Ort: Hamburg - Docks
Datum: 02.12.2007
HATEBREED – AGNOSTIC FRONT – IGNITE – EVERGREEN TERRACE – SWORN ENEMY – DEATH BEFORE DISHONOR – RINGWORM – FINAL PRAYER
Persistence Tour 2007: Nur fünf Meter von der Location entfernt wird der schönste Busen Hamburgs gesucht, während einige Meter weiter weihnachtliche Weisen von einigen Sängern angestimmt werden. Herzlich Willkommen auf der Reeperbahn! Vor dem Docks jedoch sammeln sich gegen 17:00 Uhr die ersten Baseball-Caps und präsentieren mehrheitlich das volle HATEBREED Merchandise-Programm, dicht gefolgt von IGNITE. Aufgrund des zu erwartenden Andrangs wurden schon die Gästelistenplätze massiv gekürzt und im Laufe des Abends sollte sich herausstellen, dass die Annahme mehr als berechtigt war. Also schob ich mich ebenfalls langsam in den Laden, den ich das letzte Mal vor einer Ewigkeit betreten hatte, als dort eine unbedeutende kleine Band namens FOO FIGHTERS auftrat. Da der Sound damals aber unter aller Sau war und seitdem irgendwie nur Prollo-Bands dort spielten (passend zu den sehr unsympathischen Security-Mitarbeitern), konnte ich das Docks Gott sei Dank links liegen lassen. Also mal schauen, ob sich in den letzten Jahren etwas geändert hat. Aufgrund der Vielzahl der Bands sah es im Eingangsbereich eher wie auf einem Kleidermarkt der örtlichen Kirmes aus. Man merkt immer mehr, dass die Bands sich mittlerweile fast ausschließlich durchs Merchandising finanzieren. 15 Euro für ein Shirt kann man aber noch durchgehen lassen. Etwas peinlich wird es aber, wenn auf den offiziellen Tour-Shirts RINGWORN statt RINGWORM steht. Die arme Band hat so was nicht verdient, denn sie sind ja sowieso schon die Außenseiter des Billings. Schlimmer ist es natürlich, dass die Leute so ein auf die Schnelle zusammen gezimmertes Shirt dann auch noch kaufen… Während der Einlass gerade einmal 15 Minuten lief, geschweige denn die Mehrzahl der Zuschauer überhaupt vor Ort war, betrat auch schon die erste Band die Bühne.
FINAL PRAYER
Die Jungs hatten anscheinend einen eingeschworenen Fankreis, der die Band begleitet oder aber die Truppe konnte einen Teil der Anwesenden wirklich schon zum lustigen, virtuellen Fliegen fangen animieren. Wahlweise kann man den vor der Bühne praktizierten Tanzstil aber auch als schizophrenes Kick-Boxen bezeichnen oder aber als „File under Epilepsie“ einsortieren. Ich habe ja damals zu THE PRODIGY so getanzt, aber es ist ja schön, wenn junge Leute heutzutage überhaupt etwas Sport treiben. Es fiel halt auf, da beim Never Say Die-Festival diese Gattung überhaupt nicht anwesend war. Muss halt wohl auch mit dem Stil der Berliner Bollo-Truppe zusammen hängen, der mich an eine weniger fesselnde Version der alten Götter STRAIN erinnerte. Zu unspektakulär und altbacken für mich, aber wer es mag. Als Opener aber durchaus zu gebrauchen. Trotzdem nichts Neues in Berlin, Hauptsache aufs Maul.
RINGWORM
Da stehen also vier gestandene Metal-Recken auf der Bühne (plus ein BWL-Student als Drummer) und fühlen sich dort sichtlich unwohl. Denn sie wissen, dass sie mit ihrer Old-School-Metal Ausstrahlung und dem angepissten Bastard aus Thrash-Metal und derbem Hardcore ein wenig aus dem heutigen Rahmen fallen. Vor der Bühne herrschte gähnende Leere und Sänger „Human Furnace“ gab es auch schnell auf, das Publikum zum mitmachen zu animieren. Zwei oder Drei von den oben erwähnten Work-Out Tänzern machen sich ein wenig lustig über die Band, während in den hinteren Reihen doch ein paar Köpfe nickten. Wie eine solche Band auch noch dazu kommt, ihre Platten auf „Victory Records“ zu veröffentlichen, verwundert dann noch mehr. Mir persönlich haben die Jungs gut gefallen, haben aber in keiner Weise zu den anderen heute auftretenden Bands gepasst und dementsprechende Reaktionen aus dem Publikum erhalten. Die musikalische Engstirnigkeit ist also immer noch nicht besiegt. Mit der nächsten Formation wurden die Leute aber schon etwas wärmer.
