Ort: Hamburg - Markthalle
Datum: 07.12.2006
Am 07.12.2006 stand LAIBACHs erster Deutschland-Gig zur aktuellen VÖ „Volk“ an. Dieses Album widmet sich auf 14 Tracks dem Thema Nationen, deren Innen- und Außenansicht, dabei bedienen sich LAIBACH der Identifikationsmelodie einer Nation, ihrer jeweiligen Hymne. Wer die Slowenen kennt, weiß, dass alleine diese Tatsache schon für genügend kontroverse Ansätze sorgt. Relativ früh war ich an diesem verregneten Dezembertag in der Markthalle angekommen, zwar war sie schon eine gewisse Zeit geöffnet, doch erstaunlicherweise konnte ich max. 30 Personen zählen, von denen sich relativ viele am Merchandisestand tummelten. Traditionell findet man dort eine große Auswahl vor und man konnte so zwischen einigen T-Shirts, Postern, Puzzeln und ähnlichen Dingen wählen. Unglaublicherweise bekam man seine gekauften Waren mit Kassenzettel, auf dem genau aufgeführt war, was man denn nun gekauft hat. Das war fast schon perfekte deutsche Gründlichkeit.
Da noch einige Minuten bis zum Beginn zu überbrücken waren, wurde es Zeit für ein Bier. Nachdem meine Frage nach einem FlaschenBecks einen bösen Blick zur Folge hatte, fiel mir siedendheiß ein, dass Hamburger wahrscheinlich nicht so viel Wert auf Bier aus Bremen legen und so gab’s halt ein Astra. An der Theke wurde ich noch in ein nettes Gespräch verwickelt, in dessen Verlauf ich erfuhr, dass mein Gegenüber LAIBACH seit der Gründung 1978 kennt und dass sie ihr erster Auslandsauftritt nach Beirut führte. Ich hab’s mir verkniffen zu sagen, dass LAIBACH erst im Juni 1980 gegründet wurden. Allmählich füllte sich auch die Markthalle immer mehr, wie immer zieht LAIBACH ein sehr facettenreiches Publikum an, der ein oder andere hätte auch sogar ohne weiteres auf ein PUR Konzert gepasst. Schlussendlich schätz ich, dass ca. 700 Zuschauer da waren.
Um 21 Uhr sollte es losgehen, doch da es (mal wieder) keine Vorband gab, kam das Auditorium erstmal knapp 40 Minuten in den „Genuss“ von slowenischen Partisanenliedern aus dem zweiten Weltkrieg. Dann war als erstes die deutsche Nationalhymne zu vernehmen, welche schließlich auf „Germania“ einstimmen und hinführen sollte. Insgesamt waren LAIBACH zu fünft auf der Bühne, wie immer bis auf Sänger Milan Fras bestehend aus Gastmusikern. Für die weiblichen Gesangsparts und Bedienung des Sequenzers war Mina Spieler zuständig, die ihr Hauptaufgabenfeld bei der Band MELODROM hat. Bis auf die Hymne „NSK“ wurde das Album komplett von LAIBACHs Landsleuten SILENCE eingespielt und deren Komponist Primos bediente einen Synthesizer im Hintergrund. Im weiteren Verlauf wurden die Songs in der Reihenfolge vorgetragen, wie sie auch auf dem Album zu finden sind. Im Hintergrund waren passende visuelle Animationen zu sehen, so zum Beispiel bei „Germania“ schwarz/ weiße Bildfolgen, die einen Bezug zur Wirtschaftswunderzeit herstellten. „America“ wurde mit der Weite des Landes, Kornfeldern etc. dargestellt und wenn der ein oder andere Zuschauer während des Gigs doch Schwierigkeiten hatte, das entsprechende Land zu erkennen, gab es Hilfe, indem die passende Flagge zu sehen war, natürlich alles untermalt mit dem martialischen LAIBACH-Emblem, welches neben einigen Schafen das Cover von „Volk“ ziert. Auch das wohl wieder ein kleiner sarkastischer Seitenhieb der Osteuropäer, stehen sie doch vielem, was in diesen Ländern passiert, kritisch gegenüber und geben textlich recht deutlich ihren Senf dazu. Fast könnte man es so interpretieren, dass LAIBACH sich über diese Völker stellen wollen und rein philosophisch gesehen, einen ähnlich erhobenen Zeigefinger präsentieren, wie es die Amerikaner tun. Sich dieser Arroganz und Tatsache aber wesentlich bewusster sind als so manch amerikanischer Politiker.
