nach gutem, soliden Heavy Metal. Karsten, ein Bekannter aus Bielefeld, den ich auf dem Gelände traf, bestätigte mir dann meine Annahme.
ZAUNPFAHL aus Teterow in Mecklenburg traten kurz nach meinem Erscheinen, was nicht im Zusammenhang stand, auf der Zeltbühne auf. Erst hatte ich die Befürchtung, ich käme nicht in den Fotograben, aber mein Ordner war nicht da. Er wird also irgendwo anders auf mich warten.
HATESPHERE hatten währenddessen die ehrenvolle Aufgabe, das Publikum vor der Hauptbühne zu unterhalten. Die Dänen machten dem Publikum durch eigenwillige Ansagen und absichtlich abgebrochene Intros klar, dass man sich als Metal Band nicht unbedingt zu erst nehmen sollte. Mit ihrer Mischung aus Thrash und Death Metal und den Bühnenkaspereien hatten sie schnell die Massen auf ihrer Seite. Leider erfuhr ich während des Auftritts von Karsten, dass THE BONES nicht auftreten würden.
Dafür war rückte der V8 WANKERS Gig immer näher. Immerhin eine Band, die ich unbedingt sehen wollte. Schade nur, dass das der überwiegende Teil des Publikums lieber DIE SCHRÖDERS anschauen wollte und das Zelt dadurch nicht allzu voll wurde. Die fünf Offenbacher spielten sich aber auch für nur gut hundert Menschen den Arsch ab. Ehrlicher und besser kann Punkrock nicht sein. Die Akustik des Zeltes ließ klare Ansagen vom Sänger nur gedämpft und kaum verständlich erschallen. Höhepunkt des Konzertes war „This one is for you“, wobei gut hundert Mittelfinger immer wieder in die Luft gereckt wurden.
DIE SCHRÖDERS gingen bis auf Coverversionen von MOTÖRHEADs „Iron fist“ und FUNNY VAN DANNENs „Saufen“ leider komplett an mir vorbei. Allerdings kann ich verstehen, warum der offizielle Fasnclub nach Angaben der Schröder mehr als 8.000 Mitglieder hat. Ihre Umsetzung der beiden Songs war schon hörenswert.
Leider war der Spielplan der Bühnen so gelegt, dass man nie alle Bands komplett sehen konnte, sondern über das viel zu große Gelände laufen musste, wenn man sich alles mal anschauen wollte. So geschehen bei den beiden letzten Bands des Abends. Im Zelt machten RAWSIDE dem Publikum ihre Aufwartung und die Hauptbühne zeigte KINGS OF NUTHIN’. Wen also sehen, eine Hardcore Band aus Coburg oder KON aus Boston, die in Big Band Besetzung Punkabilly spielten? Kompromiss, kurz RAWSIDE anschauen und dann die Amis genießen.
RAWSIDE gaben ihren bewährten Hardcorepunk zum Besten, konnten zwar die Punks zum Tanzen bringen, überraschten aber nicht wirklich. Kings of Nuthin’ dagegen waren die musikalische Überraschung des Abends. Eigentlich waren sie für das Joch ’n’ Roll nicht eingeplant, kaum jemand kannte sie und niemand konnte sich vorstellen, dass sie einen würdigen Headliner abgeben würden. Weit gefehlt! Schon nach dem ersten Lied war der ausgefallene Auftritt von THE BONES vergessen. Ich persönlich habe nach dem dritten Song gedacht, dass ich froh bin, so die „Kings“ kennen gelernt zu haben. Ihr Punkabilly mit allem Drum und Dran war der Höhepunkt des Abends. Klavier und Saxophon habe ich nie besser gehört als hier bei den Jungs aus Boston. Auch habe ich noch nie zuvor je eine Band mit diesen Instrumenten so rumposen gesehen. Ein herrlicher Auftritt, der mich in Kombination mit dem Stil der Musik dazu veranlasste, mir Montags direkt ein paar Platten zu bestellen. Leider gehen aber auch solche Auftritte irgendwann zu Ende.
Ein wenig war ich aber auch froh, nach Hause zu kommen. Ich hatte den Freitag doch mehr in den Knochen, als mir lieb war. Der Heimweg gestaltete sich dann noch recht witzig, weil ich Sascha von der Black Metal Band GEIST mit nach Bielefeld nahm und wir uns über die Bielefelder DJ Szene aufregten.
Den Sonntag habe ich mir dann aus gesundheitlichen Gründen gespart und lag den ganzen Tag wohlumsorgt von meinen Mitbewohnerinnen in meinem Bett und habe erfolglos versucht, die ankommende Grippe zu besiegen.
Fazit des Joch ’n’ Roll 2007: Ein chaotischeres Festival habe ich in 15 Jahren noch nicht erlebt!
– Tage vor dem Festival ist die Internetseite down
– Keine Spielpläne
– Gelände viel zu groß
– Unglaublich unfreundliche Ordner
– Schlechte Beschilderung
– Teilweise sehr schlechter Sound (vor allem im Zelt)
– Getränkestände schlecht verteilt
– Toiletten hatten ein Schild mit einer 30 Cent Spendenbitte, dadurch wurde von den männlichen Besuchern überall hingepinkelt (ins Zelt, an den Bierstand..), was man allerdings nicht den Veranstaltern ankreiden kann, die ja auch für den guten Zweck sammelten
– Die Traktoren, die Abends übers Gelände fuhren, waren sehr schnell und wenn ein Betrunkener hingefallen wäre, hätte das ins Auge gehen können
Was man dem Festival allerdings zu Gute halten muss:
– Fairer Preis mit 25 Euro
– Gute Bandauswahl
– Benefizveranstaltung für minderbemittelte Kinder
– Der Mut, so ein Mammutteil überhaupt in der Provinz abzuhalten
Mit einigen Verbesserungen ist es also ebenso vorstellbar wie erstrebenswert, auch im nächsten Jahr wieder in Hameln abzufeiern!
Copyright Fotos: Dominique Dahl
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