Ort: Leipzig WGT Kohlrabizirkus
Datum: 27.05.2007
Das erste, was uns an diesem Sonntag Nachmittag auffiel, als wir den „Kohlrabizirkus“ betraten, war die enorme Größe dieser Location, schätzungsweise doppelt so groß wie das „Werk II“. Auch wenn er für die Veranstaltungen in der Mitte abgeteilt war, passten immer noch genügend Leute hinein. So wirkte es beim Opener des heutigen Tages auch ein wenig leer, obwohl sicherlich schon ca. 250 Leute anwesend waren.
Als Lokalmatadoren hatten LIQUID DIVINE gleich leichtes Spiel und die Zuschauer auf ihrer Seite, vorwiegend performten sie während ihres leider zu kurzen Sets Songs ihres neuen Albums „Black Box“ wie z.B. „Click“ oder Technocracy“, den sie laut Sänger Guido dem bald beginnenden G 8 Gipfel widmen. Ohne Probleme überzeugten sie mit ihrem tiefsinnigen, ehr ruhigen Elektro. Ein wenig Nervosität war ihnen anzumerken, die wird sich aber sicherlich in Laufe ihrer weiteren Karriere abhanden kommen.
Gleich nach LIQUID DIVINE, zu einer immer noch recht frühen Tageszeit durften OBSCENITY TRIAL ihre Livequalitäten unter Beweis stellen. In der Halle war noch genügend Platz, aber in den ersten Reihen drängelte man sich, um den Senkrechtstartern so nah wie möglich zu sein. Frank und Oliver wurden sehr herzlich empfangen und starteten mit einigen Titeln vom Erfolgsalbum „Here and now“ aus dem vergangenen Jahr. Allen voran „All thats left“. Beeindruckend wie immer war Olivers dunkel markante Stimme, mit der er das Publikum sichtlich berührte. Der poppige Ohrwurm wurde noch recht verhalten bejubelt. Tanzbare und bekannte Clubnummern wie „Here and now“ und „Your Skin“ verwandelten den vorderen Bereich aber schnell in eine große Tanzfläche. Sogar Keyboarder Frank stürmte ab und an über die Bühne und unterstützte Oliver beim Singen. Die Beiden machten ordentlich Alarm und gaben alles. Großen Anklang fand auch die Coverversion „Seven Nation Army“ von den WHITE STRIPES. Wahnsinn, was für eine Stimmgewalt uns Herr Wandt dort präsentierte. Ganz viel Energie strahlte der riesig wirkende Oliver aus, während er wie ein Gummiball hüpfend sein Publikum zum Mitmachen animierte. Aber es funktionierte! Auf die Frage, wer denn die aktuelle EP „Daydream“ im Original hätte, zeigten sich auch einige Arme und ganz trocken kam „dann hattet ihr ja Zeit, die Texte zu lernen!“ und schon ging es los mit dem Titelsong „Daydream“. Die wunderschöne Synthiepopnummer glänzte durch ihre tolle Melodik und dem eingängigen Refrain. Auch „Lecture“ enthüllte (schon geahnte) Livequalitäten und hob den Stimmungspegel um einiges. Leider schien im Anschluss daran, durch ein Zeichen von hinten das Ende des Auftritts angekündigt worden zu sein, woraufhin Oliver ins Mikro sprach und seine vertraglich zugesicherten 40 Minuten forderte. Bestätigender Beifall unterstrich seine Forderung und es klappte. Die faszinierende Schmuseballade „Book of Love“ beendete den gelungenen Auftritt.
