Ort: Bielefeld - Ringlokschuppen
Datum: 10.05.2007
Richtiges Aprilwetter in Bielefeld und das mitten im Mai. Aber da kommt ja mit Kalkofe genau der Richtige, um das Wetter wenigstens für ein paar Stunden vergessen zu lassen. Mit seinem Programm „Kalkofes Mattscheibe“ macht der Grimme Preisträger auch in Ostwestfalen halt. Rund 500 Leute nehmen in der großen Halle des RLS Platz, um den „Rächer der Fernsehzuschauer“ auch mal live zu erleben. Seine viertelstündigen Sendungen, die Mitte der 90er unverschlüsselt auf Premiere liefen, sind legendär und eine schonungslose Abrechnung mit dem Fernsehprogramm. Das stieß bei einigen Promis auf wenig Gegenliebe und die zerrten ihn, wie im Falle Klaus Baumgart (der Dicke von Klaus und Klaus) vors Gericht. Doch der Kläger bekam kein Recht und somit darf ihn Kalkofe auch bis heute noch: „Freund Speckbulette“ nennen. Andere wiederum profitieren von seiner Satire. So wird auch der ostdeutsche Entertainer Achim Mentzel vorgeführt, dieser konterte aber in seiner Musikantensendung so genial, dass zwischen den beiden Männern eine Freundschaft entstand. Die Popularität von Mentzel wurde dadurch eher noch gesteigert. Pro 7 holte den gebürtigen Niedersachsen zu sich und ließ ihn dort weitermachen, wo er bei Premiere aufhörte. Ich war schon seit jeher Fan seiner Mattscheibe und skeptisch, als er den Sender wechselte und nicht mehr unabhängig war. Kann er auch dort seine genialen Parodien machen? Nicht immer, wie sich im Laufe des Abends rausstellte. Aber dazu später mehr. Aber wie funktioniert eigentlich ein Konzept, welches eigentlich fürs Fernsehen gedacht ist unter Livebedingungen? Auf der Bühne befand sich ein Rednerpult und eine Leinwand. Er wird doch nicht die Filme zeigen und dazu was erzählen?
Punkt 20.30 Uhr erschienen Fotos vom Kindesalter bis hin zur Jugend des Satirikers auf der Leinwand und es wurde sein wegweisender Lebenslauf beschrieben. Unter Applaus erschien der etwas, sagen wir mal, dickliche Hauptakteur auf der Bühne. Nicht ganz, denn jede Art Bewegung würde ja seiner Figur schaden. Also kam er mit diesem neumodischen Roller (Segway) auf die Stage. So macht Bewegung Spaß und das sah man ihn auch an. Er legte gleich los. Auf Politiker hatte er’s abgesehen. Unter anderem fand er es großartig, dass Angela Merkel den George Bush in ihrem Wahlkreis eingeladen hat, um ihm zu zeigen, dass ein Einmarsch sich hier nicht lohne. Und bleiben wir gleich bei der Politik, denn die ersten Einspieler befassten sich damit. Es ging um Wahlwerbespots und die – man mag es kaum glauben – sind wirklich so über die Sender gegangen. Ob nun mit unfassbaren Rechtschreibfehlern von einer Partei, die unbedingt die D-Mark wiederhaben wollte oder unglaublichen Inhalten, wie z.B. von der DVU. Kein Wunder, dass Kalki daraus „Deutschland Vür Uns“ macht. Auch die Elefantenrunde im ZDF nach der letzten Bundestagswahl wurde gekonnt durch den Kakao gezogen, obwohl Schröder real dort schon Zeichen setzte und sich immer noch als Gewinner der Wahl sah. Kalkofe alias Schröder: „Ich bin lattenstramm!