Konzert Filter

KATATONIA – SÓLSTAFIR – SOM

Ort: Oslo – Rockefeller

Datum: 24.02.2023

Es ist inzwischen eine schöne Gewohnheit, dass ich der isländischen Band SÓLSTAFIR durch die skandinavischen Kapitale folge. Eigentlich hätte im Februar 2022 Oslo auf dem Plan gestanden, aber vor einem Jahr hatte Corona der gesamten Tour einen Strich durch die Rechnung gemacht und so wurde aus dem Trip nach Norwegen nichts. In der Zwischenzeit hat uns Wladimir Putin gelehrt, dass man das verfickte Virus in seiner negativen Ausprägung noch toppen kann. Dadurch wurde der 24. Februar nicht nur der Jahrestag des Ukraine-Krieges mit zahlreichen Gedenkveranstaltungen, sondern auch der Abend meines ersten Besuchs im Rockefeller in Oslo, wo sich ca. 1.350 Fans im damit ausverkauften ehemaligen Schwimmbad eingefunden hatten, um den Doppel-Headliner-Auftritten von SÓLSTAFIR und KATATONIA aus Schweden beizuwohnen. Mit SOM aus den USA hatten die beiden Kapellen sich noch Unterstützung aus Übersee geholt, um die ganz überwiegend schwarz gewandete Rockgemeinde gehobenen Alters mit atmosphärischem Post- und Progressive-Metal zu unterhalten.

Um frühes Erscheinen wurde gebeten, denn die vier Amis legten bereits um 19.30 Uhr los. Viel haben die beiden Gitarristen Mike Repasch-Nieves und Joel M. Reynolds, der Drummer Duncan Rich und ihr Sänger/Bassist Will Benoit nicht von sich preisgegeben. Manch einem/einer sagen die Namen aber vielleicht etwas im Zusammenhang mit den Combos CONSTANTS, JUNIUS und CASPIAN, denn dort stehen oder standen die Jungs nämlich auch unter Vertrag. 2018 erschien ihre erste Langrille „The Fall“, anschließend folgte die EP „Awake“ und im vergangenen Jahr hat das Album „The Shape of Everything“ das Licht der Plattenläden erblickt. Auf dem Zettel hat der Vierer düsteren Shoegaze, den man auch als ‚Doom Pop‘ bezeichnen könnte. Ihre 35 Minuten wurden vom Publikum wohlwollend beklatscht, vielleicht hätte ein wenig mehr Drive der Stimmung gutgetan, aber der hallige Gesang sorgte im Zusammenspiel mit den knackigen Post-Rock-Gitarren durchaus für starke – und im Fall von „Black Out The Sky“ sogar hymnische – Momente, die von einer gebührenden Lightshow begleitet wurden.

Setlist (ohne Gewähr)

  • Prayers
  • Animals
  • Awake // Sedate
  • Moment
  • Clocks
  • Black Out The Sky
  • Youth // Decay

Das SÓLSTAFIR-Banner lugte bereits hinter dem SOM-Backdrop hervor, deshalb lag die Vermutung nahe, dass als nächstes die Herrschaften vom Eiland im Nordatlantik an der Reihe wären. Tatsächlich sah man wenig später Hallgrímur Jón ‚Grimsi‘ Hallgrímsson seine Schießbude präparieren und um 20.35 Uhr waren sämtliche Arbeitsplätze bereit, um von den Protagonisten der kommenden 75 Minuten besetzt zu werden. Wie üblich nahmen Grimi, Sæþór Maríus Sæþórsson (Gitarre), Svavar Austman Traustason (Bass) und Bandgründer Aðalbjörn Tryggvason (Gesang & Gitarre) zu den Konserven-Klängen von „Náttfari“ Aufstellung und legten im Anschluss mit „Náttmál“ gleich mal mit einem Hit vom 2014er „Ótta“ emotional los. Dank „Melrakkablús“ vom 2011er „Svartir Sandar“, „Rökkur“ vom 2020 veröffentlichten letzten Longplayer „Endless Twilight of Codependent Love“ und dem 18 Jahre alten „Bloodsoaked Velvet“ vom zweiten Album „Masterpiece of Bitterness“ standen auch drei Titel auf der Setlist, die nicht zwingend zu jedem Gig gehören, aber natürlich wurden insbesondere die Alltime-Highlights „Köld“ (vom gleichnamigen Album aus 2009) „Fjara, „Ótta“ und „Goddess of The Ages“ abgefeiert. Das Bühnengeschehen rückte selbstredend den charismatischen Fronter in den Mittelpunkt, der regen Kontakt mit dem Auditorium suchte und zum krönenden Abschluss bei „Goddess of The Ages“ auch ein Bad in der Menge nahm. Probleme gab es lediglich mit der Boxenkonstruktion auf der einen Seite der Bühne, die ihm stets im Weg war, wenn er den Fans auf dem Balkon näherkommen wollte. Es ist immer wieder spannend, den bezopften Bartträger live zu erleben. Zweifellos gibt es begnadetere Sänger, aber die Art und Weise, wie er nonverbal mit seinen Fans kommuniziert, ist einfach großartig. Der Mann am Sechssaiter verhielt sich derweil gewohnt stoisch und Bassmann Svavar hatte seinen roten Schopf dieser Tage sogar zu vier Zöpfen geflochten. Die gesamte Show war schlicht mitreißend, auch wenn sich die Norweger doch vergleichsweise zurückhaltend zeigten, aber so sind die Nordmannen möglicherweise einfach. Den Schreiwettbewerb, den Aðalbjörn ausgerufen hatte, machten die Anwesenden jedenfalls gut gelaunt mit und am intensiven und abwechslungsreichen Post Metal, der zwischen hart und zart changierte und stets voller düsterer Energie steckte, sowie der optischen Untermalung gab es definitiv nichts zu meckern. Es war mir wieder eine uneingeschränkte Freude, die auch der Tonmischer teilte, als abermals aus der Konserve die bekannte Abschlussmelodie erklang. Ich habe keine Ahnung, wie das Lied heißt, es ist stilistisch jedoch ziemlich weit von SÓLSTAFIR entfernt und brachte den Typ an den Knöpfen und Reglern kurzfristig zum Tanzen. Vielleicht war er aber auch einfach froh, bald Feierabend zu haben.

