Ort: Bielefeld - Forum
Datum: 06.10.2005
Manege frei für die sogenannte „Duo-Tour“ der Hauptstädter! Die Berliner POEMS FOR LAILA besitzen schon seit geraumer Zeit einen ausgezeichneten Ruf auf Konserve und Bühne, erst im April berichteten wir von einem sehr gut besuchten Konzert in ihrer Heimat. Dass derartige Zuschauerzahlen im Forum nicht zu erreichen wären, hatte ich mir schon gedacht, und so waren es am Ende ca. 100 zahlende Zuschauer, viele weiblich. Doch bevor die beiden ihre Künste vorführen konnten, hatte noch eine regionale Vorband die Chance, auf sich aufmerksam zu machen.
WHISTLE STOP CAFÉ aus dem Großraum Bielefeld waren für mich noch totale Unbekannte, umso gespannter blickte ich auf die Bühne, welche überraschenderweise im linken kleinen Raum aufgebaut worden war. Eine weise Entscheidung, denn so konnte eine wesentlich intimere Atmosphäre entstehen. Es hätte noch intimer werden können, wenn Sängerin Wanda Thot (in erdfarbenem Etui-Kleid mit schnieker Großvatermütze) die Leute direkt am Anfang nach vorne gebeten hätte. Aber schon bald wurden Vorzüge und Probleme der sehr zierlichen jungen Dame ersichtlich. Pro: Wunderbare Stimme, perfekte englische Phrasierung, hübsche Optik. Contra: Sie machte gerade zwischen den Songs einen unsicheren, ja schüchternen Eindruck, und auch ihre Ansagen gereichten nicht gerade zu ihrem Vorteil, da sie sich mit Sätzen wie „Ich bin heute nicht gut drauf“ unnötigerweise selbst ins falsche Licht setzte. Wie gut muss ihr da ein Zuruf aus dem Zuschauerraum („Schöne Stimme“) gefallen haben?! Musikalisch frönte sie mit ihren drei Herren dem schwermütigen Indie Pop/ Rock, mal zart wie bei „Kansas“, mal knackiger mit Songs wie „Honey & Bread“, dem Titelstück ihres Debüts. Auch ihre Mitmusiker gingen nicht gerade sehr extrovertiert zur Sache, waren dafür aber sehr fit an den Instrumenten: Roger Willemsen (aka Martin Voss) am Bass links und Smudo (aka Daniel Sauk) rechts. Dazu Drummer Andreas Bohnenkamp mit Weste, der zum Schluss gefühlvoll einen Rainstick rotieren ließ, interessantes Musikinstrument. Nach gut 40 Minuten wurde das Quartett mit ordentlichem Applaus entlassen, und gerade Frau Thot war ganz glücklich, als es vorbei war und sie auf dem Schoss ihres Freundes Platz nehmen durfte 🙂
Weitere 30 Minuten später war es dann soweit, und der Hauptact kam nach oben. Genauer gesagt nur der männliche Teil Nikolai Tomás, der es sich auf dem linken Barhocker bequem machte. Nach einem Medley aus 3 älteren Songs begrüßte er Bielefeld, wies die Anwesenden an, zu ihm nach vorne zu kommen, und erwartete schließlich seine Partnerin in Crime, Anne de Wolff. Die Dame dürfte vielen auch als Backgroundsängerin von ROSENSTOLZ ein Begriff sein, heute war sie im modischen 70er Look gekleidet, mit braunen Lederstiefeln und Tapetenmusterkleid, während der Weltenbummler neben ihr einen Berliner Bären auf dem Hemd spazieren trug. Eins wurde sofort deutlich: Hier handelte es sich um Bühnenprofis, die Ansagen waren witzig, charmant und hintergründig. Mehrere Lieder widmete er Bielefeld, wie „Egal“ oder „Alles wird gut“, da konnte dann auch jeder selbst einen Sinn hineininterpretieren. Nett auch der Dialog: „Kann man mich in der letzten Reihe noch hören?“ – Aus dem Publikum: „Du meinst aus der dritten?“ – N: „Danke, so charmant hättest du jetzt nicht sein brauchen“… Instrumental hatten beide Musiker ordentlich was zu bieten. Er bediente E- und A-Gitarre, gegen Ende sogar ein Miniaturgerät (mit Solo!), sie hantierte an Violinen, einem Akkordeon, einem Tamburine, einer Gitarre und weiteren Percussion-Geräten. Dazu ergänzte sie natürlich Nikolais wohlklingenden Gesang. Zum Set gehörten auch brandneue Stücke, die auf dieser Tour erstmals dem Publikum präsentiert wurden, quasi ein Test. Und der Response war eigentlich durchgängig sehr gut, egal ob alt oder neu, rockig oder balladesk. Die zumeist deutschen Texte sprühten vor Aussage und beizeiten auch Melancholie, so dass man wahlweise in sich gekehrt lauscht oder mitgroovte. Nach über 70 Minuten beendete „Arsch aus Berlin“ (als Selbstbildnis angesagt) den Set, und die beiden sprinteten kurz von der Bühne. Aber natürlich wurde der Abend mit einem angemessenen Zugabenteil beschlossen. Ein schönes, gefühlvolles Konzert mit Vollblutmusikern, die den Spaß an der Sache und an kleinen Clubs noch lange nicht verloren haben, und einer Vorgruppe, der zumindest musikalisch noch viele Türen offen stehen könnten. Sei nur nicht so ein Backfisch, Wanda!
Setlist POEMS FOR LAILA
Medley: Time away – Russian Billy – Now you’re gone
Luftleerer Raum
Wenn ich geh
Alles wird gut
Umgestalten
Weiß nicht, wie lange
Suche nach dem Glück
Liebe kommt… Liebe geht
Everlasting doubts
Nur mein Herz
Linda
Egal
Engel
Arsch aus Berlin
Vielleicht
Doscyk, Doscyk
Weisst du noch
Morning after
Copyright Fotos: Jörg Rambow
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