PRIDE AND FALL standen als nächstes auf dem Programm, die ich bisher nur vom Namen her kannte. Ganz entspannt und ohne Erwartungen wollten wir uns deren Auftritt ansehen. Das Trio aus Schweden schien viele Anhänger zu haben, denn von überall hallte es Jubel und viele trugen T-Shirts der Schweden. Was soll ich sagen, schon nach dem ersten Song war ich begeistert und verfolgte den Auftritt gebannt und voller Spannung. Die Stimmung stieg weiter und Songs wie „Inside“ oder „Elements of Silence“ wurden teilweise allein vom Publikum gesungen. Das Trio Svein (Gitarre), Per (Synthesizer) und Sigve (Gesang) hatte alles fest im Griff und mit ihrer Mischung aus Electro/ Synthie und Future-Pop eine große Anzahl Fans angelockt. Sänger Sigve versuchte jeden Winkel des Saals zum Mitklatschen zu animieren und stellte sich dazu rechts und links an die äußersten Stellen der Bühne. Seine Stimme war durchdringend, teilweise hart, aber auch melodisch und einfühlsam. Gemeinsam mit Gitarrist Svein zog er eine grandiose Show ab, indem sie zusammen rockten, tanzten und sich richtig verausgabten. Treibend und stampfend ging es mit dem Clubhit „Border“ richtig heiß zur Sache und witzigerweise konnte man Eskil von COVENANT mittig vor der Bühne so richtig abtanzen sehen. Sigve kündigte den letzten Song mit folgenden Worten an „die ist kein Song, um ruhig zu sein“ und stimmte die Hymne „December“ vom ersten Album „Nephesh“ an. Die Hände in die Luft gestreckt und den Refrain singend, feierte das Publikum seine Lieblinge, die sich kurz darauf verabschiedeten. Wir waren total platt von der Präsenz und Atmosphäre des Auftritts, so dass ich mich spontan entschloss den Merchandise-Stand um ein T-Shirt zu erleichtern. Das hatten sich auch alle anderen gedacht und es war bis auf Mini-Größen alles ausverkauft. Für mich gibt es aber definitiv ein nächstes Mal mit PRIDE AND FALL und dann kaufe ich mir VORHER ein T-Shirt!
Nach einer kleinen Stärkung stand auch schon die nächste Band in den Startlöchern. Der Kohlrabizirkus schien nun vollends gefüllt zu sein und eine jubelnde Menge begrüßte die deutsche Electropop-Formation SEABOUND, die ihr 3. Album „Double-Crosser“ im Gepäck hatte und einige Songs daraus vorstellte. Dunkle, melancholische und tanzbare Titel fanden Anklang in der Menge und ließen kaum jemanden bewegungslos herumstehen. Sänger Frank, Martin am Keyboard und Drummer Daniel Wehmeier zogen ihre durchweg professionelle Show ab und bezogen das Publikum immer wieder mit ein. Angestachelt zum singen, klatschen und tanzen sah man von weitem eine feiernde Masse, die speziell bei den älteren und bekannten Titeln wie „Exorcize“ oder „Contact“ richtig abging. Als besonderes Schmankerl kündigte Frank uns den Titel „Breathe“ an mit dem Zusatz, dass dieser Titel wahrscheinlich nie wieder live zu hören sein wird. Aus dem Grund, weil dieser Song unwahrscheinlich anstrengend zu singen sei. Frank bereitete allen damit einen krönenden Abschluss und verausgabte sich völlig, indem er die Vocals regelrechte brüllte und Jubel und Begeisterung erntete.
Eine weitere mir bereits bekannte Band folgte mit CONETIK. Auf der vergangenen MESH-Tour konnte man die Norweger als Support erleben. Trotzdem wunderte es mich, dass das Duo hier zu fortgeschrittener Stunde eingeplant wurde und nach den Elektrogrößen SEABOUND spielten. Kein leichtes Los, das merkte man auch deutlich an der Fluktuation vor der Bühne. Anscheinend nutzte jeder die Gelegenheit für eine Pause und somit standen nur ca. 100 Leute grob verstreut herum. Die vorher erreichte Stimmung wollte auch nicht wieder eintreten, obwohl sich Andreas und Stain wirklich Mühe gaben, um mit ihren Songs wie „Exit 0“, „Conektd“ oder „Toxic“ zu punkten. Zwar wurde hier und da ein wenig getanzt, aber mit der bereits erlebten Stimmung hatte das nichts mehr zu tun. Trotzdem genossen wir den melodiösen Synthie-Pop und die bekannteren Songs wie „Suzanne“ und „Cold Star (Dead Eyes)“. Ein noch nicht veröffentlichter Titel wurde ebenfalls live getestet und für gut befunden. Da kann man sich auf die baldige VÖ freuen. Ich denke zu einer früheren Uhrzeit hätten die anspruchsvollen, melancholisch, verträumten Stücke mehr Anklang gefunden, als bei dem, nun bereits stimmungsverwöhnten und partywilligen Publikum.
