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MADRUGADA

Ort: Köln – Carlswerk Victoria

Datum: 20.02.2019

An diesem Mittwochabend sah man nicht wenige Menschen in den Vierzigern ziemlich planlos auf dem alten Werksgelände von Felten & Guilleaume in Köln-Mülheim herumirren. Dafür gab es einen ganz besonders guten Grund, denn MADRUGADA spielten dort im Carlswerk Victoria, das nicht unbedingt auf Anhieb zu finden war. Die Location hat erst im vergangenen Herbst ihre Pforten geöffnet und auch wenn die einzelnen Gebäude durchnummeriert sind, war es bei der Größe der ehemaligen Industrieanlage eine gewisse Herausforderung, die mit 1.600 Besuchern restlos ausverkaufte Konzertstätte zu finden.

Das Suchen hatte sich jedoch allemal gelohnt, denn Sivert Høyem (Gesang & Gitarre), Frode Jacobsen (Bass) und Jon Lauvland Pettersen (Drums) sowie deren Live-Unterstützung Christer Knutsen (Tasten & Gitarre) und Cato Salsa Thomassen (Gitarre) verzauberten ihre Fans nicht nur mit den Songs des ersten MADRUGADA-Album „Industrial Silence“, das 1999 veröffentlicht wurde und Anlass für die Re-Union und Tour war. Sivert, Frode und Jon zählten 1995 zu den Gründungsmitgliedern der Kapelle, die 2008 auf Eis gelegt wurde, nachdem ein Jahr zuvor der Gitarrist Robert S. Burás mit nur 31 Jahren verstorben war. Nach dessen Tod erschien 2008 noch der selbstbetitelte fünfte Longplayer und über die Jahre hatte Sivert Høyem auch immer MADRUGADA-Stücke in seiner Solo-Setlist, die auch stets mit Begeisterung vom Publikum aufgenommen wurden. Deshalb sparte das Auditorium auch bereits beim gefühlvoll eröffnenden „Vocals“ nicht am Beifall und wurde mit einem großartigen Vortrag der gesamten „Industrie Silence“ belohnt. So übernahm zunächst „Belladonna“ mit viel Druck und jaulenden Gitarren, ehe für „Higher“ die Stage in blaues Licht getaucht wurde und coole Instrumentalparts für ein krachendes Finale sorgten. Flirrende Langäxte und versponnen-treibende Melodien prägten derweil „Sirens“, bevor „Shine“ mit Christer an der Slideguitar für einen besonders emotionalen Moment sorgte. Orangefarbene Lichtbündel ließen die Bühne beim großartigen „This Old House“ erstrahlen, für das der Frontmann zur Akustik-Klampfe gegriffen hatte, die er auch beim fordernden „Strange Colour Blue“ zum Einsatz brachte. Während die Stage im Dunkeln lag, leuchtete Sivert mit einer starken Taschenlampe in die Zuschauerschaft, die das Lied und die Performance in der gebührenden Form abfeierte. Gleiches galt auch für das krachende „Salt“ und erst recht für das rhythmusbetonte „Norwegian Hammerworks Corp.“. Zwar ging der sonore Gesang hier ein wenig unter, aber das machte der sonst stimmgewaltige Glatzkopf an dieser Stelle mit seinem Glitzer-Sakko wieder wett. Beim bassbetonten „Beautyproof“ hatte er sich dieses speziellen Kleidungsstücks allerdings bereits wieder entledigt und den visuellen Part übernahmen einmal mehr die Video-Installationen, die im Hintergrund zu sehen waren. „Quite Emotional“ zählt nach eigenem Bekunden zu den Band-Favoriten und der Name beschreibt die Nummer so treffend, dass ich gar keine weiteren Worte verlieren muss. Weiter ging’s mit dem smoothen „Terraplane“, das insbesondere von Pettersens Schlagwerk getragen wurde. Als „most miraculous“ bezeichnete Kollege Høyem „Electric“, das noch einmal mit dem großen MADRUGADA-Emo-Besteck zu Herzen ging und mit einem Lichtermeer auf der Leinwand das Gefühl widerspiegelte, das die Band beim Schreiben und ersten Spielen des Songs im Proberaum hatte.

70 Minuten waren inzwischen wie im Fluge vergangen und die Langrille „Industrial Silence“ nach allen Regeln der Kunst zelebriert worden. Aber natürlich gab es noch weitere MADRUGADA-Stücke von den übrigen vier Platten, die nicht ungespielt bleiben konnten. So startete der Zugabenblock mit dem kraftvollen „Black Mambo“ vom 2001er „This Nightly Disease“, von dem Sivert Høyem annimmt, dass es nur in Deutschland Fans hatte. Ob dem wirklich so war, vermag ich nicht zu sagen, ich mochte die Scheibe auf jeden Fall schon immer und die Reaktionen auf das mitreißende „Hands Up – I Love You“ von eben diesem Silberling sagen mir, dass ich nicht im Carlswerk nicht die einzige war, der es so ging. Ein weiterer Titel dieser VÖ war „Only When You’re Gone“, das mit einem getragenen Rhythmus zu einem opulenten Finale ausholte, um dann an das melancholisch-schöne „What’s On Your Mind?“ vom „Madrugada“-Album abzugeben. Zarte Cembalo-Klänge trafen hier auf Catos markige Gitarre – ein wahrhaft einnehmendes Zusammenspiel, das viel Applaus erntete. Nun stand mein ganz persönliches Highlight auf dem Programm: „Majesty“ vom 2002er „Grit““ Die Nummer sorft immer wieder aufs Neue für wohlige Gänsehaut-Momente und ist einfach zum Heulen schön. „The Kids Are On High Street“ („The Deep End“ – 2005) steht dem allerdings praktisch in nichts nach und natürlich kamen die Anwesenden an dieser Stelle auch der Aufforderung zum Mitklatschen nach, um dann mit „Valley of Deception“ nach zwei Stunden Spielzeit ein großartiges Finale mit viel Gefühl und Bläser-Verstärkung zu erleben.

MADRUGADA kommt aus dem Spanischen bzw. Portugiesischem und bedeutet „Morgengrauen“. Tatsächlich stammt die Kapelle jedoch aus Norwegen und bringt diese ganz spezielle skandinavische Melancholie zu Gehör, die mich bereits vor 20 Jahren gefangen genommen hat. Von diesem Zauber ist über zwei Dekaden nichts verloren gegangen und so war dieses Konzert nicht nur ein Schwelgen in der Vergangenheit, sondern ein großartiger Musikgenuss, der vielleicht ja auch seine Fortsetzung in einer neuen MADRUGADA-Platte findet?

Setlist

  • Vocal
  • Belladonna
  • Higher
  • Sirens
  • Shine
  • This Old House
  • Strange Colour Blue
  • Salt
  • Norwegian Hammerworks Corp.
  • Beautyproof
  • Quite Emotional
  • Terraplane
  • Electric
  • Black Mambo
  • Hands Up – I Love You
  • Only When You’re Gone
  • What’s On Your Mind?
  • Majesty
  • The Kids Are On High Street
  • Valley of Deception

Copyright Fotos: Daniela Vorndran

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