Ort: Osnabrück - Halle Gartlage
Datum: 01.12.2004
Nachdem MOTÖRHEAD im vergangenen Sommer von „Rock am Ring“ bis hin zum Wacken Open Air alle größeren Festivals gespielt haben, folgte nun endlich die Tour zum im Juni erschienenen Album „Inferno“.
Statt der auf den Tourpostern angekündigten Kanadier DANKO JONES übernahmen die Schweden von THE RING die schwierige Aufgabe, die Anheizer für SEPULTURA und MOTÖRHEAD zu spielen.
Das Trio zog sich dennoch achtbar aus der Affäre. Stilistisch konnte man die Skandinavier im Bereich „Epic Power Metal“ einordnen. Der stellenweise arg hohe Gesang von Jakob Samuel sorgte allerdings bei einigen Anwesenden (die von der Stimmlage her offensichtlich eher Lemmy-artiges Geröhre bevorzugten) für entsetzte bis angewiderte Gesichtsausdrücke. Dennoch – musikalisch eine durchaus reife Leistung, zumal die Band erst vor kurzem ihr Debütalbum „Tales from Midgard“ veröffentlichte.
Danach hieß es „Vorhang auf“ für eine Band, die sich in den vergangenen Jahren aufgrund von Musikerumbesetzungen und Labelwechseln in Europa recht rar gemacht hat. SEPULTURA kamen auf die Bühne und machten unmissverständlich klar, dass sie auch (fast genau auf den Tag!) zwanzig Jahre nach ihrer Gründung noch eine absolute Macht sind. Der mittlerweile nicht mehr ganz so neue Sänger Derrick Green ist ein absolutes Powerpaket auf der Bühne, der mit seiner kraftvollen Stimme alles in Grund und Boden brüllt. Auch wenn SEPULTURA-Fans der ersten Stunde noch immer Max Cavalera hinterher heulen, der 1997 die Band verließ, muss man zugeben, dass die Brasilianer mit Derrick Green einen absolut ebenbürtigen, charismatischen Frontman gefunden haben.
Was man bei manchen Parts jedoch schmerzlich vermisste, war die zweite Gitarre. Lead-Gitarrero Andreas Kisser spielte sich zwar wie immer den Arsch ab und bangte wild über die Bühne, war aber nicht in der Lage, das eine oder andere Soundloch zu kaschieren. Die Setlist bot einen guten Querschnitt aus neueren Stücken der letzten drei Alben mit Derrick Green („Apes of God“, „Mindwar“, „Choke“), den Klassikern aus der mittleren Schaffensperiode („Slave new world“, Biotech is Godzilla“) bis hin zu „alten Schätzchen“ aus der Frühphase der Band („Troops of Doom“). Nachdem sich die Band das erste Mal verabschiedete und einige Konzertgänger bereits lautstark „MOTÖRHEAD“ forderten, enterten sie die Bühne ein zweites Mal, um den Zugabenblock in die Massen zu feuern. Und der hatte es in der Tat in sich… Ein Klassiker jagte den nächsten, Nummern wie „Territory“, „Arise“, „Dead Embryonic Cells“ und „Roots“ gehören nach wie vor zu den geilsten und intensivsten Metal-Songs aller Zeiten. Dementsprechend honorierte sie das Publikum auch. Die ersten Reihen waren ein einziger Wust aus Haaren und empor gestreckten Fäusten.
Ein Auftritt, der von den allermeisten Bands unmöglich zu toppen gewesen wäre. Da MOTÖRHEAD allerdings außerhalb jeder Konkurrenz stehen, stellte dieses naturgemäß kein Problem dar. Während sich die SEPULTURA-Jünger noch im Foyer von der schweisstreibenden Show erholten, füllte sich die fast ausverkaufte Halle Gartlage innerhalb weniger Minuten so schnell, dass man als Nachfolgender nicht mehr näher als bis ans Mischpult kam.
Mit den Worten „We are MOTÖRHEAD and we play Rock’n Roll!” eröffnete Lemmy dann erwartungsgemäß das Gastspiel in Osnabrück. Mit dem Titel „Dr. Rock“ wählten sie einen Opener, der doch eher ungewöhnlich für die Band war.
Ohne weitere Ansagen ging es direkt weiter mit „Stay Clean“ und „Shoot you in the back“, bevor ein Fan Lemmy einen Stimmungsdämpfer verpasste. Umher fliegende Bierbecher kommentierte Lemmy mit den äußerst angepisst dargebrachten Worten: „Try that again and I’ll kick your fuckin’ head off! Cunt!“ Mit „Killers“ gab es darauf folgend den ersten Song vom „Inferno“-Album. Noch kein halbes Jahr alt, aber schon ein Klassiker, wie die Reaktion der Fans bewies. Bis dahin war der Sound (respektive die Lautstärke) durchaus in Ordnung. Bis… ja, bis Lemmy der Ansicht war, das Publikum könne ihn nicht laut genug hören. Der folgenden Aufforderung an den Mischer, den Sound noch „ein wenig“ höher zu drehen, kam dieser auch unverzüglich nach. Spätestens ab diesem Moment machte sich im Publikum Unruhe breit, als ein Großteil der Besucher verzweifelt nach seinen Ohrstöpseln suchte. Das dumpfe Pfeifen in den Ohren sollte einen noch Tage später an diesen Abend erinnern…
Besonders gut drauf schien Mr Kilmister an diesem Abend nicht zu sein. Zwar ist es dieser Band ob der Klasse ihrer Musiker fast unmöglich, ein schlechtes Konzert zu spielen, dennoch wirkte der Mainman an diesem Abend eher lustlos und uninspiriert. Spontanitäet oder Lemmy’s berühmten Wortwitz suchte man in den Ansagen vergebens. Egal – man war ja schließlich wegen der Musik hier! Und da konnte man beim besten Willen nicht meckern, „Metropolis“, „No class“, Killed by death“, „Iron Fist“ – alles dabei! Während des Songs „Sacrifice“ demonstrierte Drummer Mikkey Dee eindrucksvoll, dass er definitiv einer der besten Schlagzeuger dieses Planeten ist. Wie der Mann hinter seinem Drumkit rumwirbelte, war nicht mehr von dieser Welt.
Nachdem die Show bis dahin ohne größere Überraschungen verlief, hatte man bei der ersten Zugabe „Whorehouse Blues“ vom aktuellen Album die Gelegenheit, Lemmy die Mundharmonika spielen zu sehen. Aber wer MOTÖRHEAD kennt, weiß, dass die Band niemals die Bühne verlassen würde, ohne vorher „Ace of Spades“ zum Besten zu geben. Nach „Overkill“ war dann auch das Ende dieses Abends gekommen, und die Mengen strömten fertig, aber glücklich nach Hause.
Copyright Fotos: Jörg Rambow
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