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PHOBOS III

Ort: Wuppertal - Sophienkirche

Datum: 29.10.2011

Bereits zum dritten Mal fand in diesem Jahr das kleine, aber feine Phobos Festival statt, welches inzwischen regelmäßig einen kalendarischen Höhepunkt im Dark Ambient-Jahr darstellt. Nachdem kurzzeitig wohl eine Erweiterung auf zwei Tage erwogen wurde, erwartete die geneigten Szenegänger, unter denen sich auch ein nicht unbeträchtlicher Teil ausländischer Gäste befand, aber wie im letzten Jahr ein sorgfältig zusammengestelltes und hochinteressantes Line-Up, bestehend aus fünf Acts.

ALLSEITS

Den Anfang vor ausverkauftem Haus machte – selten genug in diesem Genre – eine Dame. Allerdings ist Nina Kernicke schon lange genug mit verschiedenen Projekten aktiv, um davon nicht sonderlich beeindruckt zu sein. So schritt sie auch ganz unkonventionell aus dem Zuschauerbereich zu ihrem eher überschaubar ausgestatteten Geräte-Tisch, der mit einigen mechanischen Klangerzeugungsmitteln bestückt war, mit denen sie sich zu den von Band kommenden Grundstrukturen betätigte. Mit ALLSEITS kann die Protagonistin insbesondere auf das von nordischer Mythologie geprägte Werk „Hel“ (erschienen bei Cyclic Law) zurückblicken und auch an diesem Abend ging es natürlich düster zu. Anfängliche bedrohliche Rhythmik vermischte sich mit langgezogenen, dröhnend-rauschenden Klangschwaden, die sich stetig intensivierten und den Raum erfüllten. Etwa mit Mundharmonika und/ oder Mikrofon wurden hierzu weitere Nuancen in den Sound eingebracht, ehe dieser schon ganz ordentliche Auftakt durch finstere, monoton pulsierende Rhythmuskaskaden beendet wurde.

KAMMARHEIT

Bereits als nächstes durfte die schwedische Dunkel-Institution KAMMARHEIT ran. Abgesehen von der 12”-Split “Of Dawn And Of Ice” zusammen mit Phobos Veranstalter Martin Stürtzer (= PHELIOS) liegt deren letzter Longplayer „The Starwheel“ schon geschlagene sechs Jahre zurück, vielleicht auch deshalb wurde der Auftritt von einigen offenbar sehnsüchtig erwartet. An- und abschwellende Flächensounds sowie düstere Schwingungen, unterlegt mit brodelnden Drones, führten durch das Programm. Dazu wurde eine sehr ansprechende Hintergrund-Visualisierung gezeigt, bei der sich gemalte Landschaftsmotive durch modifizierten Lichteinfall, kleinere Farbabweichungen und partielle Bildüberlagerungen kaum merklich veränderten. Ein schöner Kontrast zu der ansonsten bewegungsarmen Performance von Laptop-Artist Pär Boström, der lediglich an einigen Stellen zu einer Flöte griff, um mit dieser organische Elemente in die Musik einfließen zu lassen. Einzelne Stücke in der geisterhaften, 35-minütigen Klangreise zu entschlüsseln, war nahezu unmöglich, gleichwohl konnte der Schwede damit insgesamt einen bleibenden Eindruck hinterlassen.

ATROX

Nun stand erstmal eine größere Umbauaktion an, denn die nachfolgenden ATROX wollten die Anwesenden mit einer Lasershow in den Bann ziehen; dafür musste die Leinwand weichen. Bei der Aktion hätte man nebenbei fast die Deckenbeleuchtung aus der Verankerung gerissen – das ist eben Industrial! Hinter dem seit vielen Jahren in der Szene bekannten Projekt steht der Bajuware Andy Stoeferle, besser bekannt als „Stöfi“, dessen Discographie unzählige Einträge bis hin ins Jahr 1993 aufzählt. An diesem Abend hatte man ein wenig den Exotenstatus inne, denn im Gegensatz zu den Kollegen musiziert man im Allgemeinen deutlich krachiger. Allerdings hatte der Künstler das Set auf den Anlass feinjustiert und erzeugte so bewusst weniger Druck, als man es gemeinhin von ihm gewohnt ist. Auch die sonst obligatorische Sektflasche musste weichen, dafür wurden wir aber ordentlich eingenebelt und die schon angesprochene Laser-Anlage verwandelte die Sophienkirche im Nu in eine Grossraum-Disco. Zusammen mit einem Partner-In-Crime fing es relativ ruhig mit Ambient-Klängen und Geräuschen an, danach wurde ein melodisches Thema fast endlos rezitiert (ein wenig zu oft möchte ich sagen), bevor mit martialisch anmutender Percussion der stärkste Teil des Vortrages begann. Zumindest ich fühlte mich da an Soundtracks zu beispielsweise Endzeit-Filmen erinnert. Etwa die Hälfte des Materials befindet sich auch auf der extra für das Phobos III Festival erstellten VÖ „Skulptur“, die es – in einer limitierten 99er-Auflage – natürlich käuflich zu erwerben gab. Auch wurden etwa 2,5 Tracks live eingespielt, wie der gleichermaßen erschöpfte wie sympathische Künstler hinterher zu Protokoll gab. Nicht völlig perfekt, aber ein interessanter Farbtupfer an diesen Abend.