“. Wie oben schon erwähnt, wurden nicht alle Produktionen des Parodisten ausgestrahlt. So geschehen bei „Sarah und Marc in Love“. Der Sender (eben Pro 7, welcher diesen niveaulosen Mist ausstrahlte) informierte Kalkofe, dass sie dieses nicht senden würden, weil Frau Terenzi wieder schwanger wäre und man unangenehmen Sachen lieber aus dem Wege gehen wolle. Also kamen wir jetzt in den Genuss dieses überflüssigen Wahnsinns. Allein schon die gestelzten Szenen der beiden in Love ist schon Slapstick pur, da hätte der Komiker gar nicht einzugreifen brauchen. Das Gelächter des Publikums war noch gar nicht verhallt, da verkündete Herr Kalkofe recht ernst die Hiobsbotschaft: Das nächste „Großereignis“ wird demnächst in der Glotze gezeigt. Die Heirat des Viva-Plappermauls Gülcan mit dem Brötchenbäckersohn Kamps. „Hoffentlich backt er ein großes Brötchen und steckt es ihr in den Mund“. Durch die Menge geht ein Raunen oder war es ein Aufschrei des Entsetzens? Wer will so einen Müll denn freiwillig sehen? Dann entließ uns der Entertainer in eine viertelstündige Pause und die verging wie im Fluge. Dann erschien ein fetter, schmieriger Kerl mit einem weißen, löchrigen Feinrippunterhemd und labbriger grauer Jogginghose. Dazu Pantoffeln im Tierlook und einem abgewetzten Hut. Das Grauen hat einen Namen: The One and Only: ONKEL HOTTE: „Es tut Zeit sein für eine Märchenstunde.“! Aber vorher wurde noch mal so richtig ausgerotzt, bevor es Geschichten vom kleinen Sackgesicht, seiner Mutter, seinem Vater und seiner Tante Vettel gibt. Das war eine gelungene Überraschung, dass Oliver die Kultfigur aus dem Frühstyxradio gab. „Gesägt, tun, getan“. Das Märchenbuch wurde zugeklappt und weiter ging’s mit der Mattscheibe. Und dort war auch mein persönlicher Favorit zu sehen: Der unvergessene Hans Rosenthal in seiner Sendung „Dalli Dalli“. In der kanzelt er einen Zuschauer, welcher irgendwelche Gewinnzahlen ziehen soll, live und vor laufender Kamera ab. Und das nur, weil er ganz kurz und kaum wahrnehmbar in die Kamera gewunken hat: „Sie, das macht man nicht. Wir sind hier in einer Großstadt, da macht man so was nicht …“ Was Kalkofe daraus gemacht hat, treibt mir vor Lachen immer noch die Tränen in die Augen. Und so verabschiedete sich der Berliner (mittlerweile wohnt er in der Hauptstadt) kurz, wurde aber sofort zu weiteren Zugabe gerufen. Und so gab er uns eine Büttenrede, die ihm bei den Karnevalisten überhaupt keine Freunde gebracht hätte. Im Gegenteil, gesteinigt und gevierteilt hätten sie ihn. Jetzt war aber wirklich Schluss und wer noch ein Autogramm haben wollte, der sollte dann zum Merchandisestand kommen. Ein Komiker zum Anfassen und ohne Starallüren eben.
Und so verging ein launiger Abend mit einem hervorragenden Künstler. Erstaunlich, wie soverän er seine Stand Up’s auf der Bühne zelebrierte. Allein, sich das alles zu merken und seine eigenen Wortschöpfungen in die Menge zu werfen. Und es passt dann auch noch. So geschehen bei den Vergleichen der Fußballmaskottchen zu Europa- und Weltmeisterschaften: „Goleo sieht aus, als hätte ein schwuler Werwolf Thomas Gottschalk gebissen.“. Er hat sogar Recht. Auch Österreich und die Schweiz blieben nicht verschont, denn „Trix und Flix“ die beiden fußballbegeisterten Zwillinge von 2008 sehen aus wie „Fix und Foxi beim Dreh eines Pornos“. Leider sind die Mattscheiben-Einspieler schon so oft gesendet worden, ich kannte sie alle bis auf die schon angesprochene Familie Terenzi-Geschichte. Dort hatten die Zuschauer viel Neues erwartet, denn grauenhaftes Material liefern die Sender ja zuhauf. Angesprochen wurde ja schon einiges: diverse Koch- und Wohnshows. Man muss aber bedenken, dass Kalkofe mit „Neues vom Wixxer“ eine erfolgreiche Fortsetzung des Spielfilms in die Kinos gebracht hat und somit kaum Zeit für neue Produktionen der Mattscheibe hatte. Trotzdem bleibt sein Slogan aktuell wie nie: FERNSEHEN MACHT DOOF.
Copyright Fotos: Jörg Rambow
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