Ort: Georgsmarienhütte - Eventcenter B51
Datum: 19.02.2005
Ein Abend – 4 Bands der Spitzenklasse – 5 Terrorverleger vor Ort. So könnte man die Ereignisse an diesem kalten Samstagabend kurz umschreiben, doch ich weiß, ihr wollt Einzelheiten. Mille und sein Team hatten sich entschlossen, zum wiederholten Male in den „Grossraum Osnabrück“ einzufallen, um das neue Album „Enemy of God“ zu promoten. Dazu hatte man ein paar illustre Support Acts ausgesucht, die jeder für sich schon fast einen Konzertbesuch wert gewesen wären. Schauplatz war die ehemalige Dütehalle, nun neudeutsch und wenig charmant Eventcenter B51 benamst. Um 19 30 Uhr sollte das Spektakel losgehen und auf die Minute genau wurde dieses Zeitversprechen auch eingehalten. Man kann es vorwegnehmen: Die Organisation an diesem Abend verlief optimal, minimale Umbaupausen, reibungsloser Einlass, Sound nicht zu laut, gutes Licht und der Gerstengetränk-Erwerb schnell und leicht gemacht durch die vielen Theken. Zwar besitzt der Laden ein wenig Partydorf-Flair, dafür ist er aber für Konzerte dieser Größenordnung (es waren an die 1000 Besucher gekommen) bestens geeignet. Sehr gut fand ich auch die Bühnenanordnung an der Längsseite, so dass man selbst bei so einer großen Menge recht nah am Geschehen war. Nun aber mal zum Opener HATESPHERE aus Dänemark, der gerade seinen ersten Song beendet hatte, als der Terror-Tross zum Flankenschlag ausholte.
Auf der Bühne tummelten sich 5 junge, zum Teil stark tätowierte Herren, die mit einer Mischung aus Death und Thrash die Müdigkeit aus den Leibern prügelten. Ich hatte sie schon im Bielefelder Triebwerk im Vorprogramm von CROWBAR gesehen, wo sie einen sehr agilen und unbekümmerten Eindruck machten. Shouter Jacob Bredahl wirkt fast wie ein großer Junge, der seine Auftritte richtig genießt, auch ohne den bösen Mann zu machen. Um ihn herum wirbelt eine Dreier-Saitenfraktion, die sich aufs Posing versteht, so dass schon zu dieser frühen Stunde ordentlich was los war. Dementsprechend dankbar zeigten sich die „Hasskappen“ auch. Man wechselte ja zu Beginn des Jahres von Scarlet zu Steamhammer, ein gutes Zeichen dafür, dass ihr Stern immer mehr aufgeht. Als Antrittsgeschenk veröffentlichte man dann auch gleich die sogenannte „Killing EP“, von der heute genauso Material präsentiert wurde wie vom aktuellen Longplayer „Ballet of the Brute“. Mit „Bloodsoil“ war aber auch ein Song vom Debüt am Start. Nach exakt 30 Minuten war dann Schluss mit moshig, aber wer mag, kann den 5er schon bald wieder im Vorprogramm von MORBID ANGEL genießen, wobei ich finde, dass sie in kleinen Clubs noch etwas mehr hermachen.
Nur 10 Minuten brauchten die Techniker, um die breite Bühne für den 2ten Act des Tages spielbar zu machen, wobei alle 3 Support Bands auf dasselbe Drumkit zurückgriffen. Währenddessen thronte Ventors Apparat schon stolz unter einer Plane verdeckt im Hintergrund. EKTOMORF aus Ungarn hatten die Ehre, als nächstes für gute Stimmung im Volk zu sorgen. Ich hatte sie bislang noch nie gesehen und war dementsprechend überrascht, wie angesagt die Ungarn schon sind. Ein nicht unbeträchtlicher Teil der Anwesenden moshte und sprang nun herum, die Hände zum Teufelsgruß gereckt. Der Vierer um den katzenliebenden Farkas Zoltán dankte es ihnen mit einer aggressiven Performance, die musikalisch recht nah an die alten SEPULTURA angelehnt ist. Besonders die Stimme lässt dementsprechende Erinnerungen wach werden, auch wenn hier noch ein wenig Verbesserungspotenzial besteht. Mit „I know them“ vom (noch) aktuellen Album „Destroy“ stieg man ins Set ein, um im folgenden einige weitere Brecher von diesem Werk wie etwa das Titelstück zu spielen. „Noch“ übrigens, weil man am 29.3 bereits die nächste Scheibe „Instinct“ bei Nuclear Blast veröffentlichen will, von der man mit dem plakativ betitelten „Fuck you all“ auch schon eine Hörprobe auf die Ohren bekam. Kleine Geschichte am Rande: Der Shouter von HATESPHERE – Herr Bredahl – hat ja auf Platte beim Stück „A.E.A.“ vocalmässig ausgeholfen, so dass also bereits vor dieser Tour ein gutes Verhältnis bestanden haben müsste. Da hätte sich natürlich ein Duett angeboten, aber auch die Balkanboys hatten nur exaktement 30 Minuten für ihre erfrischende Darbietung.