TROUM

Danach war es an der Zeit für verTROUMte Klänge, Eingeweihte wissen natürlich sofort, wovon ich rede. Die beiden Bremer Stefan Knappe aka Baraka[H] und Martin Gitschel alias „Glit[S]ch“ sind schon seit vielen Jahren im Drone/ Ambient-Gewerbe zuhause, auch sie können auf unzählige Releases zurückblicken. Der Name TROUM steht übrigens für „Tiefenmusic Reaching Our Unconscious Minds“ und ich verrate nicht zuviel, wenn ich den nun folgenden Auftritt als einen DER Höhepunkte des diesjährigen Festivalabends oute. Die beiden Herren verbanden die melancholische Tiefe des Dark Ambient perfekt mit live eingespielten Klängen, was zu einem Hörerlebnis erster Güte führte. Zunächst verwendete man Schifferklaviere, oder für Süddeutsche Quetschkommoden, deren charismatische Sounds elektronisch bearbeitet perfekt ins musikalische Grundbild passten. Danach wurden noch einige weitere „Klangkörper“ verwendet, die nicht alle zweifelsfrei zu identifizieren waren, doch im Zusammenspiel mit den verfremdeten Naturbildern entstand eine fast rauschhafte Stimmung. Lediglich im Mittelteil der fast einstündigen Inszenierung kamen kurzfristig mal Längen auf. Gerade als man dachte, der Höhepunkt wäre erreicht, nahm Martin eine Melodica zur Hand und urplötzlich erklang ein Trip Hop -artiges Rhythmusfundament, auf dem die anderen Soundschichten konsequent aufbauten. PORTISHEAD meets Dark Ambient, ein wirklich superbes Ende dieser elektronischen Demonstration, die völlig zu Recht mit Standing Ovations bedacht wurde!

BAD SECTOR 

Raus aus der TROUM-Welt, hinein in das Chronoland, jedenfalls wenn man nach dem Titel des aktuellen BAD SECTOR Albums geht. Abschließend durfte sich also der italienische Soundtüftler Massimo Magrini – obenrum zunächst im feinen Zwirn – unter Zuhilfenahme verschiedener technischer Apparaturen und elektronischer Klangerzeuger austoben, während auf der Leinwand hinter ihm diverse Zahlenreihen abliefen. Dabei ging der 45-jährige weniger abstrakt zu Werke, als es das neueste Material hätte vermuten lassen, sondern zumeist deutlich rhythmusbetonter und – im Gegensatz zu etwa einem ganzheitlichen Set wie dem von KAMMARHEIT – vor allem Song-strukturiert. Im Mittelteil gab es dann doch noch eine stark experimentelle Phase, bei der sich der Klangfluss aus verschiedensten Soundfrickeleien bildete, dafür zog zum Schluss aber sogar Bombast in die Sophienkirche ein und sorgte dafür, dass trotz fortgeschrittener Zeit keine Aufmerksamkeitsdefizitstörung mehr entstehen konnte.

Kurzum: Abermals ein gelungenes Zusammentreffen in Wuppertal ohne jegliche erkennbare Mängel (für die kurzfristig ausgefallene Heizungsanlage kann man nichts; ohnehin war es draußen ja frühlingshaft warm). So wird es auch im nächsten Jahr wieder heißen: „An evening of Dark Ambient Music“ – dann beim Phobos IV.

Copyright Fotos: Karsten Thurau

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