Ort: Bielefeld - Forum
Datum: 08.10.2003
Eins vorweg: Dies sollte meine erste livehaftige Begegnung mit den umstrittenen Slowenen werden und ich war sehr gespannt, was sich denn nun alles auf der Bühne abspielen würde. Anlass für eine Tour bot das neue Album „WAT“, der erste richtige Studio-Output seit Jahren. Eigentlich ein Kuriosum: Das Forum in Bielefeld gilt als richtig „linker“ Schuppen, ausgerechnet hier sollte „Neue Slowenische Kunst“ aufgeführt werden? Der Widerspruch wurde schon am Eingang deutlich, ein militaristisches LAIBACH-Poster neben der aufgesprühten Parole „Keine Nazis hier“… Wobei ich nicht falsch verstanden werden will, LAIBACH sind natürlich nicht rechts, sie spielen nur mit militaristischen Symbolen, privat handelt es sich um politisch und sozial sehr engagierte Menschen, wie auch ein Kollege von mir feststellte, der nachmittags schon mit dem Bassisten unterwegs war.
Da so gut wie keine Werbung gemacht wurde, war ich doch erst sehr besorgt ob der Zuschauerzahl, wurde aber eines Besseren belehrt. Mit ca. 200 Personen war das Forum angemessen gefüllt, auch ein paar recht dubios ausschauende Figuren mit schön strengen Scheiteln und Militärklamotten waren anwesend, jedem das seine. Nach einem endlosen Klassikintro in Verbindung mit einem an die Nerven gehenden Metronom war es dann endlich so weit (Vorgruppe gab es keine!). LAIBACH enterten als Quintett die Bühne, auf der lediglich die Instrumente Platz fanden, keine Banner, keine Devotionalien, kaum Symbolik. Eigentlich eine klassische Rockinstrumentierung: Gitarre, Bass, Gesang, Drums (E-Drums) plus ein Keyboard. Auch die Band selbst war nicht besonders aufreizend gekleidet. Sänger Milan Fras hatte zwar ein neckisches Fliegerkäppi auf, ansonsten regierte einfach schlichtes schwarz, wobei der Keyboarder auch direkt aus Transsilvanien hätte stammen können… Während der gesamten Performance wurde auf der Leinwand im Hintergrund eine Endlosschleife aus diffusen Militärbildern gezeigt, die wirkungsvoll das Geschehen auf der Bühne unterstützten.
Im ersten Teil des Sets gab es einige Klassiker zu hören. „In the Army now“ oder „Alle gegen Alle“ überzeugten mit dieser eigenwilligen Mischung aus Minimal-Elektronik und harten Gitarrenriffs. Nach 20 Minuten verliess Fras die Bühne und der Rest der Band gab ein nettes Instrumental zum besten. Danach wurde es noch spannender, denn jetzt wurden auch die beiden einzelnen Drums benutzt, von 2 sehr appetitlichen jungen Damen, die zum Glück bis zum Ende ihre Visitenkarte abgaben. Ihre Aufmachung: Zöpfchen und eine Art Blitzmädchen-Outfit im slowenischen Stil. Die Mädels durften ein wenig mit ihren Drumsticks spielen und auch ein paar Hintergrundvocals abgeben, dabei schauten sie ausnehmend böse. Die beiden waren perfekt synchronisiert, was im Gegensatz zu Darbeitungen einiger anderer Bands einen sehr professionellen Eindruck machte. „God is God“ und die neue Single „Tanz mit Laibach“ waren die ersten beiden Stücke mit den „Kriegsweibern“. „Tanz mit Laibach“ wurde ja vorab als Single aus dem neuen Album ausgekoppelt und basiert natürlich auf dem alten DAF-Klassiker. Live ein absolut tanzbarer Hammer mit gnadenlosen Beats. Danach spielte man sich so ziemlich durch das komplette neue Album, welches den meisten (auch mir) noch nicht sonderlich geläufig war. Der Stimmung tat das keinen Abbruch, da die Rhythmik zumeist sehr eingängig (nicht einfach) ausfällt und die Band allein mit ihrer optischen Präsenz für Begeisterung sorgt. Ansagen oder irgendeine Art der Kommunikation mit dem Publikum gab es nicht, stattdessen klinische Kälte und militaristisches Feeling. Zu den neuen Stücken gehörten z.B. „Achtung!“, „Du bist unser“ und „Das Spiel ist aus“, leider wurde auf den Klassiker „Live is Life“ verzichtet (obwohl lautstark gefordert). Dafür gab es im Zugabenteil mit „Sympathy for the Devil“ ein Wiedersehen mit der eigenwilligen Stones-Coverversion. Danach verliess man die Bühne und dem Auditorium wurde noch ein Techno-Remix von „Tanz mit Laibach“ in dröhnender Lautstärke um die Ohren gehauen, dabei blieben die meisten wie angewurzelt stehen und huldigten in Gedanken noch einmal der unglaublichen Energieleistung einer außergewöhnlichen Band.
Mein persönliches Fazit: Ich habe selten so intensive und im Endeffekt auch innovative Musik gehört, die noch dazu auf solch raffinierte und pompöse Art und Weise vorgetragen wurde. Härte und Tanzbarkeit gingen hier eine fast einmalige Symbiose ein. Übrigens sind die Slowenen auch Meister des Merchandising, wie man am Schuhputzset „Glanz mit Laibach“ erkennen konnte, das mir mit 50 Euro aber zu teuer ausfiel… Irgendwie auch ein gutes Motto für den knapp 90 minütigen musikalischen Abend: „Glanz mit Laibach“…
Copyright Fotos: Jörg Rambow
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