Die nächste Umbaupause dauerte doch tatsächlich 5 Minuten länger, was aber nur daran lag, dass den Schweden DARK TRANQUILLITY ein kleiner Soundcheck zu gebilligt wurde. 20 55 Uhr war es erst, als die Vorreiter des Göteborg Death Metals zu ihrer Performance ansetzten. Für mich DER Höhepunkt des Abends, verfolge ich ihre Aktivitäten doch schon seit vielen Jahren. Ende 1995 konnte ich sie im Enscheder Atak das erste mal live in Augenschein nehmen und seitdem sind sie mir ans Herz gewachsen. Auf der Bühne befanden sich nun 6 Herren im leider etwas zu stroboskopigen Licht, die eine kleine Rundreise durch ihre Discographie ankündigten. Während Keyboarder Martin Brändström optisch etwas im Dunkeln verschwand, konnte man seine Klänge doch deutlich wahrnehmen, zumindest von da, wo ich verweilte. Der Sound war nämlich nicht überall in der Halle gleich gut und insbesondere bei den Skandinaviern nicht differenziert genug. Ohne dem Headliner wehtun zu wollen, handelte es sich hier sicher um die filigranste Kapelle des Abends, und die müsste eigentlich über einen kristallklaren Sound verfügen, damit man alle Feinheiten wahrnehmen kann. Aber besonders die linke Box hatte mit Problemen zu kämpfen. Egal, Shouter Mikael Stanne wuselte wie ein Derwisch herum und hatte die Herzen der Zuschauer schnell auf seiner Seite. Der optisch beeindruckende Kerl wirkt wie ein schottischer Highlander, dem frühen Nick Holmes nicht unähnlich. Die Kollegen an Bass und Gitarre, darunter Zeichengott Niklas Sundin, spielten eher kontrolliert ihre Parts herunter, was nicht minder beeindruckend war. Ein Schwerpunkt lag natürlich auf dem aktuellen Album „Character“, von dem beispielsweise „The new build“, die Single „Lost to apathy“ und „My negation“ zum Zuge kamen. Glücklicherweise präsentierte man aber auch ein paar alte Klassiker, wie etwa den Übersong „Punish my heaven“ von der „Gallery“-Scheibe, der zumindest von den älteren Fans fett abgefeiert wurde. Weitere Tracks waren „The wonders at your feet“, „Final Resistance“ und das schon lange nicht mehr gespielte „Scythe, rage and roses“. Alles sehr fein, aber leider viel zu kurz! Genau 45 Minuten gab man den Nordmännern und da hätte ich schon mehr erwartet, ist ja keine Feld- Wald- und Wiesenkapelle. Zumindest eine Zugabe wäre angemessen gewesen und da hätte sich sicherlich niemand beschwert. Also bitte demnächst als Headliner mit Headliner Sound und Spielzeit wieder nach Deutschland kommen! Nun aber war es Zeit für „Mighty KREATOR“…
Und die zeigten auch gleich mit dem gnadenlosen Doppel-Brett „Enemy of God“/ „Impossible Brutality“ vom überirdischen neuen Meisterwerk „Enemy of God“, wer hier Chef im Ring ist! THRASH! Die Meute ging gleich gut ab, um die Massen allerdings gleich zu Beginn zum kompletten Austillen zu bringen, hätte man eine ältere Granate zünden sollen. Trotzdem famoser Einstand für eine (Achtung festhalten!) annähernd 2 stündige Thrash-Lehrstunde aus Altenessen. Und auch wenn man einige Songeinsätze total verdudelte (wobei sich dann alle 4 mit Fragezeichen ansahen und grinsten), habe ich selten (SLAYER mal ausgenommen) eine tightere Thrash-Performance gesehen! Und schon gar nicht von KREATOR! Da hab ich hier Live-Mitschnitte, wenn man die mit der Darbietung auf dieser Tour vergleicht, denkt man „was machen Mille?“ Hab noch nie eine geilere Version von „Riot of Violence“ gehört! Und „Terrible Certainty“ pustete dermaßen geil durch die Speaker, dass die gleichnamige Scheibe dagegen soundmässig total verblasst! Der Einstieg von ex-WALTARI-Klampfer Sami hat der Band den nötigen Arschtritt verpasst. Ansonsten würde man jetzt wohl nicht allerorten abgefeiert und eine nahezu ausverkaufte Tour spielen. Und das zu Recht!
