Ort: Schüttorf - Komplex
Datum: 25.08.2007
Ein chilliges Festival
Der Veranstalter, das Unabhängige Jugendzentrum UJZ Komplex Schüttorf e.V. hatte es auch in diesem Jahr wieder geschafft, auf dem KOMPLEX OPEN AIR in Schüttorf ein namhaftes Line-Up zu präsentieren. Und nicht nur das. Wer auch immer am 25. August 2007 für das Wetter verantwortlich war, meinte es sehr gut. Als wir gegen 15 Uhr das Festival-Gelände „Am Kuhm“ direkt neben dem Freibad betraten, schien die Sonne. Keine Spuren von den heftigen Regenfällen, die die Tage zuvor noch Deutschland heimgesucht hatten.
So konnten wir uns einen schönen Platz auf der Wiese suchen und den Klängen von FLIGHT 195 aus Holland lauschen. Obwohl die Indie-Rock-Band bereits die die dritte Band des Tages war, war das Gelände noch sehr leer. Nur maximal 100 Leute waren anwesend. Die Niederländer schien das aber nicht weiter zu stören. Als ehemaliger Support-Act von DOG EAT DOG war man professionell genug, das Beste aus der Situation zu machen. So schallte die schöne Stimme von Sängerin JC, die verdammt an die GUANO APES erinnerte, über den Platz und das Publikum konnte bei strahlendem Sonnenschein die einzige Band des Tages mit einer Frontfrau genießen. Im Gegensatz zum Publikum konnten FLIGHT 195 sich nach dem Gig nicht am schönen Wetter erfreuen. Für sie hieß es direkt im Anschluss, ab in den Tourbus und weiter zum nächsten Festival, denn am selbigen Abend hatten sie noch einen Auftritt auf dem HOLTER-MEETING, ein Umsonst und Draußen Festival in Schloß Holte Stukenbrock.
Um kurz nach 16 Uhr betraten 5BUGS aus Berlin die Bühne. Im Vorfeld hatte ich gelesen, dass es sich bei den fünf Jungs aus der Hauptstadt um eine „der absolut spielstärksten deutschen Newcomerbands der Stunde“ handeln sollte und genau so war es auch. Die Musik, laut und aggressiv, ging sofort ins Ohr und nach und nach fanden sich Zuschauer vor der Bühne ein. Musikalisch bot das Quintett eine Mischung aus Rock, Emo, Punk und Pop. Die Musik, die Melodien, die eine perfekte Synthese aus Gitarrensolos, anspruchsvollen Schlagzeugbeats und einer kraftvollen, tollen Stimme des Sängers Chris Dumhard boten, kam an! Die BUGS unterhielten jedoch nicht nur musikalisch. Ähnlich wie eine etwas bekanntere Band aus Berlin, waren die Jungs auch im Sprüche Klopfen sehr erprobt: „Und sonst so? Jet´s jut, ja? Wir kommen direkt aus Cuxhaven, aus der Fischfabrik. Wenn also etwas stinkt, sind´s wir.“ Und ganz nebenbei erhielt das Publikum zwischen Songs wie „Order to kill“ und „Inside of me“ (beide von ihrem zweiten Album Tomorrow I’ll Play God von 2006) eine Lektion, wie man Gitarrensaiten wechselt. Nach ungefähr 40 Minuten verabschiedete sich die Truppe mit den Worten: „Uns hat´s Spaß gemacht! Wir hatten noch nie so ein herzliches Publikum.“ Mit hat es auch Spaß gemacht und ich hoffe, dass wir in Zukunft noch mehr von den sympathischen Jungs hören und sehen werden.
Um 17:10 Uhr betrat dann eine ganz andere Band die Bühne. Es handelte sich um KAPELLE PETRA, laut eigener Aussage eine Lokalband aus Nashville, Tennessee, Deutschland. Die PETRAS, die ein bisschen etwas von den SPORTFREUNDEN STILLER, HELGE SCHNEIDER und den ANGEFAHRENEN SCHULKINDERN haben, standen auch an diesem Samstag wieder für eine Bühnenshow der ganz besonderen Art. Die Outfits von Siepe, Gazelle, Ficken Schmidt und Oppa mit Perücken und bunten Kostümen waren nur ein kleiner Teil davon. Wir sahen Bockspringen auf der Bühne, Hosenschlitzsolos, ein Gitarrensolo auf dem Rücken vom Drummer, ein Schlagzeugsolo mit Kaugummi, hörten und sahen einen Scherenbeat – nur um nur ein paar Punkte zu nennen. Aber nicht nur optisch waren sie ganz das Gegenteil zu den vorherigen Bands, auch musikalisch bestanden wesentliche Unterschiede. Musikalisch boten sie ein Potpourri aus Schlager, Pop, Rock, Punk und Comedy mit durchaus poetisch, tiefgründigen Texten. Sie spielten Songs wie „Sternsinger“, „Heute is Geburtstag“, das „Protestlied“ oder die Vertonung der Gewitteroma (bekannt aus den Radiopannen). „Immer bereit“ war an diesem Samstag ihr letztes Stück. Da die Jungs wohl ein bisschen viel Klamauk auf der Bühne gemacht hatten und nach eigener Aussage drei Stücke aus der Playlist rausschmeißen mussten, konnten sie leider die Zugabeforderungen des Publikums nicht erfüllen, WATERDOWN warteten bereits hinter der Bühne.
