Ort: Herford - Sommerbühne
Datum: 06.07.2006
Was für ein Tag. Am Nachmittag noch im schönen Luzern am Vierwaldstättersee, dann ab in den Flieger nach Hannover und wie ein Wahnsinniger über die A2 nach Herford gebrettert. Schließlich sollte NENA, die Grand Dame der „Neuen Deutschen Welle“, schon gegen 20 Uhr die Herforder Sommerbühne eröffnen. Doch es kam anders: Als ich kurz nach 8 tatsächlich einen Parkplatz in der Nähe des Rathausplatzes fand, dröhnte zwar Musik in meine Ohren, aber das war eindeutig eine männliche Stimme. Kurzfristig hatte man nämlich noch einen Opener ins Programm genommen, der sich schon einige lokale Sporen verdient hat. GUNNAR ENNEN, seines Zeichens nicht mehr ganz behaarter Gitarrist von LICHTERLOH (siehe unseren Akustikbericht aus dem Bielefelder Movie), präsentierte sein Soloprojekt, für das er musikermässig praktischerweise auf seine Stammband zurückgriff. Im Jahre 2000 erschien ENNENs CD „Nur vom feinsten“, von der er einige Songs vorstellte, wie etwa „Vorbei“ oder „Wohin“. Unprätentiöser Deutsch Rock/ Pop mit prägnanter, leicht schräger Stimme, der durchaus einiges an Professionalität durchschimmern ließ. Auch der Umgang mit den Zuschauern verlief reibungslos, was in Anbetracht der mindestens 2000 Anwesenden beachtlich zu nennen ist. Chance genutzt kann man da nur sagen, und mit einer Coverversion verabschiedete sich die Truppe dann gegen 21 Uhr.
Danach drängte es das Publikum etwas weiter nach vorne, wenngleich man dort doch ohne Probleme einen Platz finden konnte. Der recht hohe Eintrittspreis von 38 Euro (Zitat einer potenziellen Kundin an der Kasse: „Das ist NENA nicht wert!“) verhinderte wohl eine noch größere Versammlung, zumal man auch von außerhalb des zentral gelegenen Platzes einiges an Eindrücken mitnehmen konnte. Es begann eine etwas längere Phase des Wartens, so langsam setze die Dämmerung ein, und die Uhr bewegte sich unaufhaltsam auf die große 10 zu. Dann war es aber soweit, und wie eine 18 Jährige sprang die Dame zu den Klängen von „Ich will was neues“ auf die Stage. Begleitet wurde sie von einer größeren Anzahl Musiker (die Namen John und Van sind mir insbesondere im Gedächtnis geblieben, es fehlte aber Richard Fortus, der aktuell mit den GUNS N‘ ROSES tourt!), neben 2 Gitarren, Bass und Schlagzeug gleich 2 Keyboarder. Bei „Und jetzt steh ich hier und warte“ kam dann sogar noch ein dritter Saitenhexer dazu (einer spielte Slide Guitar), was zu einem besonders fetten Sound führte. Dazu alberte Gabriele Susanne Kerner ohne Unterlass herum, robbte auf der Bühne, ließ das Publikum ganze Textpassagen mitsingen, herzte mit ihren deutlich jüngeren Kollegen herum. Wer nun gedacht hätte, hier würde eine Nostalgie Show stattfinden, sah sich alsbald getäuscht, in der ersten Hälfte des Sets befanden sich kaum ältere Titel und „Nur geträumt“ wurde zudem noch punkig bratzig heruntergespielt. Das kann sich die Sängerin aber auch leisten, denn seit ihrem Quasi Comeback vor ein paar Jahren begeistert sie die Menschen – mit neuen Songs – immer noch bzw. wieder. Welcher „80er Künstler“ kann das heutzutage schon noch von sich behaupten? In 4 Jahren wird die Frau mit der schwarzen Mähne 50, das sah man ihr aber in keiner Minute an, während sie biegsam wie eh und je posierte. Natürlich kokettierte sie auch ein wenig mit ihrem Alter, aber wer wird ihr das verdenken? Vor „Wunder gescheh’n“ lobte sie dann die deutsche Nationalmannschaft und dabei an erster Stelle Herrn Frings, ob es ihr die Tattoos des Lutschers angetan haben? Dazu meinte sie ein völlig neues Nationalgefühl erkannt zu haben und betonte immer wieder: „Ich liebe Deutschland“. Ok, jeder hat seine Meinung zur aktuellen Patriotismusdebatte. Einen kleinen Seitenhieb auf die Presse gab es dann auch noch, als sie sich einen eifrig schreibenden Journalistenkollegen zur Brust nahm und ihn von oben etwas zu veralbern suchte.
Nach ca. 10 Liedern musste mein Körper dann den Strapazen Tribut zollen, und ich entschließ mich langsam den Rückzug anzutreten. Insgesamt 90 Minuten wollte NENA die Sommerbühne rocken, das betonte sie immer wieder (111 wurden es dann am Ende), und auch die Setlist enthielt noch einiges Interessantes („Leuchtturm“, „Liebe ist“, natürlich die „99 Luftballons“, „Old School, Baby“ als erste Zugabe). Das größte Kuriosum spielte sich aber am Rande des Platzes ab: Da die Überflieger TOKIO HOTEL am darauf folgenden Tag auf dem Programm standen, hatten sich schon haufenweise (weibliche) Teenies eingefunden, die in selbstgebauten Provisorien mitten in der Stadt campierten! Einige schon seit Stunden, wie man selbstgebauten Tafeln entnehmen konnte, welche als Countdown auf den Gig stundenweise heruntergezählt wurden. Ziemlich krass das Ganze, wenn auch nicht unerwartet, ich wünsch(t)e den Damen jedenfalls genügend Stehvermögen für ihr japanisches Abenteuer, doch diese Geschichte wird in einem anderen Bericht erzählt…
Copyright Fotos: Jörg Rambow
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