Ort: Essen - Zeche Carl
Datum: 13.10.2003
Endlich mal wieder METAL! Nach einer Unmenge von eher elektronisch ausgerichteten Konzerten im Jahre 2003 stand das von der ROCK HARD präsentierte Festival “Bonded by Metal” auf dem Programm. Die Zeche Carl in Essen war mir noch von vielen Events in den 90er Jahren in guter Erinnerung. Übrigens findet dort auch einmal im Monat eine sehr unterhaltsame und tanzbare Industrial Night statt. Heute an diesem sonnigen, aber kalten Montag abend sollten immerhin 9 Bands auftreten, von denen wir allerdings von vorneherein auf ein paar verzichten wollten. Nicht, dass uns die Standfestigkeit fehlt, aber zunächst mal musste nach der Arbeit der Weg nach Essen angetreten werden, wobei mich mein Kollege (ohne Auto) am Essener Hauptbahnhof erwartete. Im Gegensatz zur MOONSPELL-Party in Bochum klappte das auch ganz gut, dem Handy sei Dank!
Vor der Zeche war kurz nach 18 Uhr schon etwas Betrieb, aber auch noch nicht übermässig viel. Nach der ersten negativen Überraschung am Eingang – wir hatten nur einen Platz auf der Gästeliste – wurde mal kurz der augenblickliche Stand der Dinge angecheckt. Eine Band mühte sich bereits auf der Bühne vor ca. 50 Anwesenden und es klang gar nicht so schlecht, das dürften PROSPECT gewesen sein, die mir gänzlich unbekannt sind. Kurzerhand wurde der gegenüberliegende Minimal aufgesucht, um sich mental und oral zu stärken, Smirnov und Ötztürk Fladenbrot sei Dank. Dann allerdings die böse Überraschung: CALLENISH CIRCLE waren Vergangenheit und MORTICIAN lag in den letzten Zügen, sehr ärgerlich! Aufgrund des engen Billings bekamen die ersten Bands nicht allzu viel Spielzeit, vielleicht sollte man da in Zukunft mal umdenken und tightere Packages schnüren. Na ja immerhin traf ich einen alten Bekannten, der mir seit Jahren nicht mehr über den Weg lief und früher in Münsters aufstrebender Thrash Band MANSTOPPER aktiv war. Auch Götz und Frank vom ROCK HARD wuselten natürlich herum, mit überraschend attraktiver Begleitung, was wiederum beweisst, dass Journalisten erotische Anziehungskraft besitzen… Anonsten war das Publikum wie eine Zeitreise in die 80er: Eine Unmenge an Kuttenträgern mit Frisuren, die ich schon lange für ausgestorben gehalten habe, das Ruhrgebiet lebt! Das soll natürlich keine Beleidigung sein, eher Bewunderung für so viel Individualität… Leider waren kaum Damen anwesend. MORTICIAN spielten dieses mal ohne Drum Computer, so viel habe ich noch mitbekommen. Außerdem haben sie darauf verzichtet, jeden Song mit einem Intro zu versehen, wie früher oft geschehen. Die Info habe ich von einem der vielen Anhänger bekommen, es wurden nämlich erstaunlich viele MORTICIAN-Shirts gesichtet.
Danach kam es zum viel erwarteten Grabgesang! GRAVE kehrten nach langer Pause auf deutsche Bühnenbretter zurück und ließen es erwartungsgemäß brettern. War die für den März avisierte Tour noch aus finanziellen Gründen abgesagt worden, konnte den Vierer nun keiner mehr aufhalten. Heruntergestimmte “In-Your-Face-Mucke” war angesagt, keine Frickeleien, die aber mit Stil! Neben dem eher schmächtigen neuen Sänger Ola Lindgren agierten drei kurzhaarige/ kalhköpfige “Kampfschweine”, von denen besonders die bulligen Torndal und Isaksson mächtig Präsenz zeigten. Leider war nicht viel Zeit, so dass man sich auf die absoluten Highlights der Bandgeschichte beschränken musste. So spielte man die 4 Titeltracks der ersten Veröffentlichungen “Into the Grave”, “Soulless”, “You’ll never see…” und “And here I die” von der 93er EP, alles wurde ordentlich abgefeiert von den mittlerweile knapp 300 Leuten in der Zeche. Aber auch die beiden neuen Tracks “Rise” und “Dead is better” von der 2002er Comeback-Scheibe kamen ganz ordentlich an, zumindest gab es auch hier einen kleinen Moshpit. Der Sound war klar und differenziert, so weit das bei so einer Musik möglich ist und das Quartett sichtlich glücklich wieder live abfeiern zu können. Wie gesagt, mit knapp einer halben Stunde nur etwas kurz.