WATERDOWN: Hardcore meets Punkrock meets Metal und das auch noch mehrstimmig und mit voller Wucht! Für die sechs Jungs war es eine Art Heimspiel, Osnabrück ist ja nicht weit von Schüttorf entfernt. Leider waren sie aber verdammt laut abgemischt, so dass sich die meisten Zuschauer in sicherer Entfernung von der Bühne aufhielten. Auch die immer wiederkehrende Aufforderung der Band, doch nach vorne zu kommen, konnte daran wenig ändern. Für alle, die sich auch von der Lautstärke nicht abhalten ließen und feiern und pogen wollten, gab es unter anderem Songs wie „Disassemble“ und „Repeater“, beide vom Album „All Riot“, das 2006 noch unter dem amerikanischen Label Victory erschienen ist. Obwohl sie die erste europäische Band bei „Victory Records“ waren, hatten sie doch an diesem Tag wenig gute Worte für ihr ehemaliges „Scheiß-Amerikanisches-Label“ übrig. WATERDOWN forderten die Zuschauer sogar auf, möglichst viele Alben illegal downzuloaden, um der Plattenfirma viel Schaden zuzufügen. Als Beweis, dass man auch ohne Victory gute Songs haben kann, bekamen wir den noch unveröffentlichten Song „From The Kings Dead Hands“ dargeboten. Mit den Worten: „Vielen Dank an Petra, gleich kommt Elke, wir waren Waltraut.“ verabschiedeten sich die Osnabrücker gegen 19:00 Uhr.
EL*KE, eine Band, die sich nach einem Autokennzeichen (EL*KE 573) benannt hat, waren die nächsten, die auf neben dem Freibad in Schüttorf rocken durften. Ihr Debüt hatten EL*KE im Jahr 2004 und können seit dem auf eine Menge Bühnenerfahrung zurückblicken. Zu nennen sind da Vorbandauftritte bei den TOTEN HOSEN neben NEW MODEL ARMY und den BEATSTEAKS oder der 2. Platz bei der Jägermeister Rock:Liga 2006. Es war inzwischen halb acht, als die Truppe die Bühne betrat und das Gelände füllte sich. Die drei Emsländer, die inzwischen die Hauptstadt ihr zu Hause nennen, wirkten sehr authentisch. Auch auf dem Komplex lieferten sie wieder guten, echten Rock ab. Sänger Peter Bolmer hat eine unglaubliche Stimme, heiser und rotzig und wusste zu überzeugen, während Martin „Mücke“ Krüssel, ganz cool mit der Kippe im Mundwinkel, an der Gitarre oder auch mal am Bass seinen Job machte. Drummer Hubert „Hubi“ Deters gab, wie sollte es anders sein, den Takt vor. Die Menge beobachtete das Geschehen zunächst noch recht verhalten, nach und nach kam aber immer mehr Stimmung auf. Lieder wie „Adrenalin“, „Ramona“ und „Traumfrau“ animierten zum Mitsingen und Mitklatschen. Das Konzept aus NDW und Stoner Rock kam an.
Um kurz vor 21 Uhr durften dann endlich CROSSCUT aus Münster auf die Stage, was besonders die Liebhaber der härteren Gangart erfreute. Und das Quartett, das mittlerweile vier Alben veröffentlicht hat, rockte auch gleich richtig los. Da man sich stilistisch irgendwo zwischen NuRock und Hardcore bewegt, fehlte natürlich auch die schon fast obligatorische Wall of Death nicht. Die Münsteraner präsentierten sich spielfreudig und gaben unter anderem Songs wie „Burn down Las Vegas“ und „Zone of the Phinx“, beide vom 2004 erschienen Album „Director´s Cut“ zum Besten. Das Publikum dankte es mit einem wilden Moshpit und den ersten Crowdsurfern worauf Sänger Timo meinte: „Schüttorf war vor ein paar Jahren schon geil und ist es wieder! Könnt ihr noch? Passt ja, wir auch!“ und erfüllte die Zugabewünsche gerne.
