Ort: Bielefeld - Ringlokschuppen
Datum: 19.02.2007
2004 – das Jahr für FRANZ FERDINAND, 2005 – das Jahr für MANDO DIAO, 2006 – das Jahr der ARCTIC MONKEYS und 2007? Den Hype von morgen schon heute für wenig Geld erleben, so oder ähnlich könnte man wohl im weitesten Sinne den Zweck der Hurricane/ Southside Club Tour beschreiben, die mit 2 Programmen und jeder Menge „jungen Wilden“ derzeit unterwegs ist. In Bielefeld am Start: 3 Amibands und the very british BROMHEADS JACKET, die den Abend um 20 Uhr vor etwa 300 anderen jungen Wilden (ich war wohl die Älteste im Saal, no comment please) mit dem flotten „Leslie“ eröffneten. Während „Lions in the prowls“ doch stark von FRANZ FERDINAND inspiriert schien, erinnern die meisten anderen Titel doch eher an die ARCTIC MONKEYS, kein Wunder, die Äffchen sind quasi Nachbarn, stammen doch alle aus Sheffield, zur Zeit wohl Schmelztiegel des UK-Indie-Undergrounds. So bezeichnen denn auch die ARCTIC MONKEYS das punkig-ruppige Dreigestirn als ihre derzeitige Lieblingsband, für THE STROKES durfte man zu Hause supporten, braucht es mehr Credit? Erstaunlich auch hier, wie viel Text man auf 4 Taktschlägen ins Mikro nölen kann, wenig erstaunlich, dass man kaum etwas davon versteht. Egal, Hauptsache die Chose geht in die Beine. Das Publikum zeigte sich zunächst noch zurückhaltend, aber keineswegs uninteressiert, das Album „Dits from the Commuter Belt“ erscheint bei uns aber auch erst in ein paar Wochen, da konnte wohl noch niemand textsichere Fans erwarten. Halbstarken-Posing und ein bisschen durchs Publikum rocken hatte Sänger und Gitarrist Tim aber schon gut drauf und so fand die Performance bei „Hazy“ ihren knüppel-punkigen Höhepunkt. 10 Titel in einer guten halben Stunde belegen, dass er und seine Kollegen Jono (Bass) und Dan (Drums) schnell auf den Punkt kommen. Der Abend war gelungen eingeleitet…
Nach einer knappen Umbaupause ging es kurz vor 21 Uhr weiter mit 5 Jungs aus Chicago: PLAIN WHITE T’S. Auch ihre Setlist aus insgesamt 9 Songs stammte mit einer Ausnahme aus ihrem gerade frisch erschienenen ersten Studioalbum „Every second counts“ – fluffiger Emo-Punk-Pop der Marke JIMMY EAT WORLD oder +44, vorgetragen von Sänger Tom in einem weißen ballonseidenem (oder?) Kurzblouson – hoffentlich nicht auch modisch als Trendsetter unterwegs. Mit Handclaps und Eierbeißer-Backgroundchorus durch die Kollegen Mike (Bass) und Tim (Gitarre) ging es flockig weiter. „Revenge“ vom 2005er „All that we needed“ fiel da schon etwas härter aus und wurde – wohl wegen des höheren Bekanntheitsgrads – ordentlich abgefeiert. Auch die aktuelle Single „Hate“ setzt sich mit einem Hauch Dramatik von den restlichen Songs ab, während das langsame „Hey there Deliliah“ von Tom alleine mit Gitarre vorgetragen, die Herzen aller anwesenden Emo-Mädls erwärmen konnte und jetzt schon zu den Band-„Klassikern“ gezählt werden darf. Mit schönem Harmoniegesang und dem Kracher „Take me away“ war auch hier nach einer guten halben Stunde und ordentlichem Applaus Schluss.
Die nächste Truppe ließ etwas länger auf sich warten, und obwohl alles bislang gehörte irgendwie auch nach einer „The“-Band klang, der Vierer aus Charleston, South Carolina trägt es dann auch im Namen: THE FILMS betraten die Bühne. Modisch etwas exaltierter und mit einem Faible für ausgefallene Halsketten gab es nun in bester „Four on the floor“ – Manier straight was auf die Ohren. In Deutschland konnte sich das Quartett schon als Support für THE KOOKS mit ihrem 60er und 70er beeinflussten Rock ‚n Roll eine Fanbase aufbauen und wird nun ebenfalls ihr Debütalbum „Don’t dance Rattlesnake“ veröffentlichen. Gegen Mitte des Sets kamen für „Jealousy“ auch mal Keys ins Spiel und für meinen Geschmack auch etwas mehr Abwechslung ins Songwriting, denn was ein echter Südstaatler ist, der flirtet auch gerne mal mit etwas Blues oder Hillbilly. Gleich darauf hieß die Devise aber wieder: Bangen, Pogen, Moshen und die ersten Reihen ließen sich nicht lange bitten, so dass sich einige Damen nach hinten flüchteten, um hier ihrem Tanzstil zu frönen. So beflügelt wagte Sänger Michael auch gleich akrobatische Einlagen Richtung Drumkid des Kollegen Adam. Mit „Be my baby“, im Original aus dem Jahre 1963 von THE (sic!) RONETTES, coverten die Jungs noch einen Klassiker der Popgeschichte (den manch Älterer von uns (ich nicht!) auf dem 1987er DIRTY DANCING Soundtrack im Schrank stehen hat). Die Single „Black shoes“ beendete die Performance, nicht ohne das Bassist Jake schnell noch ein paar Publikumsfotos aus Bühnenperspektive fürs private Album schoss.
