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OUT OF LINE FESTIVAL 2004

Ort: Hamburg - Markthalle

Datum: 13.11.2004

Am 13.11 machten wir uns auf die Reise nach Hamburg. Mehrere Stunden geballte Elektrokost lag in Form des diesjährigen Out of Line-Festivals vor uns. Insgesamt 6 Bands sollten dem Publikum einheizen und den CD Verkauf ankurbeln. SYSTEM SYN, GOD MODULE, KIEW (mit einem Exklusivgig und quasi Heimspiel), SPETSNAZ, ICON OF COIL sowie dem Headliner HOCICO.

Um kurz vor Halb 8 erreichten wir die zentral in der Nähe des Hauptbahnhofs gelegene Markthalle und wagten uns frohen Mutes Richtung Kasse vor. Nach einigen Irritationen der dort arbeitenden Kräfte und Türsteher bzgl. der Gästelistenplätze gelangten wir nun in die Location. Also, schnell zur Garderobe, Rucksack abgeben und los geht’s: DENKSTE!!! Geschlagene 45 min dauerte es, bis ich ihn einem ziemlich unmotivierten älteren Herren in die Hand drücken konnte. Resultat war, dass ich nicht in den Genuss von SYSTEM SYN kam und erst nach rund einem drittel der Spielzeit von GOD MODULE die Halle betreten konnte. Insgesamt eine sehr interessante Location: In der Mitte eine relativ große Tanzfläche, umrandet von Treppen, so dass man von überall sehr gute Sicht hat.

Nun aber zu GOD MODULE: Das erste, was mir ins Auge fiel, war eine wirklich imposante Erscheinung mit, ich tippe mal mindestens 150 kg „Kampfgewicht“ sowie wirrer Frisur. Es handelte sich um Boss Jasyn Bangert, der umrandet wurde von einer kaum wahrnehmbaren Keyboarderin (Der Kunstnebel war schuld) sowie dem Keyboarder Byron C. Miller, mit dem er sich nach jedem Lied am Micro abwechselte. Beide schienen sich einen Wettbewerb zu liefern, wer die wirreren und psychopathischeren Gesten drauf hat: Byron legte mit seiner – verständlicherweise – agileren Art und wildem Geschrei vor, doch durch eine fiese, nicht vorhersehbare Gangstarappereinlage mit zur Seite gedrehten Stinkefingern holte Jasyn postwendend auf und so endete es schließlich in einem gerechten Unentschieden. Musikalisch haben die Jungs plus Mädel mich überrascht, auf CD eher dem Weiberpop zugewandt, boten sie live deutlich härtere Beats, die Stimmung war gut und der Laden schon fast voll. Ich habe nur noch darauf gewartet, dass Jasyn eine Runde Stagediving vollführt, aber zum Wohl der Zuschauer verzichtete er darauf…

Es wurde Zeit für eine kostenlose Therapiesitzung mit den Doktoren und Pflegern von KIEW. Andreas Thedens und seine Mitstreiter Matthias Kulcke/ Stefan Thiemicke machten es sich hinter ihren Reglern bzw. Bässen bequem, um uns rund vierzig Minuten in ihre verdrehte Welt aus Psychologie, Irrenanstalten und wirren Tönen zu entführen. Das Intro „Anstaltsordnung“ legte mit schrägen Samples die Verhaltensmaßnahmen offen, weiter ging es mit der „Nachtwache“, bei „Harvey“ verschwanden Matthias und Stefan hinter weißen Leinwänden und bereiteten einen Eingriff der besonderen Art vor: Die Kittel wurden angelegt, eine Spritze aufgezogen und die Zwangsjacke für Sänger Andreas zurechtgelegt, mit der er schließlich „ruhiggestellt“ wurde. Sie hielt ihn allerdings nicht wirklich von weiteren Aktionen ab. Und natürlich folgte noch „Feierabend in Kiew“. Diesmal hat mir die Formation weitaus besser gefallen als bei den beiden bisherigen Gigs, die allerdings auch in deutlich kleinerem Rahmen stattfanden.