Dann kamen wieder Berliner, genauer gesagt eine Band aus Berlin-Kreuzberg: GODS OF BLITZ, die zurzeit als eins der heißesten Eisen Deutschlands gehandelt werden. Als sie um kurz nach 22 Uhr auftraten, war es bereits dunkel und ihr Bandname blinkte in Form einer Art Leuchtreklame im Hintergrund auf der Bühne. Die Jungs legten auch gleich mit Songs wie „In the Street“ und „Times of Paranoia“ los. Der Platz vor der Bühne war inzwischen zum ersten Mal an diesem Tag richtig gut gefüllt. Die Stimmung war gut, die Menge wippte mit und viele, die nicht mehr ganz nüchtern waren, begannen wild zu tanzen – wenn man es denn als solches bezeichnen kann. Wie schon andere Bands des heutigen Tages wurde auch von den Blitzgöttern viel mit dem Publikum kommuniziert – eine Tatsache, die sich bei deutschstämmigen Bands in ihrem Heimatland anbietet. Nach ungefähr zehn Songs bildete „The Rising“ von ihrem ersten Album „Stolen Horse“ den krönenden Abschluss ihres Auftritts.
Und dann hieß es warten, warten, warten. Der Auftritt von CLAWFINGER war auf 23:15 angesetzt, aber die fünf Schweden betraten erst gegen viertel vor 12 die Bühne. Im Gegensatz zum verspäteten Auftritt bei Rock Harz im Juli lag es aber nicht an Flughafenproblemen sondern wohl ehr am Soundcheck, der sich doch sehr lange hinzog. CLAWFINGER betraten die Bühne mit der bekannten Melodie aus dem gleichnamigen Bondfilm „Goldfinger“, allerdings in „CLAWFINGER“ umgetextet. Sänger Zak Tell und seine Mannen legten mit „Rosegrove“ los um dem willigen Publikum mit „Nigger“ anschließend richtig einzuheizen. Knapp 800 Leute feierten mit dem Headliner und bekamen alle Songs geboten, die man sich als CLAWFINGER-Fan wünscht, darunter auch drei Songs vom neuen Album „Life will kill you“. Die Schweden waren gut gelaunt, obwohl sie sicherlich schon vor enthusiastischerem Publikum gespielt haben, und bauten in Songs wie „Nothing going on“ Songtexte von QUEEN (Radio Ga Ga) und in „Don´t get me wrong“ den „Final Cowntdown“ ein. Wie die vorherigen Bands so pflegte auch Zak, den Kontakt zum Publikum. „Is everybody nice and drunk“ Is everybody nice an stoned“ Is everybody happy?” Die Menge sprang und hüpfte mit dem Frontman, der doch ein paar Probleme mit der etwas kleineren Bühne hatte. So sah man ihn immer wieder im Graben und er ließ es sich auch nicht nehmen, das Mikrophon wiederholt in die Menge zu halten. Dass CLAWFINGER mit „Ersatzdrummer“ Henrik angereist waren, da Henke mit einer anderen Band unterwegs war, fiel nicht auf. Die Skandinavier verabschiedeten sich nach drei Zugaben wie immer mit dem Song „Do what I say“, den die Fans gerne auch ohne die Band weiter sangen, bis Zak Tell sich erbarmte und den „Clawfinger Choir“ um kurz nach 1 Uhr beendet.
Setlist CLWAFINGER
Intro: Goldfinger/ Clawfinger
Rosegrove
Nigger
Nothing going on
Money Power Glory
World Domination
The faggot in you
Prisoners
The price we pay
Zeroes & Heroes
Don´t get me wrong
Two sides
Recipe for hate
Biggest & the Best
Life will kill you
The truth
Do what I say
Auf die letzte Band des Abends THE STIFFIES haben wir wie viele andere verzichtet. Nach über zehn Stunden Festival war das Bett doch eine reizvollere Alternative, zudem wir ja auch noch einen Heimweg von knapp zwei Stunden vor uns hatten.
Das KOMPLEX OPEN AIR war kleiner als erwartet, aber sehr liebevoll organisiert mit einem Line-Up das sich für einen Preis von knapp 20 Euro wirklich sehen lassen kann. Freuen wir uns auf nächstes Jahr und drücken die Daumen, dass auch dann wieder das Wetter mitspielt – so wie an diesem Wochenende!
Copyright Fotos: Dirk Ruchay
Hinterlassen Sie einen Kommentar.
Du musst angemeldet sein, um einen Kommentar abzugeben.