Ort: Osnabrück - Kleine Freiheit
Datum: 15.03.2007
Heute Abend sollte uns eine besondere Paarung in der rappelvollen Kleinen Freiheit erwarten. Die beiden Wahlberliner OLLI SCHULZ und WALTER SCHREIFELS besuchten zum ersten Mal die beschauliche Hasestadt. Angereist waren sie lediglich mit drei Akustikgitarren, weitere Bandverstärkung gibt es auch der fünf Stationen umfassenden Minitour der beiden nicht. Stattdessen war die Bühne mit zwei wuchtigen grünen Polsterelementen, zwei Barhockern und ebenso vielen Mikros bestückt, kleines Besteck also, wer OLLI SCHULZ kennt, weiß jedoch, dass dies kein Nachteil sein muss, denn labern kann man ja auch ohne große Deko und Bühnenshow.
So betraten Olli und Walter ihre Wirkungsstätte für die kommenden zwei Stunden auch um 21.30 Uhr ähnlich unspektakulär gekleidet. Der großgewachsene 29-jährige Hamburger in braunem Jackett, Hemd und Jeans und der eher schmächtige 38-jährige New Yorker in ranziger brauner Lederjacke, rotem Polo-Shirt und Jeans. Gleich zu Anfang erklärte Olli, dass er ohne seine Band unterwegs sei, weil im Moment alle Kinder bekämen, entschuldigte sich für seine angeschlagene Stimme, er habe am Abend zuvor noch zu Metal mitgegrölt und begann als Erster zu spielen, da die Münze das so entschieden hatte. Der Song „Vorführeffekt“ war seinem alten Chemielehrer Friedrich Kluge gewidmet, der sich bei einem missglückten Versuch einst die Pulsschlagader geöffnet hatte und so ein Blutbad im Chemieraum anrichtete, was dem stets auch im Unterricht Metal hörenden Olli damals bestens ins musikalische Konzept passte. Während Herr Schulz an der Gitarre erläuterte, ein „Bettmensch“ zu sein, lümmelte sich Walter im Sessel und lauschte den Lebensweisheiten seines Kumpels, der gelegentlich auch besonders komplexe Vorgänge noch mal für Walter in seinem speziellen Englisch verdeutlichte. Neben „Medizin“ vom aktuellen Album „Warten auf dem Bumerang“ gab es auch das erste Stück, das Labertasche Olli jemals geschrieben hat zu hören „Song ohne Grund“ von der 2003 erschienenen Debütplatte „Brichst Du mir das Herz, dann brech ich Dir die Beine“ ist nach Meinung des Komponisten zwar nichts besonderes, besticht aber durch seinen guten Reim. Dazu gab es noch ein paar Tipps für diejenigen unter den Anwesenden, die auch in einer Band spielen, welche Posen man auf jeden Fall auf der Stage vermeiden sollte und natürlich auch erlebte Beispiele und Anekdoten. Darüber vergaß er dann auch gleich mal einen Gitarreriff, zeigte stattdessen den Akkord mit dem man alle Deutschrock-Sachen spielen kann und gab eine kurze WESTERNHAGEN-, GRÖNEMEYER- und LAGE-Parodie, verwarnte eine permanent quatschende Frau im Publikum, dass er ihre Eltern anriefe und sie abholen ließe, wenn sie nicht ruhig wäre (teilweise war der Lärmpegel im Auditorium wirklich ein bisschen störend) und gab den Stab an WALTER SCHREIFELS weiter, der nicht ganz so viel schwallerte, sondern sich stärker der Musik widmete. Mit dem Hardcore früherer YOUTH OF TODAY-, GORILLA BISCUITS-, WALKING CONCERT-, QUICKSAND-, MOONDOG- oder RIVAL SCHOOLS-Zeiten hatte die allerdings nicht mehr viel zu tun. Beschränkt man sich auf eine Akustikgitarre, verliert sich die Aggressivität und der Speed, übrig bleibt eine Art Indie Folk, was nicht weniger hörenswert war! Walter legte mit „Requiem“ los, ein Song über John Travolta, bevor es mit „Don’t You Know What’s True“ weitermache. Diesen Titel hat er übrigens auch schon in der Muppet Show gespielt und der Auftritt dort schien ein großer Spaß gewesen zu sein. Als kleine Verbeugung an die Henderson-Puppen wurde eine „Manna Manna – Pati Patippi“-Session mit dem Publikum eingeschoben. Keine Ahnung, wie der Track richtig heißt, dürfte aber allen früheren Sesamstraßen-Fans bekannt sein. Zur Erinnerung: Ein zotteliges Monster und zwei weibliche Puppen in Mülltonnen und zwischendrin gerät das Monster völlig in Trance. Ganz so ekstatisch war der Vortrag in der Kleinen Freiheit nicht, war ja auch zumindest teilweise auch ein Abend der etwas ruhigeren Töne. So folgte noch „Depressed Friends“ für Walters niedergeschlagene Freunde, während Olli sich im grünen Polster aalte und Wodka aus Wassergläsern trank. Nach „Audry“ übernahm dieser auch wieder die Mikrohoheit und ließ uns wissen, was ihm kürzlich