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PHILLIP BOA & THE VOODOOCLUB – KLEZ.E

Ort: Berlin - Frannz

Datum: 03.03.2005

Spontaner kann man wohl kaum einen seiner alten Helden live erleben. Da ärgert man sich noch am Vorabend, den Auftritt desjenigen verpasst zu haben, der für einen den Einstieg in die Welt der Independentmusik bedeutet hat. In selbiger Nacht erfährt man dann von einem weiteren Konzert am nächsten Tag und steht prompt 20 Stunden später pünktlich vor den Türen des Frannz-Clubs in der Berliner Kulturbrauerei. Das zusätzlich eingeschobene Konzert ist wie an den beiden Vorabenden restlos ausverkauft, an der Kasse warten noch ein paar verzweifelte Fans, dass evtl. jemand seine reservierte Karte nicht abholt. Wer glücklich im Besitz einer Karte ist, darf erst einmal vor der Saaltür warten, welche von der Security mit verkniffenem Gesicht patrouilliert wird. Dass Boa ein manchmal eher unbequemer Zeitgenosse ist, damit kann man als Liebhaber seiner Musik ja umgehen. Dass aber die Security an diesem Abend nicht gerade durch dezentes Verhalten glänzt, wird schon vor Konzertbeginn deutlich. Aus Platzmangel wurden die Monitorboxen auf Flightcases direkt vor der Bühne postiert. Die Boxen darf man nicht berühren, auf den Cases nichts abstellen, sich nicht aufstützen, überhaupt scheint man nicht gerade erwünscht zu sein.

Gegen 20:30 Uhr ist es dann Zeit für den Support, das Publikum anzuwärmen, welches mengenmäßig noch gar nicht nach ausverkauftem Hause ausschaut (teilweise bedingt durch überlange Kontrollen vor der Tür). Ursprünglich sollten am 2. und 3.3. TIMID TIGER spielen, allerdings mussten diese die Termine absagen, weshalb mehr oder weniger kurzfristig die Berliner KLEZ.E (sprich: „Kliesie“)auf den Plan gerufen wurden. Die haben zur Zeit ihr Album „Leben Daneben“ im Gepäck und können auch auf den bekannten Musiksendern Erfolge verzeichnen. Mit ihrem deutschsprachigen Britpop der Marke RADIOHEAD oder COLDPLAY bietet das junge, sympathische Herrenquintett einen sanften Einstieg in den Abend. Der Opener „Ufern“ ein jazziges Paradestück für Sänger Tobias Siebert, ein selten intensiver Einsatz an den Tasten, sollten dann doch die Saiteninstrumente vorherrschen. Drei Gitarren, ein Bass, ein Schlagzeug, dazu gefühlvoller Gesang und intelligente Texte, was will man mehr. Die beiden Singles „Real Fernsehen“ und „DU auch“ werden würdig unters Volk gebracht, Tobias erzählt eine Anekdote von einem ehemaligen BOA-Konzert im Berliner Tempodrom anno 93, wo der Schweiß nicht nur förmlich sondern buchstäblich von der Decke tropfte und überhaupt zeigen sich trotz einiger Schüchternheit deutliche Entertainerqualitäten, die mit achtbarem Applaus bedacht werden. Nach etwa 40 Minuten räumen die Jungs dann die Bühne und machen Platz für den „Ex-Halfpopstar“ und seinen VOODOOCLUB.

