Ort: Krefeld - Kulturfabrik
Datum: 31.01.2004
Der letzte Tag im Januar und die Temperaturen spielten ein Solo der Kapriolen. War es noch 2 Tage vorher wegen Eisglätte bei den EMIL BULLS fast lebensgefährlich, schnellten die Temperaturen nun auf fast 10 Grad hoch. Umso besser für unsere Fahrt nach Krefeld, die uns über diverse Autobahnen und an faszinierend beleuchteten Industrie-Attraktionen vorbeiführte. Es war meine erste Begegnung mit der Kulturfabrik, die am Stadtrand von Krefeld direkt neben der Fleischer-Innung angesiedelt ist. Natürlich hoffte ich, dass das musikalische Programm des Abends etwas feinsinniger ausfallen würde…
Nachdem wir bereits gegen 19 30 Uhr abseits parken mussten, war die Frage nach dem Zuschauerandrang bereits geklärt: Der Laden war voll, was so in etwa 700 Zuschauer bedeutet haben müsste. 4 Elektro-Bands hatten sich angesagt, von denen es für 2 das Ende ihrer Tour bedeutete, für eine eine Art Comeback und für die letzte die Präsentation des neuen Albums. Ich hatte mich besonders auf IRIS aus den Staaten gefreut (selten, dass ich mich auf etwas aus den Staaten freue…), die mit „Awakening“ eine wunderbar gefühlvolle Synthie Pop-Scheibe zwischen DE/VISION und DEPECHE MODE hingelegt haben.
Und das Timing war nahezu perfekt: Nur wenige Minuten nach unserer Ankunft legte das Duo um den sympathisch agierenden Sänger Reagan Jones los. Auf der Bühne war nur das notwendigste postiert, ein Keyboard, ein Mikro und 2 Aufsteller mit dem Bandnamen in Leuchtschrift, die offensichtlich dem Label Infacted gehören, denn dieselben Aufsteller hatte ich schon bei NAMNAMBULU gesehen, natürlich mit deren Namen. Das nennt man Ökonomie! Mr. Jones begeisterte die bereits jetzt volle Halle mit hervorragendem Gesang und dezenten, nicht aufgesetzt wirkenden Posen und man muss den Amis eine schon recht große Fangemeinde attestieren, in den vorderen Reihen wurde lauthals mitgesungen. Der Keyboarder allerdings bewegte sich zu jedem Stück in der gleichen Art und Weise, mit der Ausdauer eines „Duracell-Hasen“, wie jemand treffend bemerkte. Da gibt es sicher noch Steigerungspotenzial. 30 Minuten lang konnte man aktuelles Material wie „In Spite“ oder meinen Lieblingssong „Sorrow Expert“ präsentieren, aber auch der Erstling „Disconnect“ kam nicht zu kurz. Besonders das von einigen Samplern bekannte „Annie, would I lie to you“ begeisterte. Das es sich wie schon erwähnt um den vorerst letzten Auftritt in Deutschland handelte, erlaubte sich die Crew auch noch einen netten Spaß: Mitten im Set kam man mit einem „Applaus“-Schild herein und alberte ein wenig mit Reagan herum. Insgesamt eine wohltuend schlichte und effektive Angelegenheit, die auch beim Publikum sehr gut ankam.