Nach erfreulich kurzer Umbaupause (die Bands spielten alle mit demselben Schlagzeug) erwartete ich mein persönliches Highlight für den Abend, die Niederländer von GOD DETHRONED, meiner Meinung nach eine der besten europäischen Death Metal-Kapellen. Wobei sie auch einige Black und Heavy Elemente in ihren Sound integriert haben, was die ganze Sache frisch und abwechslungsreich macht. Das Publikum schien einen Tick weniger interessiert zu sein als bei GRAVE, die Unterschiede waren aber wirklich minimal und spieltechnisch sah das Ganze schon klasse aus. Besonders hervorzuheben: Die Gesangsleistung von Henri, bei der man trotz Aggressivität jedes Wort versteht und Ariëns Powerdrumming. Das Set bestand aus einem Querschnitt der letzten drei Alben, mit denen man ja auch den Durchbruch geschafft hatte. Von der aktuellen Scheibe erklangen “Into the Lungs of Hell”, “The Warcult”, “Soul Sweeper” und zum Abschluss das Brett “The Tombstone”. Dazwischen streute man von meiner Lieblingsscheibe “Bloody Blasphemy” auch die famosen “Serpent King” und “Boiling Blood” ein, dabei kam es dann auch zu den ersten Stage Diving Aktionen. Ein paar leicht eigenartige Subjekte versuchten ihre Körper in Flugposition zu bringen, leider war das Publikum direkt vor der Bühne so rar gesät, dass es eher unfreiwillig komisch bis körperlich gefährlich wurde. Aber echte Metaller stört das ja nicht… Auch wenn die Coverversion “Evil Dead” gefordert wurde, gab es stattdessen ein Wiedersehen mit der “Villa Vampiria”, auch sehr gut. Nach 40 Minuten war der holländische Spuk vorbei und auch wenn der Sound leicht matschiger als bei GRAVE ausfiel, eine sehr gute Vorstellung!
(TK)
Die Pause reichte gerade aus, um dem Fakir im MORTICIAN-Shirt vor seinem Tisch mit CDs einen Besuch abzustatten und den Nu-Metal-girls am T-Shirt-Stand ein Lächeln zuzuwerfen. Dann doch lieber noch ein Bier! Locker schlenderten wir zurück zum Konzertsaal, mit der Überzeugung, diesen eher halbleer als halbvoll vorzufinden, waren die nun anstehenden AGENT STEEL doch scheinbar der Exot im stark Thrash- und Death-lastigen Billing. Doch stattdessen blieb uns gerade mal einen notdürftiger Platz ganz außen an der Seite und kaum erklangen die ersten Töne, verwandelte sich das Publikum in eine rasende Meute, die die Fäuste schwang (im Takt), pogte und die Texte mitbrüllte. Beeindruckend. Oder genauer gesagt: Erstaunlich, denn von dem, was auf der Bühne geschah, bekam man eigentlich nur die Drums eindeutig mit, Bass und Rhythmusgitarre verschwammen zu einem bratzenden Brei und die Melodielinien des wie eine 14-jährige Klosterschülerin aussehenden Bernie Versailles waren nur in den ruhigen Momenten wahrnehmbar. Sänger Bernie Hall klatschte viele Hände und war mal links, mal rechts, doch seine Vocals waren irgendwo im Off. Manchmal blitzte jedoch die ganze Wucht der Truppe durch, vor allem im grandiosen „Ten fist of nation“, dem eindeutigen Höhepunkt des Sets. Auch die abschließende Band-Hymne „Agents of Steel“ wurde präzise und druckvoll dargeboten und so konnte man gar nicht anders, als dann zufrieden zu sein.
Kurz danach kletterten auch schon NUCLEAR ASSAULT auf die Bühne und wirkten dabei so, als wären sie gerade mittels eines Zufallsgenerators auf der Strasse vor der Zeche Carl gecastet worden. John Connelly sah wahlweise wie ein menschgewordener Hamster oder Angus Young nach einer Hamburgerdiät aus und erschien nur in einer schlabbrigen Turnhose, während Danny Lilker nach Pete Steele nach einem ähm… nuklearen Angriff anmutete. Ihr Comeback nach 10 Jahren Stille kam in der Form eines Live-Albums, doch wenn man dem Treiben da vorne zusah, dann hatte das weniger mit Geld als echter Freude zu tun. Wer die Hochjahre des Thrash verpasst hatte, der durfte noch einmal fühlen, wie es damals gewesen sein muss, von Innovation keine Spur. Ein Song hiess „The New Song“, er klang wie die alten. Lilker hatte seine Hälfte der Bühne für sich (als trauten die anderen sich nicht herüber!) und lieferte sich kleine Schlagabtausche – Connelly: „This next song is called Sin“, Lilker: „This next song is not called Sin“ (er hieß natürlich doch Sin!) – doch die Musik war alles andere als ein Witz oder altbacken. Rasende Energie, bei „Game Over“, „Critical Mass“, einem entschlossenen „Buttfuck“ und – fast zum Schluss – einem runtergedroschenen „Hang the Pope“.
Danach ging es zum Bahnhof, an dem auch zu später Stunde noch die Möglichkeit eines Imbisses bestand, es brechend kalt war und der Zug beinahe ausfiel, doch alles endete ganz unspektakulär um ein Uhr im Bett. Endlich mal wieder Metal, doch so aufregend wie früher wird’s wohl nicht mehr. Immerhin, am nächsten Tag hatte ich leichte Ohrensausen.
(tocafi)
Copyright Fotos: Karsten Thurau
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