Nachdem alles ordentlich hergerichtet und aufgebaut ist und ein Roadie sich in Habachtstellung gebracht hat, tritt die Band vor das deutlich zahlreichere und näher gerückte Publikum. Die ersten Töne von „Annie flies the lovebomber“ erklingen und unter lautem Jubel zeigt sich auch Herr BOA den Anwesenden. Sofort geht die Post ab, die Jubiläumstour zum 20jährigen wird von Fans wie Musikern als Grund zu feiern angesehen. Bei diesem musikalischen Streifzug durch die Geschichte PHILLIP BOAS ist es um so erfreulicher, dass sich der VOODOOCLUB wieder zusammengefunden hat. Was wären auch die alten Hits wie „Container Love“ oder „And then she kissed her“ ohne die Stimme der bezaubernden Pia Lund? Doch auch ein paar unbekannte Stücke bekommt man zu Gehör: „Der Himmel“ war ursprünglich für Pias Soloalbum gedacht, kommt aber auch als Duett mit BOA sehr gut an. Der Maestro selber, in Sakko und zerrissener Jeans, scheint sich seit Jahren nicht verändert zu haben. Weder optisch, noch im Verhalten. Dafür gab es ja einige musikalische Umstürze: hatte man mit „The Red“ ein heftiges, geradezu zerstörerisches Album abgeliefert, schien „C90“ wieder versöhnlichere Töne anzuschlagen. so auch die daraus ausgekoppelte Single „Rome in the Rain“, die hier mit einer langen Anmoderation bedacht wird, bzw. deren Versuch. BOA stockt, findet nicht die richtigen Worte und resigniert trotzig: „Ich bin ja auch kein Thomas Gottschalk“. Genau für diese rotzigen Zwischenbemerkungen liebt ihn das Publikum. Für Bekenntnisse wie „Ich schwöre beim Leben des BVB, dass mich das gerade unheimlich glücklich gemacht hat, dass so viele bei dem Lied glücklich geschaut haben!“ ebenso wie für das Abwürgen von Publikumswünschen à la „Ach… shut up!“. Für seine kühle Arroganz und sein immer etwas ungelenkes Springen und Zappeln auf der Bühne. Und das Publikum feiert, singt lauthals mit, tanzt und jubelt bei den Klassikern und schnellen, punkigen Stücken. Der Sound ist auf den Punkt, die Songs rocken aufs derbste. „Fine Art in Silver“ wird über eine längere Zeit gefordert, bis es endlich gespielt wird, Keyboarder Toett widmet sich hierbei hingebungsvoll einer großen Basstrommel. Bei „And then she kissed her“ verlässt BOA die Bühne und lässt Pia mit den Fans allein – bei der Zeile „Get in touch with me“ recken sich ihr zahlreiche Hände entgegen, welche sie überrascht lächelnd berührt.

Mit einem weiteren neuen Lied, „Makin’ noise since 1985“ scheint wie auch „Ex ½ Popstar“ autobiographisch gefärbt zu sein, verabschiedet man sich das erste Mal vom begeisterten Publikum, welches die Ordner nur selten durch Pogo-Einlagen strapazierte. Sehr schnell lässt man sich aber zurückholen und bringt mit „Punch & Judy Club“ etwas Entspannung in die Menge, bevor es mit „I dedicate my soul to you“ und „Albert is a Headbanger“ heftig zur Sache geht. Die Vorliebe von BOA für VELVET UNDERGROUND und NICO wird bei einem weiteren Zugabenblock deutlich; neben dem Cover von „I can’t stand it“ wird nun auch „Femme Fatale“ angestimmt, dessen morbider Schönheit man angeblich nicht gerecht werden könne und daher eine Mainstreamversion präsentiere. „Container Love“ und „Kill you ideals“ bilden den energetischen Abschluss und rufen noch einmal die Security auf den Plan, die meint, die Bewegung im Publikum in Schach halten zu müssen. Gerne hätte ich dieses Konzert im Gegenteil noch einen Tick ausgelassener erlebt, allerdings ist es auch so ein großartiges Konzert gewesen.

Die Jubiläumstour hat BOA übrigens zum Anlass genommen, eine exklusive EP mit einigen Neuaufnahmen alter Songs und einigen bis dato unveröffentlichten Stücken zu veröffentlichen. Konzertgänger können sie am Merchandisingstand erwerben, im Netz gibt es sie aber auch zum legalen Download.
„It’s not Punk anymore, it’s not New Wave“ – es ist aber immer noch phänomenal und typisch BOA!

Setlist KLEZ.E
Ufern
Real Fernsehen
Was uns aufhält
Hellgelb
Du auch
Grün
Anders als jetzt
Leben im Glas

Setlist PHILLIP BOA & THE VOODOOCLUB
Annie flies the lovebomber
Diana
Der Himmel
Rome in the rain
International moskito
Trust me i’m a whore
Its’s not punk anymore it’s now new wave
Fine art in silver
This is Michael
Skull
Love on sale
I can’t stand it
Bells of sweetness
And then she kissed her
Makin‘ noise since 1985

Punch & Judy Club
I dedicate my soul to you
Albert is a headbanger

Femme Fatale
Ex 1/2 popstar
Container love
Kill your ideals

Copyright Fotos: Antje Wagler

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