Jetzt stand mit SPETSNAZ eine Band an, die ich bisher noch nicht live erlebt habe. Auf der linken Seite waren E-Drums positioniert und zwei sichtlich gutgelaunte Musiker betraten die Bühne in kurzen BW-Hosen und Muttis Stricksocken für den Winter. Zu Anfang gab es kleinere Probleme mit dem Micro und der PA, die jedoch schnell behoben waren, die Stimmung war gut, der Sound erinnerte stark an den achtziger Jahre Stil von NITZER EBB und Sänger Pontus Stahlberg war sichtlich von den positiven Reaktionen des Publikums angetan. Zwischendurch wurden mitgereiste weibliche Fans aus Estland herzlich begrüßt und auch die Jungs, die es sich auf der Absperrung bequem gemacht hatten, kamen in den Genuss eines Shakehands. Die Agilität und Bewegungen von Pontus erinnerten ein wenig an HENRY ROLLINS. Die neue EP der Band heißt „The perfect Body“ und natürlich wurde auch der Titelsong live vorgestellt. Ein Auftritt der zwar relativ retro wirkte, aber auch gerade das gute Zusammenspiel der beiden Protagonisten sorgte für eine rundum gelungene Show.

ICON OF COIL entwickeln sich live immer mehr zu einem meiner Favoriten. Mittlerweile waren auch jede Menge junger Damen vor der Bühne, die dem Auftritt entgegen fieberten und sie sollten mal wieder nicht enttäuscht werden. Wie gewohnt zeigte Andy wieder eine sehr aktive Bühnenpräsenz (und seinen blonden Iro), die durch hektische Lichteffekte eindrucksvoll untermalt wurde. Hauptsächlich standen Titel der „Machines are us“-VÖ auf dem Programm, auch hier wieder treibender arrangiert als auf der zugehörigen CD. Andy hatte merklich Spaß daran, dass einige Damen ihn doch recht offensichtlich anhimmeln. Sei es ihm gegönnt. Zum vorletzten Lied wagte sich Keyboarder Christian Lund mit auf die Bühne, während er bei der Zugabe „Shelter“ dann schlußendlich Rockstar-mäßig sein Keyboard entsorgte.

Mittlerweile war es kurz vor eins, die Augen wurden schon etwas schwerer, trotzdem durfte man sich den Headliner HOCICO nicht entgehen lassen, wie immer nahm Racso seinen Platz hinter den Maschinen ein und war „beweglich“ wie immer. Über seinem Kopf war eine Leinwand aufgebaut. Während bei den vorangegangenen Bands jeweils nur der Schriftzug zu sehen war, sorgte HOCICO auch für visuelle Untermalung ihres Endzeitelektros. Wer die Mexikaner schon einmal live gesehen hat, weiß was einen erwartet. Erk wütet wie ein Berserker über die Bühne, als ob der Teufel persönlich Besitz von ihm ergriffen habe und wieder mal tropfte schon beim ersten Lied sein Schweiß ins Publikum. Songmäßig lieferten sie einen sehr guten Querschnitt ihres Schaffens ab, zu den obligatorischen Stücken der „Wrack and Ruin“ gesellten sich alte und neue Klassiker wie „Odio en el Alma“, „Poltergeist“ oder „Ruptura“, um kurz nach zwei verließen wir zu den Klängen der ersten Zugabe „Untold Blasphemies“ die Halle, die letzen Reihen waren schon ein wenig gelichtet.

Trotzdem haben wir ein sehr gelungenes Festival gesehen, welches quasi ein Pflichttermin für Fans härterer elektronischer Klänge war. Jede Band war mit sehr viel Energie und Spaß bei der Sache und auch die „kleineren“ Opener konnten sicherlich ihre Fanbase erweitern. Auch der hohe Anteil sehr aparter Elektrogirls sei hervorzuheben. Aber alles gute hat auch eine schlechte Seite, so gut die Markthalle als Location ist, das „Drumherum“ dieses Ladens ist eine einzige Katastrophe, überall unfreundliches Personal, ellenlange Wartezeiten, ob an der Garderobe oder Theke, selbst bis man aufs Männerklo gelangen konnte, vergingen Ewigkeiten. Man hatte das Gefühl, dass Personal war auf eine etwas größere Besucherzahl nicht vorbereitet. Ein Gruß noch an die beiden Hamburger „Schlangen“-Leidensgenossen. Der geplante Besuch zu der „Return of the living Dead“ Party wurde aufgrund dieser Gründe nicht mehr in Erwägung gezogen…

Copyright Fotos: Jörg Rambow

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