DEATH BEFORE DISHONOR
Die aus Boston stammende Formation, die zudem auch noch auf dem Qualitätslabel „Bridge 9“ veröffentlicht, kommt natürlich schon eine ganze Ecke szeniger daher als RINGWORM. So konnte die Band mit ihrem ebenfalls old-schooligen Hate-Core das Publikum jetzt etwas in Bewegung setzen. Die Band hat massig Sing-A-Longs im Repertoire und Sänger Bryan versuchte immer wieder, das Publikum anzustacheln, was ihm auch recht passabel gelang. Der erste zaghafte Circle-Pit des Abends machte seine Runde und so verging das Set wie im Fluge. In meinen Augen guter Standard und immer das Fünkchen authentischer und charismatischer als deutsche Vertreter dieses Sounds. Ein Bein ausreißen muss man sich aber nicht, um die Band live zu sehen.
SWORN ENEMY
Das neue Album „Maniacal“ hat in meinem MP3-Player ein dauerhaftes Zuhause gefunden, da die musikalische Mischung aus neuzeitlichem Hardcore und Metal-Breakdowns eine wahre Wonne ist. Gespannt ob die Band dies auch live umzusetzen vermag, begab ich mich an vorderste Front, um Sänger Sal hautnah zu erleben. Und enttäuscht haben sie mich auf keinen Fall. Die Zuschauer haben die Band auch in ihr Herz geschlossen, und so war reichlich Bewegung in den vorderen Reihen zu vermelden. Die Circle-Pits wuchsen langsam aber stetig an und beim letzten Titel „We Hate” wurde das erste Mal an diesem Abend das Mikrofon in die Menge an sangeswilligen Zuschauern gehalten: „We hate your music/ we hate you too/ We got our reasons for what we do/ You can not hide you stupid fucks/ We really think your music sucks/ These cloned wannabes fashion disasters/ The best way to describe brings me laughter” Already a classic! Gitarrist Jamie Hunt hatte außerdem auch noch die extravaganteste Gitarre des Abends und wusste diese auch gekonnt einzusetzen. Nur der neue Schlagzeuger „J-Rad“ konnte leider das Schlagzeugspiel von AS I LAY DYING Schlagzeuger Jordan Manchino live nicht so punktgenau reproduzieren. Das klang noch nicht 100% eingespielt, sympathisch war er aber trotzdem. Die neuen Stücke scheinen ebenfalls gut angenommen zu werden und so steht einem weiteren Besuch in unseren Breitengraden nichts im Wege. Diese Band macht Spaß! Und nimmt dabei ihre Sache sehr ernst…
EVERGREEN TERRACE
EVERGREEN TERRACE sind mit ihrem aktuellen Longplayer „Wolfbiker“ ja auf „Metal Blade“ gelandet und gelten für mich als große Überraschung des Abends, da ich mich bisher kaum bis gar nicht mit der Band auseinander gesetzt hatte. Aber was die Jungs hier geboten haben, hat definitiv großen Spaß gemacht! Sänger Andrew hat das Aussehen und das Charisma eines jungen Horst Janson. Aufgrund seines Körperbaus möchte man dem guten Mann aber gerne einmal einen schönen Eintopf angedeihen lassen, nichtsdestotrotz gab er auf der Bühne Vollgas und überzeugte mit seinem „Flummi goes ADS-Style“. Gitarrist Craig war für die melodischen Komponenten zuständig, leider versagte kurz vor Schluss seine Gitarre, die aber in einer in die Länge gezogenen Instrumentalphase ausgetauscht wurde. Das Publikum hat ebenfalls gut reagiert und war mit dem Material der Band durchaus vertraut. Die Mischung aus Breakdowns und poppigen Refrains, die mit einem guten Schuss Rock gedopt wurden, ist auf jeden Fall ein gutes Rezept für einen kurzweiligen, aber dennoch intensiven Auftritt. Ich verspreche hiermit, dass ich das nächste Mal textsicher bin! Großartige Band! By the way: „Chaney Can’t Quite Riff Like Helmet’s Page Hamilton” ist wohl der beste Songtitel des Jahres!