Musikalisch war der Gig sehr an den Originalen ausgerichtet, hier gab es wohl auch nicht viele Freiräume um zu experimentieren. Während auf der recht technoiden WAT-Tour jedoch Gitarren zum Einsatz kamen, verzichteten LAIBACH hier völlig auf dieses Stilmittel. So besaß dieser Part des Konzertes eine sehr klassische Note, wie immer trug Milans dunkle Stimme dazu bei, den Stücken Tiefe zu geben. Als Gegenpol dazu diente die zarte und zerbrechliche Stimme von Mina, die nicht nur einen optisch hervorragenden Eindruck machte, sondern auch durch ebensolche Stimmlagen zu überzeugen wusste. Bis auf wenige Stücke lieh auf dem Album Boris von SILENCE den Kompositionen seine Stimme, hier konnte er leider nicht mit dabei sein, und so kam sein Part vom Band. Da die Lieder alle eher ruhig gestaltet sind, war es klar, dass im Publikum nicht viel bis gar keine Bewegung war. Dennoch wurden alle Titel mit ordentlichem Beifall bedacht. Alte Songs wurden nicht eingebaut, dies hätte aber auch den Konzeptansatz zerstört. Mit der Dauer war aber die Darbietungsweise etwas anspruchsvoll und ein wenig machte sich bei mir Müdigkeit breit und nicht die gesamte Zeit war der Wille da, konzentriert folgen zu wollen oder zu können, „Nippon“ war so ruhig, dass sich Drummer Janez eine Pause gönnen durfte. Ebenso wie auf dem Album fielen live „Yisra’el“ und „Türkiye“ besonders ins Auge, wenn z.B. die israelische und palästinensische Flaggen mit Textpassagen wie „Our hope will not be lost, the hope of 2000 Years, to be a free nation in our own homeland“ oder den Worten „organic revenge“ zu sehen sind, kann man förmlich die Widersprüchlichkeit und Zukunft dieser Region erahnen. „Türkiye“ wurde visuell deutlichst dem geistigen Gründer Atatürk gewidmet. Auch wenn LAIBACH wohl ewig faschistoides Gedankengut nachgesagt werden wird, allein die Auseinandersetzung mit dem einzelnen Charakteristika der performten Länder lässt eigentlich nur den Schluss zu, dass LAIBACH für solches Gedankengut viel zu schlau sind. „NSK“, die Hymne ihres virtuellen Staates beendete quasi mit Pauken und Trompeten den ersten Teil des Sets.
Nach einigen Minuten Erholung fürs Publikum und vorgenommener Umbaupause schien es so, als ob LAIBACH nun noch das Publikum für ihre Geduld belohnen wollten. Ruhe wurde gegen Beat und Tanzbarkeit getauscht und was konnte da besser den Anfang machen als das förmlich zu Bewegung prügelnde „Tanz mit Laibach“. Auch Milan merkte man an, dass dieser Part des Konzertes ihm ein wenig mehr zusagte, auch wenn er sich nie sonderlich viel bewegt oder gar ein freundliches Gesicht machen würde, er wirkte etwas gelöster. An den links und rechts aufgebauten Drums wieder tatkräftig unterstützt von Eva und Natasa, deren mit militärischer Präzision durchgeführte Choreographie jeden Tanzlehrer vor Neid sterben lassen würde. Weiter ging’s bis auf „Alle gegen alle“ mit Stücken der „WAT“ und mit „Das Spiel ist aus“ war der Tanz aus. Ähnlich wie auf der letzten Tour, dort mit dem „Wir tanzen Ado Hinkel“ Remix von „Tanz mit Laibach“ wurde hier ein Medley (u.a aus „WAT“, „Wirtschaft ist tot“ oder „God is god“), für welches sich der Künstler Iztok Turk verantwortlich zeigt, genutzt, um sich noch mal dem Publikum zu präsentieren und sich gebührend zu verabschieden und feiern zu lassen.
Auch wenn die Live-Umsetzung des „Volk“-Konzeptes sich naturgemäß etwas schwierig gestaltete, sorgte der Zugabenblock dafür, dass Konzert deutlich überdurchschnittlich werden zu lassen. Zwar bekam man in diversen Feuilletons der Printmedien mal wieder eine sehr negative Sichtweise geschildert und die Leute, denen die Show gefiel, wurden so dargestellt, als ob bei ihnen irgendwas „falsch“ läuft, dass sie sich überhaupt mit „so was“ identifizieren können. Aber in Zeiten engstirniger Medien, die den Menschen mit tumber Unterhaltung Marke Bild, RTL 2, Überfall auf Bohlen… unterhalten oder manipulieren wollen, ist es kein Wunder, dass Bands wie LAIBACH einen schlechten Stand haben. Ist schließlich gefährlich, wenn Menschen sich ein eigenes Bild machen wollen, sich mit anderen Dingen beschäftigen und auf das was ihnen mediengerecht in kleinen Häppchen präsentiert wird keine Lust haben.
Setlist
Germania
America
Anglia
Rossiya
Francia
Italia
Espana
Yisra´el
Türkiye
Zhonghuá
Nippon
Slovania
NSK
Tanz mit Laibach
Alle gegegen alle
Du bist unser
Hell:Symmetry
Achtung!
Das Spiel ist aus
Laibach Medley
Copyright Fotos: Michael Specht
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