In der Umbaupause wurde schon deutlich, dass jetzt eine kleine Zeitreise in die Vergangenheit anstand. Denn die Figuren auf der Bühne waren der Jüngsten nicht mehr, um es mal prosaisch auszudrücken. Gleich 3 Keyboards wurden aufgefahren, um die Ruhrgebietler ETERNAL AFFLICT in Szene zu setzen, die man schon länger nicht mehr live erleben durfte. Mein anwesender Kollege hatte sie schon 1992 gesehen, was mich doch ein wenig neidisch machte. Jedenfalls begann der Set mit einem interessanten Intro, nämlich einem Stück aus dem Soundtrack des Drogen-Films „Requiem for a Dream“, gespielt vom wunderbaren KRONOS QUARTETT, damit hatte man schon mal Geschmack bewiesen. Und dann standen sie da, leicht anarchisch und abgerissen, was nicht despektierlich gemeint sein soll. Der eine Keyboarder – Winus – versteckte sein betagtes Äußeres hinter einer Sonnenbrille und einem Pelz, der vielleicht schon mal Klaus Kinski gehört haben könnte. Auf der Homepage verschweigt der Mann dann auch standesgemäß sein Geburtsjahr! Der andere „Synthieman“ PeeWee verfügte über beeindruckend eigensinnige Dreads, während Shouter Cyan (so heißt auch ein Nebenprojekt von ihm) mit leichtem Bauchansatz über die Bretter tobte. Das wurde im Laufe des Auftritts immer deutlicher, da sich der Mann immer mehr seiner Kleidung entledigte, mutig! 2003 hatte man eine Art Comeback-Album veröffentlicht („Katharsis“), mit gutem Erfolg in den DAC-Charts und von dem spielte man gleich 4 Songs („Babylon“, „Godless“, „Perfect Future World“ und „The Witch“). Das Publikum schien allerdings eher die älteren Sachen zu kennen, wie „Agony, I like“ oder „We Libanon you“. Bei letzterem baute Cyan den amerikanischen Pseudo-Präsi George W. Bush mit in den Song ein, was dem ganzen einen leicht politischen Touch gab. Bei einigen Stücken („Trauma Rouge…“) nahm auch Sängerin Julia auf der Bühne Platz, die seit dem Jahre 2002 fest zur Band gehört und den Gesamtsound manchmal in Richtung BLUTENGEL tendieren lässt. 50 Minuten lang konnte EA sich präsentieren und kam bei den Anwesenden ordentlich aber nicht überschwänglich an, dafür waren wohl auch zu viele Synthie Popper da, die mit den meistenteils gebrüllten Vocals nicht so viel anfangen konnten. Mir gefiel der ungebügelte Charme des Quintetts und ich nenne ihren Sound ab jetzt „Anarcho Elektro“! Nachdem immer und immer wieder der Klassiker „San Diego“ gefordert wurde, tat man den Wahlkrefeldern schließlich den Gefallen, verzichtete aber leider auf „Kinski is dead“, den „anderen“ großen Song. Das einzige, was ich kritisch anmerken möchte, ist die andauernde Beifallshascherei des Sängers, der damit eher das Gegenteil erreicht. Aber so war es auch schon bei Konzerten früherer Jahre, habe ich mir sagen lassen, musikalisch kann man jedenfalls wieder mit ETERNAL AFFLICT rechnen!
Nach einer weiteren erstaunlich kurzen Umbaupause (ein großes Lob an die gesamte Organisation, besonders die hübsche Dame mit den roten Haaren möchte ich hier erwähnen!) wurde die Bühne nun ein stückweit mehr genutzt, denn zum ersten mal kamen „organische“ Instrumente zum Einsatz. Drums und Gitarre unterstützen den Keyboarder sowie den Sänger Dennis Ostermann von IN STRICT CONFIDENCE, die gerade ihr neues Album „Holy“ auf den Markt geworfen haben. Dort sind auf 2 Stücken Gitarren enthalten, somit war die Integration derselbigen keine große Überraschung. Allerdings hatte ich nicht damit gerechnet, dass das Saiteninstrument über das gesamte Set hinweg zum Einsatz kam, bei den älteren Stücken lediglich ein wenig mehr in den Hintergrund gemischt. Zunächst hatte man aber ganz andere Probleme, denn die Monitore fielen beim ersten Stück „Kiss your Shadow“ aus, ohne zu große Auswirkungen zu haben. Später gab es dann auch 2 mal Probleme