Nerviges beim Einchecken am Flughafen widerfahren war. Es sind genau diese kleinen Alltagsgeschichten, die Labertasche Olli wie kein Zweiter zum Besten bringen kann. Entsprechend amüsiert waren auch die Osnabrücker und sangen „Unten mit dem King“ lauthals mit, als sich schon die nächste Story ankündigte, die diesmal von einem U2-Konzert in Dortmund 1992 handelte. „Nimm mein Mixtape, Babe“ ist eine vertone Jugenderinnerung, in diesem Zusammenhang legalisierte er das Brennen von CDs, weil seiner Meinung nach einfach zu viele Bands Alben mit nur einem guten Stück machen. So wie EAGLE EYE CHERRY, der in Ollis Augen mit „Save Tonight“ einen super Song hingelegt hat, der Rest der Platte sei allerdings Müll. Sogleich wurde die deutsche Version angestimmt, allerdings mochte Walter das Lied überhaupt nicht, so dass man lieber gemeinsam „Runnin’ Down A Dream“ von TOM PETTY spielte. Nach „Was macht man bloß mit diesem Jungen?“ war Walter wieder an der Reihe. Es folgten „Save The Save of Us“ und ein Stück über den Verlust seines geliebten Fahrrades. Im Anschluss stand ein SICK OF IT ALL-Medley auf dem Programm, dann gab es eine Akustik-Variante des alten RIVAL SCHOOLS-Songs „Used For Glue“ auf die Ohren. Nachdem Olli zum wiederholten Male kleinere Aussetzer auf seinem Mikro hatte, übernahm er kurzerhand Walters Gesangsverstärker, der hatte jetzt ja eh erst mal wieder Pause. Nachdem der Ständer auf die passende Arbeitshöhe eingestellt war, widmete sich Schulz den RAMMSTEIN- und THOMAS D.-Texten und äußerte seine Bereitschaft, gern bei Bedarf als Texter zur Verfügung zu stehen. Einige überzeugende Lyrics konnte er bereits dem restlos überzeugten Publikum vorstellen. Nach „Durch die Nacht“, „Weil die Zeit sich so beeilt“ und „Armer Vater“ intonierten Olli und Walter gemeinsam „Human of The Week“ vom „Beigen Album“, wobei Herr Schreifels mit seiner zweiten Gitarre aushelfen musste, da bei Ollis Instrument eine Saite gerissen war. Mit diesem Song, der stets für allerlei Kalauer und Späße gut ist und von den Anwesenden begeistert mitgesungen- und geklatscht wurde, verabschiedeten sich die Herren um 23.15 Uhr. Das konnte es natürlich noch nicht gewesen sein und so gab es noch zwei Zugaben. De Anfang machte Walter, der enthüllte, dass sein Großvater aus Osnabrück stamme und es deshalb für ihn ein ganz besonderer Abend in O-Town sei. Auch tagsüber sei er schon besonders aufmerksam durch die Stadt gelaufen und habe sich besonders die ganz alten Damen angesehen, da die theoretisch alle mal was mit seinem Grandpa gehabt haben könnten. Vielleicht seien sogar unbekannte Familienmitglieder anwesend. Seinen deutschen Wurzeln zu Ehren brachte er seinen ersten Titel mit teilweise deutschen Texten zu Gehör. Hörte sich richtig knuffig an, wenn der kleine Ami „Ich gehe mit Dir“ und „Ich bleibe mit Dir“ sang. Das letzte Wort hatte allerdings Olli, der noch mal ein paar bewegte Stories aus seiner Zeit der Premiere-Callcenter-Nachtschichten erzählte und sich mit „Rock’N’Roll Livestyle“ seinen Widerwillen gegen die coolen Mode-Rock’N’Roller von der Seele spielte und sang. Walter steuerte ein letztes Gitarresolo bei, dann war tatsächlich Schluss.
Den zahlreichen Gästen stand das breite Grinsen ob des kurzweiligen Vergnügens noch ins Gesicht geschrieben. Auch wenn DER HUND MARIE diesmal zu Hause bleiben musste, verstand OLLI SCHULZ es einmal mehr. perfekt zu unterhalten. Zweifellos war es auch kein Fehler, WALTER SCHREIFELS mit ins Boot zu holen, auch seinen Songs zuzuhören hat uneingeschränkt Spaß gemacht. So ist der Abend im Fluge vergangen, nur schade, dass mein absoluter Favorit „Und dann schlägt Dein Herz“ heuer nicht auf der Setlist vertreten war. Ich setzte auch den nächsten Gig mit seiner Band und werde wieder dabei sein!
Setlist
Der Vorführeffekt
Bettmensch
Medizin
Song ohne Grund
Requiem
Don’t You Know What’s True
Depressed Friends
Audry
Schlafen
Unten mit dem King
Nimm mein Mixtape, Babe
Runnin’ Down A Dream
Was macht man bloß mit diesem Jungen?
Save The Save of Us
My Bicycle
SICK OF IT ALL-Medley
Used For Glue
Durch die Nacht
Weil die Zeit sich so beeilt
Armer Vater
Human of The Week
Ich gehe mit Dir (?)
Rock ’N’ Roll Livestyle
Copyright Fotos: Dirk Ruchay
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