Ort: Bielefeld - Forum
Datum: 06.05.2006
An diesem warmen Samstag Abend stand mal wieder die Visions-Party im Forum ins Haus. „Um frühes Kommen wird gebeten“ – so stand es auf der Page der Location zu lesen, und der Headliner KEITH CAPUTO ließ tatsächlich ein volles Haus erwarten. So begaben wir uns also gegen 20 30 Uhr in die Höhle des Löwen, die bereits zahlreich frequentiert wurde, wenngleich die meisten es noch bevorzugten, mit einem kühlen Getränk auf dem Parkplatz zu flanieren. Die reichhaltig dekorierte Bühne ließ erahnen: Hier sollte heute noch einiges passieren, den Opening Slot hatten dabei die Amis von OSTINATO inne.
OSTINATO wer? Dabei handelt es sich um ein Trio aus Virginia, welches aber auf einem deutschen Plattenlabel beheimatet ist. Der Herr von „Exile on Mainstream“ unterstützte die Jungs dann auch fleißig. Wenngleich ich bislang nur flüchtig von der Formation gehört hatte, so machten doch die vielen Kritiker-Lobpreisungen insbesondere aus der Indie-Journaille Lust auf mehr. So kamen dann also gegen 21 15 Uhr die Herren Jeremy Arn Ramirez, David Hennessy und Matthew Clark auf die Bühne, stellten sich kurz vor und legten dann sogleich mit ihrem ersten Song los. Atmosphärischer Avantgarde Rock im Stile von GODSPEED YOU BLACK EMPEROR! oder SIGUR ROS, so lauten im allgemeinen die Referenzen, und ganz ist das nicht von der Hand zu weisen. Mit nur drei Instrumenten entfachten die Musiker einen unglaublich intensiven Sound, der im Laufe der Darbietung immer mehr Anwesende begeisterte. Allesamt Koryphäen an ihren Geräten konnte insbesondere das unkonventionelle/ virtuose Drumming des Herrn Clark überzeugen… Barfuss! Gesang existiert im OSTINATIO-Kosmos nur sekundär, zumeist war Basser Ramirez dafür zuständig, leider war er kaum zu vernehmen, oder sollte das Absicht gewesen sein? Er war es auch, der immer mal wieder ein paar schüchtern launige Ansagen zum besten gab à la „ So viele Menschen haben wir noch nie gesehen“ oder „Am Ende dieser Tour bin ich Alkoholiker“. Am Ende der Tour werden auf jeden Fall einige neue Fans hinzugekommen sein, die ausufernde, emotionale Stücke wie „Latitude“ oder „Convolution“ lieben gelernt haben. Harte repetitive Uptempo Passagen wechselten sich mit filigranen ruhigen Parts ab und sorgten so für einen unnachahmlichen Spannungsaufbau, das aktuelle Studiowerk „Chasing the Form“ sei hiermit unbedingt weiter empfohlen. Übrigens ist der Begriff „Ostinato“ in der klassischen Musik im weiteren Sinne das Pendant zu Riffs im Rock Genre, das noch als kleine Ergänzung.
Nach dieser intensiven Performance eher introvertierter Künstler stand nun das genaue Gegenteil auf dem Programm: Die TOWERS OF LONDON aus England, die in ihrer Heimat schon ordentlich gehyped werden. Hierzulande erscheint das Debüt „Blood, Sweat and Towers“ erst Ende Mai, insofern dürfte also kaum jemand gewusst haben, was ihn nun erwartet. 5 Herren direkt aus den frühen 80ern, mit unvergleichlichen Frisurenkombinationen, engsten Jeans und selbst kreierten Shirts, die sagen wir mal dem Glam Punk Rock frönen. Alles schon mal dagewesen, aber die meisten der eher jugendlichen Zuschauer waren damals wohl noch nicht an Musik interessiert. Die 5 Musiker hören auf die einfallsreichen Namen Donny (Voc) und Dirk Tourette (Gitarre), Tommy Brunette (Bass), The Rev (Gitarre) und Snell (Drums), aufgekratzt sprangen sie auf die Stage und hatten alsbald mit einigen technischen Problemen zu kämpfen. Der zuständige Herr musste sich mehr auf der Bühne aufhalten, als ihm lieb gewesen sein dürfte, vielleicht waren die „Londoner Türme“ (die im übrigen auf den Fußball-Club Everton stehen) einfach zu wild für die empfindlichen Kabel. Es wurde stilecht gespuckt und gerotzt, was das Punkerherz hergab, leider hielt sich das Interesse der meisten eher in Grenzen, abgesehen von ein paar pogenden Jung Metallerinnen. Hier war eindeutig die falsche Band am falschen Platz! Das „intellektuell“ angehauchte Indie Publikum wollte anspruchsvolle, emotionale Musik hören und amüsierte sich eher über Frisuren und Gestus der Insulaner, als diese wirklich ernst zu nehmen. Das wiederum erkannten die Herren dann auch, die sich entsprechend aufgekratzt durch ihr Set lärmten und immer mal wieder Kommentare zu den lauen Fans abgaben. Shouter Donny turnte alsbald mal im Publikum, mal auf den Amps und schließlich oben auf der Empore, doch es half alles nichts: Eine Liebesbeziehung sollte es an diesem Abend nicht mehr werden, einigermaßen fetziger Songs wie „Fuck it up“ oder „Son of a Preacher“ zum Trotz. Ich denke aber, dass die TOWERS OF LONDON vor dem „richtigen“ Publikum ordentlich abräumen könnten, ohne hierzulande eine neue Hysterie auszulösen.
