Ort: Bielefeld - Movie
Datum: 21.03.2015
Totgesagte leben länger!!!
Jörg und Heinz, die beiden Veranstalter des KERNKRACH-Festivals versicherten mir 2012, dass es keine Fortsetzung dieser einzigartigen und genialen Veranstaltung mehr geben würde. Ein paar Jahre später sah die Welt schon wieder anders aus und mit einem neuen Partner und jeder Menge Enthusiasmus wurde dieses Warendorfer Event zum zweiten Mal seit 2006 nach Bielefeld geholt. Eigentlich, so war der Plan, sollte es ein schwedischer Abend mit 4 Bands werden. Das Projekt wurde aber schnell wieder verworfen, da sich 2 Combos gleich wieder abmeldeten. Neben den beiden schwedischen Kapellen :KRAKOW: und COLOUROID gewann man mit LICHTBLICK und einem 80er Surprise Act mehr als nur gleichwertigen Ersatz. Viel wurde über den Überraschungs-Act im Netz gerätselt und auch ich lag von Anfang an völlig falsch. Mein Tipp war DER PLAN, aber das war auch nur Wunschdenken, denn die würde ich immer noch allzu gerne sehen, zumal das Trio ja im letzten Jahr zweimal auf der Geburtstagsfeier von ANDREAS DORAU performt hat. Hätte ja sein können, dass das Kernkrach Team die Düsseldorfer nach Bielefeld holen könnten. Aber ein Trio sollte es letztendlich doch sein, denn mit DREI MANN IM DOPPELBETT wurde eine TRIO-Cover Band als Headliner des Festivals verpflichtet, was an sich nicht spektakulär ist. Aber zusätzlich sollten Stephan Remmler und Peter Behrens mit auf der Bühne stehen, was aber leider nicht geklappt hat.
Nach einer kurzen Ansprache von Jörg aka DOC KERNKRACH enterten PRINCE BOMBASTIC & FRIENDS die Stage. Hiltrud Hecke aka Tigerlilly und Mitveranstalter Heinz Stelte performten mit Unterstützung von Pedro aka The Famous Shaker den Song „I Am The Prince“ stilecht im Leoparden Outfit. Langjährige Besucher dieses Festivals wissen ohnehin schon, dass Heinz und Hiltrud (SÜTTERLIN) es sich nicht nehmen lassen, in unregelmäßigen Abständen selbst aufzutreten, das gehört einfach dazu.
Nach dem skurrilen Auftakt begannen COLOURID mit „Gang“ vom letztjährig veröffentlichten Longplayer ihr Set. Bezeichnenderweise ist der Titel des Albums „Longplay“ und das Dark-Minimal-Synth-Wave-Electro Duo Ella und Jòn Moe agierte zunächst etwas schüchtern auf der in rot getauchten Bühne, was sich etwa ab der Hälfte ihres Auftrittes änderte, als Jòn ab und zu den Blick von seinem Laptop nahm und auch mal die Arme in die Höhe reckte. Zu diesem frühen Zeitpunkt war die Halle mit mehr als 150 Leuten schon sehr gut gefüllt, und was die Skandinavier dort ablieferten, gefiel den Fans. Soundtechnisch war es allererste Sahne, nur der Gesang von Ella hätte anders abgemischt werden müssen, denn das war kein Vergleich zu den Vocals auf Konserve, evt. spielte auch etwas ihre Nervosität dort mit rein. Ansonsten ein mehr als gelungener Auftakt.