Setlist

  • Náttfari (vom Band)
  • Náttmál
  • Köld
  • Melrakkablús
  • Bloodsoaked Velvet
  • Rökkur
  • Fjara
  • Ótta
  • Goddess of The Ages

Davon war die KATATONIA-Mannschaft noch ein gutes Stück entfernt. Galt es doch nun erst einmal die Stage für die Schweden vorzubereiten. Ihr letzte und zwölfte Platte trägt den Namen „Sky Void of Stars“, ist erst im Januar erschienen und in Deutschland bis auf die #2 gechartet. Den Albumtitel gab es auch auf einem großen Backdrop im Hintergrund zu lesen, während rechts und links weitere bauzaunartige KATATONIA-Banner zu sehen waren. Zumindest solange, bis der Fünfer die Bühne geentert hatte. Danach lag der Wirkungsbereich von Niklas ‚Nille‘ Sandin (Bass), Daniel Moilanen (Drums), Roger Öjersson (Gitarre & Gesang), Sänger Jonas Renske und Gast-Gitarrist Nico Elgstrand (erneut ausgeliehen bei ENTOMBED A.D., da Stamm-Gitarrist Anders Nyström aus familiären Gründen die Tour nicht begleiten konnte) über weite Teile in buntem Nebel. Auch ohne das farbige Zwielicht wäre es schwierig geworden, einen Blick auf Jonas Gesicht zu werfen, denn selbiges war die meiste Zeit hinter seiner langen Mähne verborgen. Hier waren anders als bei Aðalbjörn Tryggvason keine stechenden Blicke zu erwarten, dafür muss man anerkennen, dass er eindeutig die bessere Stimme hat, die besonders gut zur Geltung kam, wenn er im Duett mit Roger agierte. Den Fokus hatten KATATONIA auf die neuen Songs gelegt und servierten damit besten Prog-Metal ohne Fehl und Tadel. Das Osloer Publikum wusste dies zu honorieren und war zwischenzeitlich so weit auf Betriebstemperatur, dass beispielsweise „Colossal Shade“ kräftig mitgeklatscht und auch „Lethean“ vom 2012er „Dead End Things“ mit viel Beifall bedacht wurde. Und spätestens mit dem eingängigen „Deliberation“ (2016 – „The Great Cold Distance“) kam auch Bewegung in die Zuschauerschaft, die mit „Forsaker“ (2009 – „Night Is The New Day“ ) krachende Gitarrensalven und proggige Momente auf die Ohren bekam. Mit Begeisterung wurde schließlich „My Twin“ aufgenommen – schließlich darf man hier auch wohl vom größten KATATONIA-Hit sprechen und da kann auch ruhig mal die Fan-Gemeinde den Gesang übernehmen. Nach einer Stunde war das reguläre Set, das nur so voll Energie und Emotionen strotzte, Geschichte, doch die Schweden hatten noch einen kleinen Zugabenblock in petto, der mit „July“ als wahrer Abriss zelebriert wurde. Den atmosphärisch dichten Abschluss bildete am Ende „Evidence“ vom 2003er „Viva Emptiness“, bei dem der Lichtmixer, der ganz offensichtlich ein großer Anhänger des KATATONIA-Sounds war, die Stage in blaues Licht tauchte.

Setlist KATATONIA

  • Austerity
  • Colossal Shade
  • Lethean
  • Deliberation
  • Birds
  • Behind The Blood
  • Forsaker
  • Opaline
  • Buildings
  • My Twin
  • Atrium
  • Old Heart Falls
  • Untrodden
  • July
  • Evidence

Ja, mein Hauptaugenmerk lag an diesem Abend bei SÓLSTAFIR, was aber schlicht daran lag, dass ich KATATONIA zuvor nie live gesehen hatte. Die Skandinavier haben mich jedoch vom ersten bis zum letzten Song restlos überzeugt, sodass die Bezeichnung ‚Doppel-Headliner‘ für die Twilight-Burials-Tour der beiden Kapellen absolut gerechtfertigt war. Absolut überzeugt hat mich auch Oslo, das garantiert auch ohne Konzert eine Reise wert ist. Da die Norweger allerdings total auf Live-Mucke stehen, gibt es hier sehr regelmäßig interessante Künstler zu erleben (am Mittwoch hatten gerade die PIXIES vor ebenfalls ausverkauftem Haus gespielt). Auch das Rockefeller, seine Crew und zuletzt das aufmerksame Publikum werde ich in guter Erinnerung behalten. Das war mal wieder eine gelungene kleine ‚Konzertreise‘!

Es ist noch kein Kommentar vorhanden.

Hinterlassen Sie einen Kommentar.

Mehr zu KATATONIA auf terrorverlag.com

Mehr zu SÓLSTAFIR auf terrorverlag.com

Mehr zu SOM auf terrorverlag.com