Ort: Münster - Skaters Palace
Datum: 28.06.2007
Nach fast einjähriger Bühnen-Abstinenz wollten KETTCAR wieder wissen, wie es ist, live zu spielen und haben sich dazu quasi an den Beginn ihres Wirkens zurückbegeben. Zumindest geografisch, denn das erste KETTCAR-Konzert soll nach Bandangaben 2001 im Münsteraner Gleis 22 stattgefunden haben. Inzwischen füllen die Hamburger etwas größere Spielstätten und so war auch das Skaters Palace mit über 1.000 verkauften Tickets schon im VVK sold out. Das alles, obwohl die letzte Platte „Von Spatzen und Tauben, Dächern und Händen“ bereits 2005 veröffentlicht wurde und es eher still war um Bandgründer Marcus Wiebusch (Gesang & Gitarre) und Reimer Bustorff (Bass & Gesang) nebst Lars Wiebusch (Tasten & Gesang), Erik Langer (Gitarre & Gesang) sowie Drummer Frank Tirado Rosales. Offensichtlich hatte es erhebliche KETTCAR-Entzugserscheinungen gegeben, die an diesem erstaunlich schönen Donnerstag Abend zumindest vorübergehend gelindert werden konnten.
Nicht ganz so gut stand es um Holger Kochs, der aufgrund einer fiesen Augenentzündung vom Arzt ein absolutes Auftrittsverbot verordnet bekommen hatte und deshalb gemeinsam mit seiner Band PALE den Gig absagen musste. So durften dann die Lokalmatadoren von GHOST OF TOM JOAD allein für KETTCAR eröffnen, keine leichte Aufgabe, wenn eigentlich alle nur auf den Headliner warten.
Das Trio gab sich auch wirklich alle Mühe und wartete gar mit einer brandneuen und erst am selben Tag erschienenen EP namens „Is This What You Call A Fronterlebnis?“ auf, so recht wollte der Funke jedoch nicht überspringen. Dabei war der Sound durchaus flott und ging ins Bein, doch es schien, als wollte das jugendliche Indie-Publikum seine Kräfte schonen und beschränkte sich daher eher auf freundliches Zuhören. Songs wie „Renegades of Love“, „The Ending“, Stomp My Head“ oder auch „Unterwegs“ waren ohne Zweifel dazu angetan, ein wenig mehr Euphorie an den Tag zu legen und auch Sänger und Gitarrist Henrik Roger versuchte mit Unterstützung von Bassist und Sänger Jens Mehring sowie Drummer Christoph Schneider alles, um die Meute zum Mitmachen zu bewegen, was aber erst gegen Ende des 45-minütigen Auftritts gelingen wollte.
Nun hieß es noch mal eine kleine Umbaupause bis 21.45 Uhr überbrücken, dann gab’s mit dem ersten Song „Deiche“ der 2005-er VÖ schon kein Halten mehr in dem alten Industriegemäuer. Es wurde eifrig mitgesungen und getanzt, schade nur, dass die Location nicht unbedingt ideal war für so viele Leute. Zwar war die Halle, in der normalerweise Skater ihre Runden drehen, insgesamt groß genug, leider hatte aber nur etwa die Hälfte der Anwesenden überhaupt die Chance, was von der Bühne zu sehen, weil der Raum so ungünstig geschnitten war. Auch der Sound kam nicht optimal rüber, was vor allem zu Lasten der Textverständlichkeit ging. Bei den Stücken der beiden Alben weiter kein Problem, die konnten eh alle auswendig, aber die drei neuen Titel blieben so etwas mysteriös. Allerdings hatte Marcus auch extra darauf hingewiesen, dass die neuen Texte sich noch im „Work in Progress“-Stadium befänden, morgen könnte es da schon Veränderungen geben, man sollte ihn auf nichts festnageln. Erst einmal wurden aber Klassiker wie „Balkon gegenüber“ und „Landungsbrücken raus“ vom 2002er Debüt „Du und wie viel von Deinen Freunden“ abgefeiert und bereits jetzt waren die ersten Crowd Surfer in Action. Genesungswünsche an Holger Kochs durften ebenfalls nicht fehlen, dann kamen mit „Tränengas im High-End-Leben“ und „48 Stunden“ zwei Songs der letzten Platte zu Gehör. Bei letzterem hatte Marcus seine E-Gitarre gegen ein akustisches Modell getauscht, am Ende wurde die tolle Darbietung mit viel Applaus belohnt. „Alles vorstellen (keine Guillotine weit und breit)“ ist der KETTCAR-Beitrag auf dem „Move Against G8“-Sampler, der im Mai anlässlich des Gipfels in Heiligendamm erschienen ist und in Münster durchaus schon dem ein oder anderen bekannt war. Während die meisten Tracks eher gitarrenlastig flott waren, gab es mit „Im Taxi weinen“ auch was ruhiges zu hören, bevor die Band vorschlug, doch mal einfach durchzutauschen, damit alle auch mal einen Blick auf die Bühne werfen könnten. So recht wollte aber niemand seinen „privilegierten“ Platz räumen, deshalb wurde der Gedanke wieder verworfen. Nach „Ich danke der Academy“ verabschiedeten sich KETTCAR nach etwa einer Stunde von ihrem begeisterten Publikum, das aber unbedingt noch eine Zugabe haben wollte. Auch die Hamburger schienen noch Spaß an ein wenig Mucke zu haben, so folgte noch „Ausgetrunken“ mit einem starken Keyboard-Special von Lars und allerlei Sing- und Klatsch-Spielchen, während „Ein Handyfeuerzeug gratis dazu“ und „Stockhausen, Bill Gates und ich“ mit alleinigen Zuschauergesängen faszinierte. Erneut wollten sich KETTCAR aus dem Staub machen, doch es gab da noch einen Schmusesong, den sich vor allem die Mädels im Saal innigst wünschten: „Balu“… Marcus war von den vergangenen 75 Minuten wohl so gerührt, dass er dem gesamten Auditorium jeweils EUR 5,00 Nachlass auf den Kartenpreis fürs Fest van Cleef am 07.07. in Bremen versprach. Zwar wüsste er noch nicht, wie das technisch alles gehen sollte, war ihm aber ebenso egal wie Reimers Einwurf, dass dies nun so gar nicht abgesprochen sei (Marcus und Reimer sind gemeinsam mit Thees Uhlmann von TOMTE Eigner des GHvC-Labels und somit auch Veranstalter des gleichnamigen Festivals). Auf jeden Fall eine nette Geste und das Line Up kann sich mit KETTCAR, KANTE, der HANSEN BAND, MARITIME, BERND BEGEMANN und den KILIANS auch wirklich sehen lassen. Im Anschluss wurde auch der „Balu“-Wunsch noch erfüllt – nach Marcus Meinung ein richtiges Mädchenlied – was ja nichts verwerfliches ist, oder? Hier zeigte sich das Münsterland ein letztes Mal ebenso textsicher wie lautstark, dann war tatsächlich Schluss.
Es hat wieder Spaß gemacht, denn Jungs zuzusehen bzw. zuzuhören. Beim Gitarren-Pop (so beschreibt Reimer den KETTCAR-Sound) der Hamburger kann man einfach nicht still stehen und auch die Texte haben sich auf wundersame Weise irgendwie im Hirn festgebrannt und warten nur darauf, hinausgeschrieen zu werden. Danke für den schönen Abend und von uns Gute Besserung nach Aachen zu Holger Kochs von PALE!
Setlist KETTCAR
Deiche
neuer Song
Balkon gegenüber
Landungsbrücken raus
Tränengas im High-End-Leben
48 Stunden
Alles vorstellen (keine Guillotine weit und breit)
Jenseits der Bikinilinie
Money Left To Burn
neuer Song
Im Taxi weinen
Ich danke der Academy
Ausgetrunken
Ein Handyfeuerzeug gratis dazu
Stockhausen, Bill Gates und ich
Balu
Copyright Fotos: Karsten Rzehak
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