Setlist COLOURID (ohne Gewähr)
Gang
Eye Shadow
Tribute To Tomorrow
Pillow Fort
Amor Y Neón
TV People
Winter’s Night
Nothing
Mit LICHTBLICK wurde es etwas nostalgischer, denn diese Combo existiert schon seit mehr als 30 Jahren. 1982 veröffentlichten sie im Fahrwasser des NDW das Album „Lichtblick `82“, aber heute waren nur zwei der Gründungsmitglieder von damals auf der Bühne. Rolf „Mütz“ Müller (git) und Holger „Frosch“ Strehlau (baß, voc) wurden heute zum ersten Mal von Kathrin „Kathi“ Strehlau (voc), Holgers Tochter, live unterstützt. Schon vom ersten Song an fühlte man sich zurückversetzt in die Anfangstage des NDW, Kathi passte auch ihren Gesangsstil dieser Zeit an, wobei ich zwischenzeitlich dachte, ich schaue gerade die ZDF Hitparade mit Dieter Thomas Heck. Ich bezweifle aber, das Kathi zu diesem Zeitpunkt schon geboren bzw. in Planung war. Die performten Songs wie z.B. „Zeigs Mir“, Mondmädchen“ und „Meuterei Auf Dem Immenhof“ stammen alle von der oben schon erwähnten LP, wobei ich darauf hinweisen möchte, dass das gespielte “Du Riechst So Gut“ kein RAMMSTEIN-Cover ist, denn die haben ihren Song mehr als 10 Jahre später geschrieben. Ein beeindruckender Auftritt, wobei man merkte, dass die beiden Urmitglieder ihre Instrumente beherrschen und teilweise auch ins krautrockige abdrifteten. Ein vielumjubeltes und viel zu kurzes Konzert, bei dem es sich Doc Kernkrach nicht nehmen ließ, aus lauter Dankbarkeit Kathi die Stiefel zu lecken. Die Fans durften sich die Zugabe wünschen, demzufolge gab es noch einmal “Du Riechst So Gut“.
Setlist LICHTBLICK (ohne Gewähr):
Zeigs Mir
Taipeh
Mondmaedchen
Du Riechst So Gut
Meuterei Auf Dem Immenhof
Intensivstation
Du Riechst So Gut
Jetzt wurde es richtig voll auf der in dichten Nebel gehüllten Bühne, denn :KRAKOW: traten mit 4 Mann an, um mit ihren Sound dem KERNKRACH-Festival ihren Stempel aufzudrücken. Für die Schweden sollte es der erste Gig überhaupt werden, also eine Weltpremiere. Während Tobbe (synth), Jonas (synth), Mattias (synth, voc) sich an ihren Synthies und Laptops zu schaffen machten, übernahm Andreas (voc) das Micro. Es dauerte aber noch eine Weile, bis er mit seinem Part anfangen durfte. Immer wieder verließ er seine Position und begab sich in den hinteren Teil der spärlich beleuchteten Stage. Mit „Frozen Fashion“ performte man einen Track aus den Anfangstagen des Quartetts. Dieser Song wurde rundum modernisiert und ist jetzt kaum wiederzuerkennen, das hört sich jetzt nach einer richtig fetten Produktion an. Ein wirklich grandioser Sound schallte bei diesem Gig aus den Boxen und bei den nachfolgenden Songs „Black Madonna“, „San Marino“ und „Panzerfaust“ wurde mein Interesse für diese Band noch größer. Die warme Stimme und einige Posen am Micro von Andreas erinnern ein bisschen an Ian Curtis von JOY DIVISION, während einige Melodiepassagen aus Songs von Eddi Bengtsson (SISTA MANNEN PÅ JORDAN, PAGE und S.P.O.C.K) stammen könnten. Kein Wunder also, dass die Meute vor der Bühne nach einer Zugabe verlangte. Es dauerte ein Weilchen, bis DOC KERNKRACH die vier noch einmal überreden konnte, einen weiteren Song zu spielen. Die Band selbst schien überrascht zu sein und hatte keinen weiteren Song auf ihrer Setlist, deshalb performten sie noch einmal „Black Madonna“.
