Ort: Hannover - Musikzentrum
Datum: 30.04.2007
Für den Tanz in den Mai hatten wir Terrorverleger uns heuer in die niedersächsische Landeshauptstadt begeben, wo als Live-Auftakt der DEPECHE-MODE-PARTY im Musikzentrum MELOTRON aus Neubrandenburg aufspielen sollten. MELOTRON hatten Anfang des Jahres noch ihr Heimatbundesland Mecklenburg-Vorpommern bei Stefan Raabs Bundesvision Songcontest vertreten dürfen und dadurch ihren Bekanntheitsgrad ein wenig erhöhen können, so dass man gespannt sein durfte, wie viele Zuschauer man an diesem sonnigen Montagabend ins Musikzentrum locken würde. Und siehe da: Der Laden war mit rund 200 Leuten gut gefüllt, was vielleicht zum Teil an LAVANTGARDE lag, die wie es schien aus dem benachbarten Hildesheim mit Fanclub angereist waren, um als erste aufzuspielen.
Zumindest zeigten sich viele der Anwesenden sehr textsicher bei den Songs von Frank Lavant (Gesang und Texte) und Nick Gold (Keys, Drums und Musik), die inzwischen schon seit über zehn Jahren elektronische Musik machen. Sie selbst bezeichnen ihren Stil als „Emotional Electronic Dance Music“ oder einem Mix aus PET SHOP BOYS und WOLFSHEIM mit einem Schuss SCOOTER. Zumindest an Sänger Neil Tennant von den PET SHOP BOYS fühlte ich mich besonders beim ruhigeren Stück „Dedicated“ erinnert. Ansonsten gab sich das Duo eingängig und tanzbar und präsentierte überwiegend Stücke von der 2004er-VÖ „Inside Out“, wie beispielsweise die Singleauskopplung „Take Me S.I.M.“, die Frank für ein Bad in der Menge nutzte und einige Minuten seinen erhöhten Arbeitsplatz verließ. Mit dem ausklingenden Gitarreneinspieler vom Band war der Song ein Highlight des Sets, aber schon zum Opener „Our Fate“ oder „Recall of Night“ gingen die Hannoveraner (+ Zugereiste) gut ab. Frontmann Lavant macht es auf der Stage aber auch bestens vor und wirbelt von rechts nach links und wieder zurück – immer den Kontakt zu den Fans suchend. Die dankten den Körpereinsatz bei „Airs And Graces“ dann auch mit begeistertem Mitsingen- und klatschen und erfreuten sich an der gelungenen Lightshow. Mit Vollgas (O-Ton Frank) beendete „Not Enough“ den 50-minütigen LAVANTGARDE-Auftritt um 21.25 Uhr, der trotz lauter Zugabe-Rufe nicht verlängert wurde. Ein straffer Zeitplan musste eingehalten werden, schließlich sollte um 23.00 Uhr schon die DM-Party starten und vorher standen noch MELOTRON auf dem Zettel.
