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NEW MODEL ARMY – HONIGDIEB

Ort: Bielefeld - Ringlokschuppen

Datum: 01.11.2005

Auch wenn ich schon seit vielen Jahren die musikalische Karriere der britischen Kultcombo NEW MODEL ARMY nicht mehr verfolge, wollte ich es mir doch an diesem NRW-Feiertag nicht nehmen lassen, Justin Sullivan und Kollegen das erste mal live zu sehen. Zumal mit dem HONIGDIEB eine überaus interessante Vorgruppe am Start war, die schon bei den vorherigen Konzerten der Tour für reichlich Gesprächsstoff gesorgt hatte. So waren einige nicht gerade freundliche Einträge im Gästebuch der Dortmunder gelandet, die dem guten Sir Hannes sogar die Existenzberechtigung als Musiker absprechen wollten. Außerdem waren wir gespannt, in welcher der Ringlok-Hallen das Package aufspielen würde, mithin also wie viele Zuschauer NMA heutzutage noch ziehen. Um 19 30 Uhr wussten wir es genau, und ich war doch ein wenig überrascht, dass es der größte Saal war, was in Anbetracht von deutlich über 1000 Zuschauern absolut angebracht schien. Die waren größtenteils älter und leger gekleidet, wobei man einige Angehörige der hier in der Gegend stationierten British Army erspähen konnte. Pünktlich um 20 Uhr nahm das Spektakel dann seinen Lauf, aber man konnte zu Beginn nicht gerade ein Gedränge am vorderen Bühnenrand ausmachen, vielmehr betrachteten die Anwesenden die Sache noch aus vorsichtiger Entfernung.

Schon machte sich das Urgestein Sir Hannes (THE IDIOTS, PHANTOMS OF FUTURE) auf, die Massen mit seiner Vision von Fusion Musik zu unterhalten. Der HONIGDIEB war vor nicht allzu langer Zeit schon einmal als Headliner im Movie aufgetreten, heute aber war das Publikumsaufkommen von ganz anderem Kaliber. In der Besetzung Gitarre, Querflöte, Violine, Kontrabass, Schlagzeug und Gaukelei pardon Gesang startete die Truppe gleich mit 2 zusammenhängenden Songs durch, als wollte man sich erst einmal einen kleinen Vorsprung vor den zu erwartenden Reaktionen erspielen. Die fielen dann durchaus freundlich aus, und man konnte erkennen, wie erleichtert die Musiker doch waren. Die Stücke stammten natürlich allesamt von den beiden Veröffentlichungen „Sei, wie du bist“ sowie „Einzig, aber nicht artig“, ein Mix aus Punk, Free Jazz, Mittelalter und Chanson, im Grunde also unbeschreiblich. Das Fronttier entblößte sich im Laufe der Zeit immer mehr und sparte zudem nicht an skurrilen Gimmicks. Ob eine Perücke zu meinem Lieblingsstück „Ach du süsse Kleine“, Feuerwerk, diverse schräge Percussioninstrumente, ein Halsband beim Werwolf-Track „Das Tier“ oder einfach nur die unglaublich abgefahrene Gestik des Herren mit Zylinder, bei jedem neuen Song konnte man sich auf eine Überraschung gefasst machen. Die Zuschauerreaktionen variierten von Erstaunen über Kopfschütteln, bin hin zu Begeisterung, was immerhin mehr war als bei vielen früheren Support Acts von NMA, die schon mal mit Biergläsern Bekanntschaft machen mussten. Fast 45 Minuten lang durfte sich die Truppe austoben, in der Setlist waren dabei Lieder wie „Auf der Suche nach dem Glück“, „Überholspur“, „Sonne, Mond & Sterne“ oder auch „Meine Tür“. Von doch sehr wohlwollendem Applaus begleitet konnten die HONIGDIEBe dann schließlich ihr Tagwerk beenden, mittlerweile war es auch deutlich voller vor der Bühne geworden.

Diese Entwicklung setzte sich nun natürlich fort, wobei man auch einen immer stärker werdenden süßlichen Geruch wahrnehmen konnte, der einigen Leuten als Inspiration für ihre tänzerischen Bewegungen dienen sollte. Zu meiner Überraschung wurde das zweite kleine Drumkit rechts nicht ab- sondern nur etwas umgebaut, Erklärung dazu später. Kurz nach 21 Uhr war es dann endlich soweit, NEW MODEL ARMY betraten in 5er Stärke die Bühnenbretter, allen voran Justin Sullivan, daneben noch ein weiterer Gitarrist, ein Bassist, Keyboarder und Drummer. Also alles was man für ein knackiges Folk Punk Rock-Konzert so braucht. Der gute Justin war erst vor kurzem in der Gegend solo beim „Rock am Teich“ aufgetreten, und es muss ihm gefallen haben, denn er lobte die Location und verglich sie gar mit einer malerischen Hobbit-Landschaft. Aber zurück zum hier und jetzt, ehrlich gesagt bin ich nur im Besitz der 91er Best Of-Scheibe, was einige Rückschlüsse über NMAs und auch mein Alter zulässt, seitdem haben die Briten aber noch einige weitere Alben veröffentlicht. Aktuell wird das „Carnival“-Werk betourt, von dem auch einige Tracks präsentiert wurden („Water“, „Carlisle Road“, „Another Imperial Day“). Den Anfang machte „Whirlwind“ und schon jetzt wurde deutlich, dass wir es hier mit absoluten Profis zu tun haben. Aber motivierte Profis und keine sesselfurzenden Berufsmusiker. Herr Sullivan besitzt neben seiner einzigartigen Stimme ganz einfach auch ein persönliches Charisma, was die Massen begeistern kann, immer ein wenig sozialkritisch und agitatorisch. Die Setlist versprühte durch die Band Klasse, egal ob neue Songs schon leicht ins Prog Rockige tendierten oder Klassiker wie „Better than them“ einfach nur mit Akustikklampfe präsentiert wurden. Hin und wieder setzte sich der Bassist hinter die 2te Schießbude und sorgte so für ein ordentliches Percussiongewitter im Hintergrund. Selbst die Keyboards wurden effizient eingesetzt, die Lightshow war überragend, der Funken sprang zumindest in der vorderen Hälfte voll über, die Fäuste wurden gereckt und zumindest bei den Klassikern war man auch dementsprechend textsicher. Das Ende des regulären Sets mit Hits wie „Poison Street“, „Get me out“ und „No Rest“ war auch geschickt bestückt, so dass Jubel- und Zugabenrufe den „ehrwürdigen“ Ringlokschuppen erfassten.

Ich bin mir ziemlich sicher, dass der Meute der Gefallen auch getan wurde, wir verließen zu diesem Zeitpunkt das Gelände, in der Gewissheit, dass NEW MODEL ARMY auch mit einem Durchschnittsalter von gut 40 Jahren immer noch das Haus rocken, ohne die Augen vor gesellschaftlichen Missständen zu verschließen. Abschließend sei noch ein kleines deutsches Bonmot des Sängers erwähnt: „Ihr haltet uns doch für Inselaffen… Wisst ihr was… ihr habt Recht!“

Setlist NEW MODEL ARMY (ohne Zugabe)
Whirlwind
Believe it
Water
Fate
WWTG
Carlisle Road
Another Imperial Day
Here comes the War
Better than them (akustisch)
Red Earth
Before I get old
Island
Stupid Questions
No Sense
No Rest
Poison Street
Get me out

Copyright Fotos: Jörg Rambow

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