Die populäre Synthie-Pop-Band ELEGANT MACHINERY aus Schweden wurde vom Moderator kurz vor 20.30 Uhr angekündigt und gleichzeitig verriet dieser dem Publikum, dass Sänger Robert an diesem Tag seinen Geburtstag feierte. EM trennten sich aus verschiedenen Gründen im Jahre 1998 und vereinigten sich im letzten Jahr erfolgreich. Zusätzlich gaben sie wenige, aber sehr erfolgreiche Konzerte in Deutschland zur Freude vieler Fans. Live traten sie an diesem Abend zu dritt auf, mit Richard Jornshof am Synthesizer, Leslie Bayne an den Drums und Geburtstagskind Robert Enforsen am Mikrofon. Sitzenderweise wollten wir uns den Auftritt von der Seite ansehen, doch es dauerte nur einen halben Song, bis es uns nicht mehr auf dem Boden hielt. Was da plötzlich im Kohlrabizirkus losging war einfach nur mitreißend und unglaublich. Ein Hit reihte sich an den anderen und Energiebündel Robert war auf der Bühne nicht zu bremsen. Wie ein Wirbelwind sang, tanzte und freute er sich mit dem Publikum um die Wette. Die Klassiker „Process“, „Watching you“ und „Words of Wisdom“ verbreiteten 80iger Feeling und Feierlaune. Die Menge hüpfte, sang und freute sich, mit der vor Freude strahlenden Band. Endlich wurde auch Eskil (COVENANT) offiziell begrüßt, der genau wie alle anderen ausgelassen im Publikum feierte. Eine besonders erfreuliche Nachricht eröffnete der sympathische Sänger uns, als er die im August erscheinende neue Single „Feel the Silence“ ankündigte. Das Publikum gab EM allen Grund zum Lächeln, denn auch der noch unbekannte Song ließ den Saal kochen. Mit hoch gestreckten Armen und den Refrain zu „Save me“ singend, ging der Auftritt leider auch viel zu schnell zu Ende, doch nicht ohne die Schweden mit einem riesigen Beifallssturm zu belohnen. Laute Zugaberufe bestätigten den bombastischen Auftritt. Leider konnte aus Zeitgründen keine Zugabe gewährt werden. Doch dafür ist die Freude auf die im August erscheinende Single umso größer!
Schon ein bisschen geschafft und überwältigt von den vielen schönen Eindrücken und sehr guten Bands mussten wir nur kurze Zeit auf die Co-Headliner des Abends NORTHERN LITE warten. Im grellen Scheinwerferlicht betraten die Gitarristen Sascha und Frithjof gefolgt von Sebastian am Keyboard die Bühne. Erst nach einer Weile kam auch Sänger Andreas in cooler, schwarzer Sonnenbrille, aber im gewohnten Anzug dazu. Obwohl die Band auch bei der VIVA-Generation bekannt und beliebt ist, verlief der Applaus sehr überschwänglich. Aufgefahren wurde viele bekannte Clubhits wie „Alien Girl“ oder „What you want“ und Andreas betonte, dass dieser 2. WGT Auftritt schon zu diesem Zeitpunkt sehr viel besser als der erste vor ein paar Jahren sei. Im zuckenden Licht tanzten die Massen zu den elektronischen Klängen mit teilweise technoiden und rockigen Einflüssen. Hauptsächlich spielten die Thüringer Songs vom aktuellen Album „Unisex“, wobei das bekannte „Enemy“ den Höhepunkt bildete, da jeder den Refrain mitgröhlen konnte. Die Stimmung war blendend und das Quartett auf der Bühne sonnte sich in dem Applaus. Andreas drehte richtig auf, verrenkte sich und rockte zusammen mit Gitarrist Sascha. Treibend und tanzbar begeisterten auch die älteren Stücke „Go with the Flow“ oder „Reach the Sun“. Die Videoprojektionen im Hintergrund unterstrichen die Inhalte der Songs. Eine lange und ausgefeilte, trancige Version von „Cocaine“ beendete unseren Abend im Kohlrabizirkus und mit ganz viel Begeisterung, donnerndem Beifall und einer sichtlich gerührten Band im Rücken, machten wir uns mit wunderbaren Erlebnissen auf den Rückweg zum Agra-Gelände.
Copyright Fotos: Claudia Schöne
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