Dass der Headliner offensichtlich mit einem kruden Humor gesegnet ist, wurde schon beim Umbau klar: Alle Roadies zierten unförmige, orangefarbene Gefängnis-Overalls. Es wurden allerhand ominöse Utensilien auf die Bühne getragen, in deren Hintergrund nun auch Animationen zu sehen waren, z.B. eine Auswahl dekorativer Tapetenmuster. Gegen 23 Uhr enterten dann im Papierschnippsel-Regen (ein Zugeständnis an Karneval?) OK GO die Stage. Auch diese Vier stammen aus Chicago und präsentierten sich einheitlich mit Krawatte und Weste, Drummer Dan und Bassist Tim darüber hinaus mit Opa-Schirmmütze behütet, was zusammen mit Dans dickem Kassengestell optisch ein wenig Assoziationen zu Herbert Knebel aufkommen ließ, freilich um Längen agiler, schließlich gab es nun abwechslungsreichen Power-Indie-Rock auf die Ohren. Von Anfang an auffallend: Die gute Gitarrenarbeit von Andy mit jeder Menge Soli. Zu „No sign of life“ verkündete Sänger Damian die These: Deutsche haben kein Rhythmusgefühl! Und um das Gegenteil beweisen zu können, wurden über 10 Tamburine Frisbee-mäßig ins Publikum geworfen. Nach einem gelungenen ELECTIRIC LIGHT ORCHESTRA – Cover folgte einer der bereits bekannteren Songs der OK GOs: „Get over it“ und noch während die Fans kräftig feierten, verzogen sich Damian, Andy und Tim mit Gitarre und Glockenspiel in die Mitte des Publikums, das nun gehorsam der Aufforderung sich rundherum hinzusetzen nachkam. Nur von 2 Handscheinwerfern flankiert folgte ein sehr intimes Akustikset, das zu euphorischen Reaktionen führte. Weiter ging es wieder auf der Bühne mit etwas Easy Listenings im besten Sinne, erneut durch einfallsreichen Animationen im Hintergrund unterstützt, um sich mit den Knallern „Invincible“ und „Here it goes again“ vorerst zu verabschieden. Doch lange ließ das Quartett nicht auf sich warten und legte mit „Do what you want“ nach. Dazu gab es mit zahlreichen von unten belüfteten roten Stoffsäulen ein farbenfrohes Spektakel. Doch etwas fehlte noch, um dieses Konzert zu einem echten OK GO–Konzert zu machen! Nach einigen warmen Worten und einem Spagat von Damian war es so weit und wir wurden Zeuge der original „A million ways“-Tanzchoreographie. Erdacht von Damians Schwester hatten sie hiermit – aufgenommen in Damians Hinterhofgarten und mit einem „10-Dollar-Budget“ – ihren Siegeszug auf YouTube begonnen. Und genauso wie im Original bewegte auch hier Bassist Tim die Lippen zum Playback. Eine absolute Granate!
Und so verließ Ostwestfalens Jugend in den ersten Minuten des Rosenmontags zufrieden den Ringlokschuppen, um möglicherweise in einigen Monaten damit prahlen zu können, bei den It-Bands des Jahres 2007 bereits für wenig Geld in der ersten Reihe gestanden zu haben!
Setlists (ohne Gewähr)
BROMHEADS JACKET
Leslie
Lions on the Prowls
Prime Time Kid
SRI
Woolley Bridge
Poppy Bird
Airbrushed
Hazy
Golden Arches
What if’s
PLAIN WHITE T’S
Our time now
Figure it out
Don’t let friends dial drunk
You and me
Revenge
Come back to me
Hate (I really don’t like you)
Hey there Delilah
Take me away
THE FILMS
Strange hands
Being bored
Good day
Come on
Talk talk
Jealousy
Tabletops
Belt loops
Holliwould getaway
Be my baby (Cover)
Black shoes
OK GO
Television, television
Don’t ask me
No sign of life
A good idea at the time
ELO – Cover
Get over it
Acoustic set
It’s a disaster
Oh no
Invincible
Here it goes again
Do what you want
A million ways (getanzt zum Playback)
Copyright Fotos: Jörg Rambow
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