Setlist :KRAKOW: (ohne Gewähr)
Intro
Frozen Fashion
The Fan And The Bellows
Black Madonna
San Marino
Someone Someone
Panzerfaust
Black Madonna
Wie bereits erwähnt war der Headliner des Abends die TRIO Cover Combo DREI MANN IM DOPPELBETT. Es ist kein Gag, sondern das Original TRIO-Mitglied Peter Behrens tritt tatsächlich ab und an mit den Jungs auf. Für den heutigen Abend war zusätzlich mit Stephan Remmler der Kopf der NDW Legende eingeladen worden, um mit DMID zu performen. Das hatte leider nicht geklappt. Somit musste mit der Coverband vorliebgenommen werden, aber wie Jörg bei der Ankündigung schon erwähnte, werden die wenigsten, er eingeschlossen, TRIO jemals live gesehen haben. Matthias Klein (voc, key, megafon), Michael Göbbels (git) und Daniel Adler (Schlagzeug) kamen schon zu Anfang ihres Sets zum Höhepunkt. Ratzfatz wurde „Da, Da, Da“ gespielt, genauso wie man es von ihren Vorbildern kannte: Der Kerl am Schlagzeug mit ein paar hochdupierten Haaren und einen Apfel essend einarmig Schlagzeug spielend, während Gitarrist Michael den großartigen „Kralle“ Krawinkel (RIP) imitierte und Matthias die paar Zeilen sang. Auch bei diesem Auftritt fühlte man sich um 30 Jahre zurückversetzt, in die gute alte Zeit des NDW. Wobei man Stephan Remmler und Co nicht nur auf diese NDW Schiene reduzieren sollte, da sie auch richtig gute englischsprachige Rocksongs geschrieben haben, von denen auch heute einige dem Publikum dargeboten wurden. Und so stimmte das Komplettpaket von der Coverband, einschließlich einiger wichtiger Utensilien à la Casio Kinderkeyboard, Megafon und Kehlkopfmikrofon. Genauso habe ich es mal bei einem Konzertmitschnitt von TRIO im TV gesehen.
Setlist DREI MANN IM DOPPELBETT (Ohne Gewähr)
DA DA DA
Lady Oh Lady
YA YA
Sunday You Need Love
Carmen
Halt Mich Fest
Energie
Kummer
Ich Lieb Den Rock `N Roll
Bum Bum
Du Ich Wär So Gern Bei Dir
Ja Ja Ja
Anna
Oder Doch
Kleinstadtjunge
Los Paul
Broken Hearts
Peter Pank
TRIO Bommerlunder
Und wieder ging ein rundum gelungenes KERNKRACH-Festival viel zu schnell zu Ende, zumal der Zeitplan dieses Mal unbedingt eingehalten werden musste, weil danach eine andere Veranstaltung angesetzt war. Und da wären wir schon bei einem kleinen Ärgernis, das auch andere zu stören schien. Bei den vergangenen Festivals konnte man an Ort und Stelle die Aftershow Party durchführen und sich weiterhin am Merchandise Stand aufhalten und sich nach dem Gig mit Vinyl etc. eindecken. Die Stände waren aber zum Teil schon abgebaut und auch die Gespräche mit Freunden und Musikern mussten verschoben werden, da es in eine andere Location ging. Ich für meinen Teil verabschiedete mich Richtung Heimat und ließ die anderen noch weiter feiern. Dies soll keine Kritik sein, sondern ein Hinweis darauf, dass man evt. für das nächste Festival eine geeignete Location finden sollte, damit diese „familiäre“ Stimmung auch NACH dem Konzert erhalten bleibt. Das ist es auch, was dem KERNKRACH Festival den würdigen Rahmen gibt, denn wo kann man so viele Musiker und Bands wie z.B. CHARLES LINDBERG n.e.V., ECHO WEST, DADA POGROM, THE DARK UNSPOKEN, DEUTSCHE ANARCHISTEN TAUMELN BENOMMEN EINEN SCHRITT ZUR SEITE und MÄNGELEXEMPLAR im Publikum ausmachen ? Ich jedenfalls freue mich schon auf das nächste Mal.
Copyright Fotos: Jörg Rambow
Hinterlassen Sie einen Kommentar.
Du musst angemeldet sein, um einen Kommentar abzugeben.