IGNITE
Ich bin ja eigentlich kein Jammerlappen, aber bei IGNITE in erster Reihe an der Absperrung zu stehen, gehört zu den größeren Fehlern, die ich in meinem Leben begangen habe. Nach den ersten Takten von „Bleeding“ wurde man dermaßen gegen die Brüstung gedrückt, dass man das Wort Atmen nicht einmal gedanklich buchstabieren konnte. Mein Nachbar zischelte mir nur ins Ohr: „Die bringen einen ja um…“ So schlimm wurde es aber dann doch nicht, trotzdem fühlte man sich als Teenie, der gerade den Kampf um den besten Platz gewonnen hatte. Auch der Sound war an vorderster Front leider eine einzige Kakophonie, aus der man lediglich den glasklaren Gesang von Frontmann Zoli Teglas herausfiltern konnte. Dies tat der Stimmung keinen Abbruch, denn das Docks war das erste Mal vollends aus dem Häuschen! Hinter mir wurde ein Circle-Pit nach dem nächsten aufgemacht und die ersten Crowd-Surfer begannen ihren Abflug. Stage-Diving war wegen der Absperrung ja nicht drin, so wurden die Surfer auch unsanft von der Security auf die Streben der Gitter gezogen, während weibliche Springer sanft in den Arm genommen wurden, um sie komplett zum Seitenausgang zu tragen. Ein Verhalten, das zu Security-Mitarbeitern passt, die Angst haben, dass ihre Dolce & Gabbana Jacken von dem anwesenden Gesindel beschmutzt werden könnten. Aber zurück zur Musik. Fast alle Hits des famosen letzten Albums „Our Darkest Days“ wurden gespielt, von den alten Nummern wurden nur die unverzichtbaren angestimmt. Selbst der Live-Klassiker „Sunday Bloody Sunday“ wurde zuhause gelassen. Zoli hielt sich mit seinen Ansagen kurz, vergaß aber nicht zu betonen, dass wir Europäer endlich aufhören sollten, „George W. Bush den Schwanz zu blasen“. Front-Sau der Band ist aber eigentlich Bassist Brett Rasmussen, der mit seinem blondierten Rest-Haar die ganze Zeit in vorderster Front herumturnte. Eine Video-Kamera machte erstmals die Runde und feuerte das Publikum an, noch mehr Randale, für die zu erwartende DVD, zu machen. Sehr guter Auftritt einer – mittlerweile – sehr guten Band. Nächstes Mal werde ich aber eine etwas weniger gewagte Position einnehmen. Ich entschloss mich, meinen Frontplatz gegen einen etwas Entspannteren einzutauschen und bemerkte jetzt erst, wie VOLL das Docks geworden war. 1200 Menschen drängelten sich im ausverkauften Rund…
AGNOSTIC FRONT
Seit mehr als 25 Jahren turnen AGNOSTIC FRONT nun durch die Musikgeschichte und klingen auf der neuesten Scheibe genauso nach „Unity“ und „Trueness“ wie seit ehedem. Auch auf der Bühne merkt man Gitarrist Vinnie Stigma und Shouter Roger Miret das Alter nicht an. Vinnie macht Faxen beim Akkorde schrammeln, während Roger visuell Mike Muirs Bruder sein könnte und mit seinem Witwe Bolte Kopftuch auch modische Akzente zu setzten weiß. Auch das Hüpfen hat er nicht verlernt. Nachdem ein „This is Sparta!“ Sample den Auftritt einläutet, gibt der tätowierte Haufen einige Songs von der „Warriors“ zum Besten, bei dem naturgemäß „For my Family“ die besten Resonanzen erhält. Am meisten Stimmung gab es aber bei Klassikern wie „Gotta Go“ oder „Friend or Foe“, bei denen selbst in der hintersten Ecke am Tresen mit gegrölt wurde. Aber irgendwie ließ mich das alles ziemlich kalt und der bescheidene Sound trug seinen Teil dazu bei. Schlecht war es wahrlich nicht, aber leider auch nicht mehr einzigartig oder inspirierend. Leider sind AGNOSTIC FRONT von den Erfindern eines Sounds zu einer Band geworden, die es den zeitgenössischen Truppen gleichtun will, dabei aber zu einer blassen Kopie ihrer selbst verkommt (Bezeichnend, dass HATEBREED Headliner sind, die bei AF selbst in die Lehre gegangen sind). So wurde auch nicht viel nach einer Zugabe verlangt und die Bande machte Platz für den Headliner wegen dem so mancher den Kiez heute Abend aufgesucht hatte.
HATEBREED
Wenn ein Song immer wieder als Einmarsch-Musik (man verzeihe mir diese militaristische Begrifflichkeit) funktioniert, dann ist es „Gonna Fly Now“ auch bekannt als „Theme from Rocky“, geschrieben von Bill Conti. Damit macht die Band die Ansage, dass in den nachfolgenden Minuten auf Dicke Hose gemacht wird. Und mit dieser Ansage haben HATEBREED nicht untertrieben. Die Lightshow kommt richtig gut zur Geltung und Nebelschwaden ziehen über die Bühne, als befände man sich in Dartmoor und der Hund von Baskerville wäre hier zuhause. Der Sound ist von meiner sicheren Position am seitlichen Merch-Stande als „fett“ zu bezeichnen. Es sägen die Gitarren und poltern die Drums. Jamie Jasta versucht das Letzte aus den Zuschauern mit seinen „Hämbörg!!!“ Rufen herauszuholen (man bedenke: Es ist Sonntagnacht und man hat ein hartes Wochenende hinter sich). Das Song-Motto von „Destroy everything“ kann das Publikum nicht mehr ausführen, aber dennoch werden fast alle Fäuste gereckt. Der Live-Mitschnitt soll die Massen nochmals mobilisieren und der geneigte Fan führt die Anforderungen fachgerecht aus. Solider Auftritt, der Position des Headliners durchaus gerecht werdend, beenden HATEBREED einen langen Konzertabend, an dem es definitiv mehr Licht als Schatten gab.
Zu den wahren Gewinnern gehörten für mich aber SWORN ENEMY, EVERGREEN TERRACE und ganz vorne mit dabei IGNITE!
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