Ort: Hamburg - MarX
Datum: 26.02.2008
Und der Weltrekord geht nach: HAMBURG!
Die kleinste „Wall of Death“ wurde am 26.02.08 im beschaulichen MarX uraufgeführt. Wagemutig stürzten sich ca. 8 Menschen Lemming-gleich den Abgrund hinunter und sahen dem Tode, für einen bangevollen Augenblick, ins trübe Augenlicht. Alle beteiligten Personen sind wohlauf, mussten aber ihrer Mutter versprechen, diese wagemutigen Auswüchse jugendlichen Leichtsinns nicht als Profession weiter zu betreiben… Eins kann man wahrlich nicht behaupten: Dass die Anwesenden an diesem Tag keinen Spaß gehabt hätten. Die grob geschätzten 100 Leutchen haben das Beste aus diesem Abend herausgeholt, auch wenn es bei dem grandiosen MISERY SPEAKS (mal von der ultralustigen Wall of Death abgesehen) Auftritt ein wenig mehr hätte sein können. Da musste die Band halt selbst für Entertainment auf der Bühne sorgen. Vielleicht braucht es immer noch eine zugkräftige Band aus Amiland, um unter Woche mehr Leute zu ziehen, denn der Prophet gilt ja oft im eigenen Lande nichts (seien wir so nett und zählen die Melange-Trinker von THE SORROW einmal dazu).
Auf jeden Fall gab es an diesem Abend eine tolle Mischung aus den verschiedenen Strömungen des Metals, was für einen sehr kurzweiligen Gig sorgte. Beginnen sollte die diesjährige Inkarnation des Hellfests aber mit den PANTERA-Power-Metal-Jüngern von GRANTIG. Und um gleich mit dem unsterblichen OTTO-Gag überzuleiten: “Was!? Noch jünger!?“
GRANTIG
Dies war nämlich mein erster Gedanke, als ich die doch wirklich noch sehr jungen Bajuwaren auf der Bühne sah. Aber verdammt tight und obendrein außergewöhnlich gut sind sie auch noch. Die knochentrockenen Riffs flogen zentnerweise aus den Dimebag Darrell Gedächtnis-Gitarren. Gitarrist Jonas Windwehr gab dazu mit seinen halblangen Haaren den Propeller, während Bassist Alex Negret ständig am vordersten Bühnenrand zu finden war um die bereits Anwesenden mit seinen Blicken herauszufordern. Schlagzeuger Jan Vogelbacher sorgte für den trockenen, präzisen Beat und war mitverantwortlich für das unaufhörliche Kopfnicken meinerseits. Frontmann Jonathan Schmid schafft es bereits mit Bravour seine heftigen Gitarrenparts und seine charismatischen Vocals gleichzeitig unter einen Hut zu bringen. Die Stimme klingt auf jeden Fall nach mehr Jahren im Rock ’n’ Roll Business, als die Band an Lebensjahren auf dem Buckel hat. Respekt. Nur an einziger Stelle merkt man der Band noch ein wenig Unsicherheit an: Eine relativ statische Bühnenshow. Dies kann natürlich auch an der undankbaren Aufgabe eines Openers liegen oder daran, dass nicht viele Zuschauer mit dem Material der Band vertraut und die Reaktionen dementsprechend verhalten aber dennoch freundlich gesinnt, waren. Jedenfalls ging da nicht viel auf der Bühne. Dennoch haben die Jungs mich nach dem überzeugenden Erstling „So muss es sein“ auch live überzeugt, denn musikalisch lassen die Münchener nichts anbrennen und gehören definitiv schon jetzt zur ersten Liga hart rockender Bands, die mit der deutschen Sprache ein packendes Bündnis geschlossen haben.