Die ließen dann auch gar nicht lang auf sich warten und enterten um 21.45 Uhr in gewohnter Arbeitskleidung (rotes Oberteil, schwarze Hose) die Bühne. Leider ohne die Dame am Schlagzeug, die bei Herrn Raab für den richtigen Rhythmus und einen weiteren Blickfang sorgte. Stattdessen starteten Sänger Andy Krüger mittig, Edgar Slatnow links und Kay Hildebrandt rechts etwas im Hintergrund an den Synthesizern mit der neuen Single „Liebe ist Notwehr“ vom aktuellen Werk „Propaganda“, dem auch „Lebe ungewöhnlich“ entnommen wurde. Der Song klingt zu fast 100 % nach DEPECHE MODE und passte entsprechend gut zum Motto des Abends. Die Gäste zeigten sich auch durchaus schon tanzbereit, verwunderten allerdings teilweise auch mit Sprechgesängen wie „Du hast die Haare schön!“ oder „Wir wollen den Andy sehen!“, die ich doch eher von anderen Veranstaltungen kenne. Doch zurück zur Musik! Edgar verwöhnte uns bei „Gläserne Zeiten“ mit einem Solo auf seiner Roland SH-201 und mit „Du bist es nicht wert“ bewegten wir uns ein ganzes Stück zurück in der MELOTRON-Vergangenheit. Das Trio ist nun auch schon seit zwölf Jahren aktiv, mit „Mörderwerk“ erschien 1999 das erste Album, ein Jahr später kam bereits „Fortschritt“, von dem auch „Du bist es nicht wert“ stammt. Mit „Menschenfresser“ – ein RIO REISER-Cover – folgte schon mein persönlicher Favorit des Abends. Neben der allgegenwärtigen Tanzbarkeit der MELOTRON-Songs ist dieser Titel einfach noch bissiger und härter und auch die Live-Performance ließ wieder keine Wünsche offen (nur hatte der gute Andy sympathischerweise ein paar Textzeilen vergessen). Während die Männer an den Tasten sich eher zurückhielten, stolzierte und tanzte Andy während des gesamten Auftritts über die Stage und bot einen Anblick, der an einen temperamentvoll-feurigen Flamencotänzer erinnerte. So sollte es auch mit „Mein Herz“, dem Songcontest-Beitrag, weitergehen. Auch im Auditorium standen die Beine nicht mehr still, die ersten Töne von „Arroganz der Liebe“ wurden mit wildem Klatschen in den ersten Reihen quittiert, bevor es mit „Halt mich fest“ etwas ruhiger ward im düsteren Musikzentrum. Doch schon mit „Gib mir alles“ ging wieder die Post ab und auch Andy war inzwischen vor lauter Tanzerei das rote Hemd aus der Hose gerutscht. Zur aktuellen Walpurgisnacht passte „Tanz mit dem Teufel“ natürlich hervorragend und der Aufforderung wurde weiterhin zahlreich nachgekommen. Auch die MELOTRON-Fans zeigten sich versiert und wussten bei „Brüder“ ohne große Aufforderung, welche Armbewegungen von ihnen erwartet wurden. Die Stimmung kochte, Sauerstoff war kaum noch in der Luft, da bedeutete Andy, dass mit „Vaterland“ der letzte Song gekommen sei. Tatsächlich war es auch schon fast 23.00 Uhr, doch ohne eine Zugabe ließ man die ostdeutsche Antwort auf DEPECHE MODE natürlich nicht ziehen. Uns erwartete neben Dunkelheit und aufziehendem Trockennebel noch „Der blaue Planet“ vom Debüt und „Wohin“ von der 2002 erschienenen „Weltfrieden“. Zwar wollten sich viele auch danach noch nicht zufrieden geben, doch war nun endgültig die Zeit für die Konserve gekommen. Andy trocknete Edgar noch die verschwitzte Glatze, dann verabschiedete sich das Trio von ihrer Hannoveraner Gefolgschaft
Ob des langen Nachhauseweges verabschiedeten wir uns ebenfalls, wohlwissend, dass MELOTRON eine deutlich bessere Platzierung beim Songcontest verdient gehabt hätten und um einen gelungenen Synthie-Pop-Konzertabend reicher.
Setlist LAVANTGARDE
Our Fate
Recall of Night
Live Your Life
Silent Earth
Dedicated
Take Me S.I.M.
Airs And Graces
Secret Smile
Things Have Changed (Again)
Not Enough
Setlist MELOTRON
Liebe ist Notwehr
Lebe ungewöhnlich
Gläserne Zeiten
Du bist es nicht wert
Menschenfresser
Das Herz
Arroganz der Liebe
Für Dich gestorben
Halt mich fest
Gib mir alles
Wünsch mich nicht zurück
Tanz mit dem Teufel
Brüder
Vaterland
Der blaue Planet
Wohin
Copyright Fotos: Karsten Thurau
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