Vielleicht sollte Herr Petrozza mal überlegen, es TESTAMENT und ANTHRAX nachzumachen, und etliche Gassenhauer in dieser Granatenbesetzung neu einzutrümmern! Gerade „Terrible Certainty“ wäre prädestiniert dafür… am Besten die ganze Scheibe noch mal bitte! Warum bei dieser unüblich üppigen Spielzeit allerdings nichts von der (trotz aller Meinungen) hervorragenden „Endorama“-Scheiblette gebracht wurde, erschließt sich mir nicht. Ebenso außen vor blieb die knüppeligste Kreator-Vö “Cause for Conflict“… schade! Und von „Outcast“ durfte erneut „Phobia“ herhalten, welches zwar frenetisch abgefeiert wurde, auf der es meiner Meinung nach aber wesentlich stärkere Songs gibt. Aber man kann es ja nicht jedem Nörgler recht machen und mit „Love us or Hate us“ vom bis dato erfolgreichsten KREATOR-Output „Extreme Aggression“ gab es ja auch ein schönes Bonbon! Ansonsten boten die 4 einen Hit nach dem nächsten aus allen Schaffensphasen auf, wobei vor allem auffiel, dass die vor-Sami-Stücke durch eben jenen unheimlich an Drive und Witz gewinnen (filigrane Gitarrenarbeit)! Im Zuge dessen ließen sich auch die beiden UrKreaturen Mille und Ventor nicht lumpen und spielten einen absolut geilen Stiefel runter, dass einem im Angesicht der unzähligen Gigs der Vergangenheit, die man kennt, die Kinnlade runterklappte! „Ist das KREATOR da oben? Nee, viel zu filigran der Sound!“ Eben selbiger drückte voll in die Seile und die Lightshow mit dezent eingesetztem Nebel kann man einfach nur als grandios bezeichnen. Alles stimmig, sogar Milles altbekannte Ansagen („It’s time to Raise the…”), wobei er sich ja zum Glück selber nicht Ernst nimmt („den nächsten Song ham wir vor 140 Jahren oder so geschrieben…“)! Der Ozzy des Thrash halt! Kult.
Mit den beiden letzten Zugaben „Flag of Hate“ und „Tormentor“ schrotet man noch mal alles in Grund und Boden, und es kommt endlich mal ein wenig mehr die von Mille geforderte Bewegung ins etwas hüftlahme Osna-Publikum. Die gefürchteten Mosh-Pits, die er forderte, bleiben allerdings aus (erinnert sich noch jemand an die wüsten Pits im Hyde-Park anno 1800 irgendwas?). Auch das Publikum wird älter… Einziger Wermutstropfen dieser ansonsten nahezu perfekten Thrash-Zelebrierung ist der nicht über Bierdeckel-Niveau herausgehende Aktionsradius der 3 Frontrentner! Jungs, die Bühne war riesig und Ihr spielt mörderisch ins Gebein fahrende Mucke, da sollte man doch auch nach 22 Jahren TORMENTOR/ KREATOR noch etwas Action on Stage erwarten können, oder? Technik hin oder her. Vergleichbare US-Kommandos wie TESTAMENT, DEATH ANGEL oder EXODUS zeigen doch, dass man auch mit fast 40 noch Gas geben kann, bis der berühmte Arzt kommt!
Fazit: Wer bei dieser Tour noch nicht dabei war, sollte es schnell nachholen und lächerliche knapp 20 Euronen in die schon-jetzt Tour des Jahres investieren! Ihr werdet es nicht bereuen. IT´S TIME TO RAISE THE FLAG OF HATE!
Copyright Fotos: Jörg Rambow
Hinterlassen Sie einen Kommentar.
Du musst angemeldet sein, um einen Kommentar abzugeben.