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POTHEAD

Ort: Nürnberg - Hirsch

Datum: 14.11.2013

POTHEAD sind schon irgendwie ziemlich schräg! Eigentlich ist alles an dieser Band anders als erwartet, und genau das macht die Topfköpfe aus (wobei mit „Pot“ natürlich etwas ganz anderes gemeint ist…). Beim deutsch-amerikanischen Trio mit aktueller Wahlheimat Berlin ist alles hand- und hausgemacht: eigenes Plattenlabel, eigenes Tourmanagement, eigener Merch, eigenes Festival – mein Haus, mein Auto, mein Garten, meine Yacht, meine Frau, meine Firma… das bietet dem geneigten POTHEADianer so manche Vorteile: keine lästigen Vorbands mit gruseligem Sound, keine Abzocker-Ticket-Preise und kurzfristige Umdispositionen aufgrund verkaufsfördernder Zeitstrukturen, aber eben auch wenig bis keine Informationen im Netz, von Musik mal ganz zu schweigen. Das Topfkopf-Universum ist und bleibt exklusiv, wer sich auf die Home der Band verirrt, genießt den Full-Service vom Free Download über Tickets und Konzertmovies bis hin zu Merch. Doch wer braucht schon das Internet?

POTHEAD wollen einfach nur richtig gute Musik machen, und das stellen sie auch heute abend im Hirschen unter Beweis. Wer POTHEAD live sehen will, dem bieten sich dazu allerdings meist nicht überschäumend viele Gelegenheiten. So ist der heutige Gig in Nürnberg ein zwar bewährter aber seltener Auftritt im Rahmen der Tour 2013/14. Neu im Line Up zwischen Gitarrist und Sänger Brad und seinem tieftönigen Ebenbild Jeff Dope ist Drummer Nicolaj Gogow, der ehemalige KNORKATOR-Taktschläger ersetzt seit einem guten Jahr Alttrommler Sebastian Meyer. Doch noch ein kurzes Intermezzo zur interessanten weil anrührenden Bandbiographie: POTHEAD stehen für gute alte, ehrliche Hausmanns-Rockmusik und befinden sich genau genommen seit 1991 auf einer ewigen Reise. Gitarrist und Sänger Brad sowie Bassist Jeff Dope aus dem Staat Washington/ USA hatte es damals urlaubstechnisch nach Berlin Kreuzberg verschlagen und nach einigen Konzertversuchen wurde Berlin zur neuen musikalischen Homebase erklärt. Im Jahr 2000 wurde über das bandeigene Label Janitor Records (1998) die EP „Burning Bridges“ erneut veröffentlicht. Seither haben sich POTHEAD gerade in der deutschen Live-Szene einen beachtlichen Namen erspielt. Das eingesparte Werbebudget wird lieber in hochwertige Licht-und Soundtechnik investiert, anstatt es für Plakat- oder Online-Werbung zu verpulvern und der Erfolg gibt den bodenständigen und zurückhaltenden Musikern Recht. Wer kann als Band schließlich schon ein ganzes Festival sein eigen nennen?

Für ein Festival ist heute Abend leider keine Zeit und es ist außerdem schon zu kalt. Pragmatischer Traditions-Rock aber geht immer! Los geht’s ganz gemütlich gegen 20:30, als Brad (mit Krücken!), Jeff und Nicolaj nacheinander auf die Bühne tappern. Hier ist alles wie gewohnt: Die umfangreiche und sehr verschworene Fangemeinde im POTHEAD-Merch, die Musiker in schwarzen Nadelstreifen-Outfits. Ohne große Worte zu verlieren oder sinnlos überflüssige Allüren starten POTHEAD ihr Set mit „Frame In Your Mind“. Vom Fleck weg gelingt dem Powertrio die perfekte Symbiose aus mitreißend groovigem Gitarrenspiel und dynamisch getrommelten Beats. Die absolute Sahnehauben-Kirschenkombination stellt Jeffs dunkel vibrierende Stimme dar, die in wirklich jeder Ecke des Saals auch das letzte Staubkörnchen in Bewegung versetzt. Mit fast schon gelangweilter Gelassenheit und gleichzeitiger Leidenschaft zocken die Topfköpfe eine von cremig-einlullenden bis hart packenden Klassikern gespickte Setlist. Ohne Schnick oder Schnack, als wären präzise gespielte Notenfolgen, tightes Drumming und charismatischer Gesang Business as Usual, winden sich musikalische Perlen wie der Puschel-Meisterproduzent „Stadium“ und die Ohrwurm-Giganten „Satisfied“, „Rock Child“, „Remember“ oder „Twisted Tomato“ um die Hüften des anwesenden Publikums. Keine Frage, diese unheimlich stimmige Mischung aus 70‘s-Rock, ein bisschen Spät-Grunge, ein paar ordentlich dröhnenden metallischen Kanten und Killerriffs geht ins Ohr, ins Blut, einfach mitten ins Herz! Da, wo POTHEAD Bescheidenheit zur Tugend krönen und unverschämt mitreißenden Rock zelebrieren, gehen sie an anderer Stelle so richtig in die Vollen: Die beeindruckende Lightshow zaubert besonders bei Balladenträumen wie dem das reguläre Set beendenden großartigen „I’m a sinner, too“ echte Gänsehaut-Momente und veranlasst Jeff einmal mehr, sein gesamtes stimmliches Können noch einmal emotional auszuloten.

Wer jetzt der Meinung ist , damit den Höhepunkt dieses Feinschmecker-Auditoriums nach guten 80 Minuten und 22 Songs genossen zu haben, trägt keinen Topf auf dem Kopf! Das, was sich da anschließend in einer „Zugabe“ tarnt, schaffen vorwiegend amerikanische (Sorry – Vorurteile) Metalbands gemeinhin aus dem letzten Loch pfeifend gerade mal in der regulären Spielzeit. POTHEAD hingegen laden ein zum Moshen und um-die-Wette-hüpfen, packen noch einmal die ganz großen Gefühle aus. Nach wahnsinnigen 120 Minuten beendet das Powetrio den Gig – wie soll es anders sein – angefeuert mit ordentlich gelerntem „Hey Yeah“ Stakkato aus dem Publikum. „Indian Song“ entlässt erschöpft taumelnde, verschwitzte Musiker (auf Krücken!) und glückselig grinsende Topfkopf-Fanatiker in den kalten Novembernebel.

Publikum: Psst… auch wegen POTHEAD hier?
Sound: Handwerkskunst vom Feinsten, was POTHEAD dank ihres Perfektionismus-Wahns da anstellen.
Vom Konzert gelernt: „Danke“, oder manchmal sogar „Vielen Dank“ ist im POTHEAD-Universum völlig ausreichend.

Setlist (ohne Gewähr)
Frame in Your Mind
Fire
Tiagiato
Burnin‘ Blue
Stadium
Wild Weed
Satisfied
Rock Child
Funkenbus
Rude
Constantinople
Chess
Remember
Twisted Tomato
Gears
Emotion of the Potion
Rock On, Let’s Rock
Stand
You should talk
Bombay
Sea Beggars
I’m a sinner, too

Boilermaker
Rock Satellite
Black war

Understand
Rhyme in Time
Indian Song

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