Konzert Filter

LES HOMMES SAUVAGES

Ort: Borgholzhausen - B3

Datum: 09.09.2005

Wilde Menschen in Borgholzhausen, wann hat es das schon mal gegeben? Jedenfalls stand an diesem lauwarmen Freitag Abend ein weiteres Konzert aus der Rubrik „Lass dich überraschen“ auf dem Plan. Der Name LES HOMMES SAUVAGES (guter Titel für einen existentialistischen Kannibalenfilm!) war mir zwar irgendwo schon mal begegnet, aber erst ein Blick auf die Homepage brachte Fakten, Fakten, Fakten. 1999 gegründet besteht der engere Kern der Berliner aus den beiden Gitarristen/ Vokalakrobaten Viola Limpet (TUMBLING HEARTS) und Kristof Hahn (Ex-SWANS) sowie dem überaus renommierten Schlagzeuger Thomas Wydler (NICK CAVE & THE BAD SEEDS) und Adrian Hörcher am Bass. Hin und wieder ergänzen auch Gastmusiker das Ensemble, für den heutigen Auftritt war man in Quartettstärke und mit Live-Drummer Anthony Piretti aus der Hauptstadt angereist, wofür man immerhin 7 Stunden benötigte.

Das Borgholzhausener B3 ist sozusagen eine Bahnhofskneipe und liegt mithin direkt an den Schienen, welche der Haller Wilhelm seit geraumer Zeit wieder bevölkert. Poetische Menschen würden das ganze vielleicht „malerisch“ nennen, auf jeden Fall ein schönes Ambiente, welches im übrigen von einer Arbeitslosenselbsthilfe betrieben wird. Die hatte den morgigen Auftritt von LHS im Bielefelder Extra als Anlass genommen, mal ein wenig Großstadtflair in das ansonsten doch recht verschlafene ostwestfälische Städtchen zu holen. Während Cabaretveranstaltungen hier recht gut besucht sein sollen, wie man mir versicherte, war der heutige Andrang mit etwa 30 zahlenden Gästen doch irgendwie ausbaufähig. Die Musiker taperten derweil schon durch die Gegend, und besonders Frau Limpet erwies sich als ausgesprochen charmante Plaudertasche, die keinesfalls die Nase weit über dem Boden trägt. Nach einem Interview mit der ortsansässigen Regionalzeitung ging es dann kurz nach 22 Uhr endlich los.

Auf der engen Bühne waren 4 Stühle platziert, also entstand das, was man in Fachkreisen so gerne „intime Atmosphäre“ nennt. Die Zuschauen saßen ebenfalls ausnahmslos und hielten einen kleinen Sicherheitsabstand, quittierten die einzelnen Songs aber sehr wohlwollend. Die Musik der Truppe würde ich mal als MADRUGADA meets Leonard Cohen meets Johnny Cash bezeichnen. Mal rockig, mal gefühlvoll melancholisch mit zumeist doppelstimmigen Vocals, die einen besonderen Reiz ausübten. Der überaus amüsante Hahn (mit Ziegenbärtchen) verglich seine Musik mit einer „Bergwanderung bei einsetzendem Gewitter mit gleichzeitigem Wechsel der Sexualität“ – Aha! Auch sonst konnten seine mehrsprachigen Ansagen überzeugen, hier waren echte Profis am Werk. Bei der Wertung für die maximal möglichen Sitzpositionen bei gleichzeitiger Bedienung einer Gitarre dürfte der Herr ebenfalls ganz vorne mitmischen. Zur dreisprachigen Setlist gehörten Songs der in Eigenregie entstandenen CD „Playtime“ (auch als Vinyl erhältlich) wie „Les Lettres“, „Regenland“ oder „Sandmann“, letztgenanntes Stück passte lyrisch wie gemalt zur Szenerie, zu der sich hin und wieder auch ein vorbeifahrender Zug gesellte. Spannend auch die Coverversionen: „Cigarette“ (Jacques Higelin), „Mr Limpet“ (THIN WHITE ROPE) oder “Remake/ Remodel” (ROXY MUSIC) wurden perfekt in den eigenen Soundkosmos adaptiert. Bemerkenswert übrigens der gute Sound, denn ein gewisser Herr Schröder den Speakern entlockte. Kristof, der des öfteren vor der neoliberalen Gefahr warnte, dazu: „Er heißt so wie unser nächster Bundeskanzler“ – Da hat aber noch jemand Visionen:)

Nach 70 Minuten und einer kurzen Bandvorstellung war das Ereignis schon wieder beendet, ohne Zugabe, die aber auch kaum richtig Sinn gemacht hätte. Wieder einmal ein intensives, ungewöhnliches Klangerlebnis an ungewöhnlicher Stätte… der Rückweg führte vorbei am Schnitzelparadies und widerlichen Westerwelle-Plakaten…

Copyright Fotos: Karsten Thurau

Es ist noch kein Kommentar vorhanden.

Hinterlassen Sie einen Kommentar.

Mehr zu LES HOMMES SAUVAGES auf terrorverlag.com