mit den Mikrophonen, aber das steckte das Quartett ebenso locker weg. Übrigens war der Gitarrist von DE/VISION entliehen, wie sich später herausstellte. Von den 12 Stücken, die zum großen Teil recht lang ausfielen, stammten gleich 5 vom neuen Album, wie „Another Night“ oder die in deutsch vorgetragene Vorabsingle „Babylon“. Da es sich bei den Songs um teilweise recht kompliziert aufgebaute Tracks handelt und durch die Gitarre auch ein leicht anderes Klangbild entstand, musste man erst ein wenig warm werden mit der Präsentation. Die war ansonsten natürlich absolut in Ordnung, Dennis unterhielt mit Bewegungsfreude und kraftvollen Posen. Noch mehr begeisterte mich aber Gastsängerin Nadine Stelzer, die ich hiermit für eine Modell-Karriere vorschlagen möchte. In einem raffiniert geschnittenen Kleid kombinierte die Mischung aus Katrin Krabbe und Famke Janssen Erotik und weibliche Sangeskunst. Bei „Engelsstaub“ duellierte sie sich mit Dennis, während „Au Milieu Des Anges“ ganz allein von ihr intoniert wurde. Der Klassiker „Zauberschloss“ rundete den regulären Set ab und verwandelte die Halle erstmals in so etwas wie ein Tollhaus. Danach kam man (und zum Glück auch Frau!) noch 2 mal zurück, um mit „Hidden Thoughts“ und „Closing Eyes“ die 70 Minuten Spielzeit zu beenden. Ich (und manch anderer) hätte sich ja noch „Herzattacke“ gewünscht, aber das blieb leider außen vor.
Nur wenige verließen bereits jetzt die ehemalige Heimat einer Bundesliga-Mannschaft, nein, es kamen sogar noch neue Fans dazu, wie ich Gespräch erfuhr. So war eine Dame plus Begleitung erst jetzt aus Frankfurt angereist, die nicht mal wusste, dass da noch andere Acts aufgetreten waren.. DE/VISION kamen ohne aktuellen Longplayer im Gepäck aber mit einer Ende 2003 erschienenen Live-Scheibe. Auch bei Steffen und Partner wurden zusätzlich Drums und Gitarre genutzt (derselbe Gitarrist) und leider gab es auch bei ihnen zu Beginn kurz Monitor-Probleme. Das hinderte aber den Sänger nicht, eine sehr energiegeladene Show abzuliefern, sein markantes Äußeres mit Iro trug ebenfalls zur Unterhaltung bei. Ich hatte die Jungs nach meiner letzten Begegnung im Bielefelder PC69 gar nicht so munter in Erinnerung gehabt, insofern war ich sehr positiv überrascht. Zudem verfügt man natürlich über ein in den langen Jahren gewachsenes Live-Programm, auf das andere nur neidisch sein können. Egal ob „Drifting Sideways“, „Digital Dream“ oder „New Drug“, alles wurde von den Fans begeistert aufgenommen, so dass nun klar wurde, auf wen die meisten gewartet haben. Mit „Strange Affection“ beendete man die Darbietung fürs erste und leider mussten wir aufgrund von Zeitproblemen auf die Zugabe verzichten, „I regret“ gehörte aber dazu, wie ich später vernahm.
Fazit des Abends: Alle Bands präsentierten sich in guter Spiellaune und es dürfte für jeden was dabei gewesen sein. Löblich vor allem auch die nahezu perfekte Organisation, die den Formationen genügend Spielzeit erlaubte und den Abend zu einer extrem kurzweiligen Angelegenheit werden ließen. Ich bin schon gespannt auf Ausgabe Nr. 4!
SETLIST ETERNAL AFFLICT:
Babylon
We Libanon you
Childhood
Godless
Door to my pain
Perfect Future World
The Witch
Trauma Rouge…
Agony, I like
Dream Eraser
San Diego
SETLIST IN STRICT CONFIDENCE:
Intro
Kiss your shadow
Prediction
Seven lives
Engelsstaub
Au Milieu Des Anges
Babylon
Another night
Heal me
Zauberschloss
Hidden Thoughts
Closing eyes
SETLIST DE/VISION (ohne Zugabe):
Intro/ Wrench
Bleed me white
New Drug
We fly… tonight
Dress me when I bleed
Digital Dream
Try to forget
Moments we shared
I’m not dreaming of you
Endlose Träume
Drifting sideways
Re-invent yourself
A new dawn
Your hands on my skin
Strange Affection
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