Ort: Bielefeld - Kamp
Datum: 16.10.2006
In diesem Sommer hatten PORTUGAL.THE MAN mit ihrem Debütalbum „Waiter: You vultures!“ sämtliche Musikkritiker (inklusive meiner Wenigkeit) zu Begeisterungsstürmen hingerissen. Aber waren die Jungs aus der Weite Alaskas mit ihrem sehr experimentierfreudigen Indie-Rock schon bis in die Tiefen Ostwestfalens vorgedrungen? Das galt es am heutigen Abend im Bielefelder Kulturkombinat zu überprüfen. Gut über 100 Leute waren dem Ruf der eigentümlich benamsten Band gefolgt und lauschten nun zunächst einem spontanen verpflichteten Local-Act mit einem ebenso fantasievollen Namen: THE NOES HAVE IT (zu Deutsch: Die Mehrheit ist dagegen) aus Bielefeld. Pheps (vocals, guitar, keys), Pe (guitar, keys), Stiop (drums) und Lin (bass) musizieren seit 2003 zusammen, waren mir jedoch bis zum heutigen Tag noch nicht über den Weg gelaufen. Ein Versäumnis wie sich herausstellte, denn mit ihrer Musik konnten sie nicht nur mein Herz schnell erobern. Sänger Pheps erinnert schwer an MUSE, will sagen, er verfügt über einen adäquaten Knatsch-Faktor, um tieftraurige Melodien über den stets atmosphärisch dichten Instrumentalteppich zu intonieren. Das Quartett hat vor einem Jahr in Eigenregie eine 5-Track-CD erstellt und präsentierte 4 Songs dieses Silberlings sowie 4 weitere Titel, alle von traumverlorenen, schwebenden Momenten geprägt wie das wundervolle „Thuna in hell“ oder „Sundays“, das sich zu einem dynamisch-kraftvollem Ende hinarbeitet. Einzelne Eruptionen wie in „Paradized“ lassen ahnen, dass in diese Richtung noch mehr ginge, doch mit „Sigur Island“ und wundervoller Gitarrenarbeit findet das Set nach 40 Minuten ein Ende. Es durfte geträumt und gekuschelt werden und abgesehen von der Kleinigkeit, dass manche Titel recht unvermittelt endeten, war ich begeistert. Auch beim restlichen, recht jungen Indie-Publikum kam die Darbietung gut an, allein eine Zugabe wurde nicht lautstark genug gefordert, so dass sich das Quartett rasch an die Umbauten für den Hauptact des Abends machte.
Man sah nun auch schon den ein oder anderen Herren von PORTUGAL.THE MAN und anfänglich hatte ich angenommen, Sänger John hätte sich aufgrund der offen stehenden Außentür als Erkältungsprophylaxe in seinen Anorak gehüllt und die Kapuze samt Kappe ins Gesicht gezogen, aber das sollte sich für den restlichen Abend nicht ändern, weshalb die Performance schon mal als recht krude bezeichnet werden darf. Auch Kumpel Zachary bestach optisch in Form eines Glencheck-Sakkos nehmst Rentnerhut. Nach einem kurzen Soundcheck gingen John (Gitarre) und Zachary (Bass) mit ihren Kollegen Wesley (Drums) und Jason (Keys und Percussion) mit einem kurzen Kopfnicken gleich in ihr Set über und eröffneten mit „Staples and chairs“, begleitet von einem kauzigen Stage-Acting der Saitenfraktion, noch besser zu beobachten beim anschließenden sehr lärmigen „Chicago“. Während Zach mit seinem Bass wie durch Stromstöße aufgescheucht durch die Gegend fuchtelte (und fortan hutlos war), hing Johns Instrument nur knapp unter dem Kinn (man mag sich nicht vorstellen, mit welchem Abstand der Mann im Auto hinterm Lenkrad sitzt), das er nun vornüber gebeugt bearbeitete. Weiter ging es mit DEM Kracher ihres Debüts „How the leopard got its spots“ und „AKA M80 The Wolf“ dessen Outro minutenlang ausgedehnt wurde. Eine Leidenschaft, wie John bemerkte, man liebe es einfach so drauflos zu jammen und hielt es auch an diesem Abend so. Mit „The Devil“ gab es auch einen mir unbekannten Titel auf die Ohren, das restliche Set bestand aus den Highlights ihres ersten Albums, allesamt sehr experimentierfreudig, frei und ausufernd dargeboten und das Publikum fand Gefallen an dieser Jamsession und zollte ordentlich Applaus. Auch das Kleeblatt hatte nach eigenem Bekunden Spaß an diesem Abend, wollte jedoch nach 8 Titeln zum Tageordnungspunkt „Bier trinken und abhängen“ übergehen. Ohne eine Zugabe wurde ihnen dies jedoch nicht gewährt und so setzte eine softere Version von „How the leopard got its spots“ den Schlusspunkt unter einen musikalisch wie optisch sehr eigenwilligen, aber brillanten Konzertabend mit viel Profil und Substanz.
Setlist THE NOES HAVE IT
Eyes wide
Fukk resocialized
Thuna in hell
Yes I no
Need to fall
Sundays
Paradized
Sigur Island
Setlist PORTUGAL.THE MAN
Stables and chairs
Chicago
How the leopard got its spots
AKA M80 The Wolf
The devil
Elephants
Waiter
Marching with 6
How the leopard got its spots (Soft version)
Copyright Fotos: Holger Ebert
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