THE SORROW
Das überwiegend jugendliche Publikum schien augenscheinlich hauptsächlich wegen den Metal-Corelern von THE SORROW gekommen zu sein, denn bereits zu den ersten Takten wurde ein lebendiger Mosh-Pit in Gang gesetzt. Dem stillen Beobachter fiel als erstes die stilsichere Kleidung der Österreicher auf: MORBID ANGEL und KREATOR Shirts und JUDAS PRIEST Gürtelschnalle zeugen schon einmal von einer grundsoliden musikalischen Sozialisation. Nachdem mir die Debüt CD „Blessings from a blackened Sky“ nicht weiter aufgefallen ist (in keinem negativen oder positiven Sinne), werde ich die Scheibe wohl doch noch einmal herauskramen müssen, denn das war ganz ordentlich, was die Jungs da auf der Bühne fabriziert haben. Sänger Mätze agiert variantenreich und verbreitet eine positive Grundstimmung und Songs wie „From this life“ zeigen in der Live-Situation ihre wahren Qualitäten, auch wenn da heftig in KILLSWITCH ENGAGE Gefilden gefischt wird. „Knights of Doom“ thrasht dafür an jeder Ecke und Kante und macht ebenfalls eine Menge Spaß. Die Breakdowns tun ein Übrigens und schwuppdiwupp ist der Kopf in Bewegung. Dreh- und Angelpunkt der Band ist aber Bassist Tobi, der wie ein Derwisch durch die Gegend springt und seine Energie kaum verarbeiten kann. Sehr sympathisch der Mann, macht absolut Laune ihm beim abrocken zuzusehen. Ab Mitte des Sets lässt Schlagzeuger Dominik T-Shirt T-Shirt sein und drumt mit freiem Oberkörper. Trotzdem schleichen sich, bei einem ansonsten druckvollen Schlagzeugspiel, einige Unsauberkeiten und Verspieler ein. Die Fans gehen die ganze Zeit gut mit und haben eine Menge Spaß im Pit und das komplett befreit von grenzdebilen Fliegenfängern. Good old fashioned fun on the dance floor… Selbst zu einer Zugabe kann die Band noch bewegt werden. Und wenn ich mich nicht total verhört habe, gab es noch ein kurzes AMON AMARTH Cover („Pursuit of Vikings“ glaube ich…) Guter Auftritt einer guten Band, die energievoll zu Werke geht und doch um einiges authentischer herüber kommt als ein Gros der Metal-Core-Epigonen.
MISERY SPEAKS
Dass Münster neuerdings in Schweden liegt, war mir auch relativ neu, aber MISERY SPEAKS sind definitiv in einen Brunnen, der gefüllt mit flüssigem Elch-Tod gewesen sein muss, gefallen. Da bleibt keine Haarzelle im Innenohr unberührt und sendet Notsignale ans Gehirn. Der Hammer, meine Herren! Nur haben die Hellfest Macher die Popularität der Bands ein wenig falsch eingeschätzt, denn nach dem Auftritt von THE SORROW waren nur noch gefühlte 50 % der Zuschauer anwesend. Schade für MISERY SPEAKS, die sich davon aber nicht beeindrucken ließen und sich durch permanente „Hamburg! Es macht Spaß bei euch!“ Rufe, natürlich mit einem „leicht ironischen“ Unterton versehen, bei Laune hielten. Auch dem neuerdings herrschenden Rauchverbot wurde die Schuld in die Schuhe geschoben. Erstaunlicherweise kam das aber keineswegs arrogant herüber, stattdessen zauberten sie mir, mit ihrer absolut coolen Bühnenshow ein Riesengrinsen ins Gesicht. Aber der Auftritt konnte ja nur gut werden, denn wer mit „Bad Moon Rising“ von CCR (auch wenn mein erster Gedanke bei dem Song zuerst in Richtung „An American Werewolf in London“ schweift) auf die Bühne kommt, kann im Folgenden nur überzeugen. Die GUNS´N ROSES und DOWN Shirts sind da nur das I-Tüpfelchen, die dem Gesamteindruck den letzten Schliff geben. Sänger Claus Ulka ist jedenfalls der geborene Frontmann und hat mit seiner ausladenden Gestik so manchen Besucher mit einem Voodoo Zauber belegt. Bassist Martin Grossmann gibt den sympathischen Death-Metal Bären, während Florian Füntmann ein dauerschelmisches Grinsen bei dem Vermöbeln seiner Gitarre präsentiert. Stefan Gall an der zweiten Gitarre ist eher ein ruhiger Vertreter, dafür bricht Janosch Rathmer an den Drums des Öfteren den einen oder anderen Geschwindigkeitsrekord. Das Schöne an MISERY SPEAKS ist, dass trotz aller Death-Metal-Röchelei, den Songs nie der melodische Faden fehlt und die Gitarren gerne mal großartige Melodien in den Sound einweben (ähnlich wie bei THE ABSENCE). Das verschafft der Formation internationales Format und die vor Energie berstende Live-Show macht aus MISERY SPEAKS eine mehr als runde Sache. Die Band würde sich auch bei zehn zahlenden Besuchern den Arsch abspielen, soviel ist mal sicher. Trotzdem war man den Anwesenden dankbar, als diese mit der „Wall of Death“ Idee hausieren gingen. Das hat wirklich für ein paar Lacher auf beiden Seiten gesorgt. Selbst zu einer letzten Zugabe hat es gereicht, da wäre so manch andere verwöhnte Ami-Band schon zurück in den Tourbus getorkelt…
Ein schöner, entspannter Konzertabend mit drei hoffnungsvollen Bands aus dem deutschsprachigen Raum. So muss es sein!
Copyright Fotos: Michael Päben
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