Und wieder wurde ein Drumkit entfernt und ein neues in den Blickpunkt geschoben. Der Auftritt von KEITH CAPUTO plus Begleitband stand kurz bevor. Allerdings gab es noch einen kleineren Soundcheck, so dass der Zeiger bereits nach Mitternacht zeigte, bevor sich musikalisch wieder etwas tat. Mittlerweile war es sehr voll geworden, wobei der Anteil gutaussehender junger Damen direkt vor der Bühne doch bemerkenswert war. Nacheinander enterten die Musiker die Bühne, zunächst Drummer Jochem van Rooyen und Bassist Michiel Rietveld (beide „hauptberuflich“ bei A DAY’S WORK), dann der mir namentlich nicht bekannte Gitarrist und schließlich… der fast legendär zu nennende Sänger (bekanntermaßen auch bei LIFE OF AGONY aktiv). Mir war zwar bewusst, dass Keith körperlich nicht gerade zu den Größten zählt, aber so klein hatte ich ihn mir nicht vorgestellt. Dies fiel natürlich noch mal besonders im Vergleich zum Riesenbaby am Bass auf. Stimmlich aber gehört der Herr, der heuer Lederjacke mit nacktem Oberkörper trug, zu den ganz Großen, wofür er ganz schnell den Beweis erbrachte. Im folgenden präsentierte er Tracks seiner mittlerweile 3 Soloalben, mal rockig intensiv, mal fragil und gefühlvoll. Das Publikum fraß ihm sofort aus der Hand, wenngleich besonders in ruhigen Passagen das andauernde Hintergrund-Gemurmel negativ auffiel. Herr Caputo ließ sich nicht beirren, ergriff mal die Akustikgitarre und mal die Tamburine, durchlitt und -lebte seine Kompositionen. „New York City“ etwa, das seiner Heimatstadt gewidmet ist oder auch “Last Cigarette”. Für ein Lied nahm der Gitarrist hinter dem niedrig postierten Keyboard Platz, um diesem ein paar gefühlige Pianotöne zu entlocken. Viel zu schnell ging die Zeit herum, und so beendete das Quartett dann auch schon den Hauptteil mit „Living the Blues“, dabei wurde freundlichst im Chor mitgesungen.
Dieses Schauspiel wiederholte sich dann noch mal bei der ersten Zugabe „Selfish“, welche akustisch auf 3 Gitarren dargeboten wurde – Gänsehaut pur! Ursprünglich sollte jetzt Schluss sein, doch die Bielefelder zeigten sich hartnäckig. Sichtlich berührt setzte Keith dann mit dem LOA-Klassiker „Let’s Pretend“ einen endgültigen, vielumjubelten Schlusspunkt. Auch diese VISIONS-Party wird sehr positiv im Gedächtnis bleiben durch 3 außergewöhnliche Kapellen, 2 wegen ihrer „besonderen“ Musik, eine immerhin wegen ihres schrillen Outfits. Das Jungvolk blieb gleich auf der Tanzfläche, um sich zu den einsetzenden Klängen des DJs zu bewegen, während andere ein von Keith handsigniertes Exemplar der neuen Scheibe „Heart’s Blood On Your Dawn“ zu ergattern suchten. Niedlich, wie er dabei kaum über den Tisch schauen konnte…
Setlist KEITH CAPUTO
Kill with God
Monkey
Droomkleuren
New York City
Wicked Ways
Lamb to the Slaughter
Mother
Last Cigarette
Living the Blues
Selfish
Let’s pretend
Copyright Fotos: Jörg Rambow
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