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ROCK IM PARK 2011 – TAG 3

Ort: Nürnberg – Zeppelinfeld

Datum: 05.06.2011

Langsam aber sicher war das Festivalgelände am Dutzendteich zur zweiten Heimat geworden und da stand auch schon der letzte Tag vor der Tür. Dieses Mal mit Kürzungen am Ende, weil die unvermeidliche Heimreise aus dem musikalischen Paralleluniversum ist den harten Alltag unumgänglich war, weshalb ich aber wenigstens von Beginn an mit von der Partie sein wollten, auch und besonders, weil ich an diesem Sonntag einige Bands nur teilweise sehen konnte.

LISSIE

So wie den Opener der Alternastage. Hier machte die blonde LISSIE den Anfang, die bereits im Jahr zuvor mit ihrem schönen Folk-Pop zu Gast beim Rock im Park war. Die Sängerin und Gitarristin wurde von ihrer dreiköpfigen Band begleitet und gefiel mit angenehm-kratziger Stimme und Songs, die ein wenig Richtung Country und Folk changierten, wobei es das Stück „When You Alone“ aus ihrem 2010er Debüt „Catching A Tiger“ (Platz 27 der deutschen Albumcharts) durchaus eine gewisse Radio-Bekanntheit mitbrachte und am Sonntagmittag ganz einfach Spaß machte. Für mich hieß es an dieser Stelle allerdings bereits die barfüßige Singer-/ Songwriterin zu verlassen, denn an anderer Stelle wartete ein Herr in Lederjacke auf mich.

THEES UHLMANN & BAND

Ohne seine obligatorische Lederjacke scheint der TOMTE-Vorstand THEES UHLMANN, der momentan auf Solopfaden unterwegs ist, gar nicht erst auf die Bühne zu gehen. 13.30 Uhr – auf der Centerstage herrschen wahrscheinlich runde 30 °C – und Herr Uhlmann hat seine Lederjacke an… Wahrscheinlich ein Ausdruck seiner künstlerischen Freiheit, so wie die Schlangenlederjacke aus „Wild At Hearts“ Sailors’ Ausdruck von Individualität war. Aber genug philosophiert, das kann der Thees eh besser als ich. Leider hatte er für ausgiebiges Gequatsche keine Zeit, denn die Running Order sah nur 30 Minuten für den Mitbegründer des Kultlabels Grand Hotel van Cleef vor, der im August seine erste Soloplatte rausbringen wird. Wie gut, dass er seine klugen Gedanken auch in seine Songs packt; etwa in den flotten Opener „Keiner“ oder in die druckvolle Indie-Nummer „Zum Laichen und Sterben ziehen die Lachse den Fluss hinauf“. Der schöne Track „Das Mädchen von Kasse 2“ war allen gewidmet, die während des Wochenendes dafür sorgten, dass beim RiP alles reibungslos lief und allen anderen, die für kleines Geld schuften müssen und ein hartes Leben haben, bevor für die heimliche Festivalhymne „Die Nacht war kurz, ich steh früh auf“ David Coombe von den wunderbaren britischen Folk-Rockern YOUNG REBEL SET mit seiner Mundharmonika anrückte. Für das groovige „Sommer in der Stadt“ langte Thees erneut in die Gitarrensaiten, ehe „Vom Delta bis zu den Quellen“ Druck machte. Wie sagte Herr Uhlmann so schön: „Wenn Rock’n’Roll ein Verbrechen ist, dann bringt mich vor Gericht.“ Und wenn dem so ist, dann hat er mit „Und JAY-Z singt uns ein Lied“ das perfekte Verbrechen begangen: Ein Lied, zum Heulen schön! Dafür gab’s natürlich jede Menge Applaus und ich sehne schon mal das VÖ-Datum 26.08. und die weiteren Tour-Termine in meiner Nähe herbei.

Setlist THEES UHLMANN & BAND
Keiner
Zum Laichen und Sterben ziehen die Lachse den Fluss hinauf
Das Mädchen von Kasse 2
Die Nacht war kurz, ich steh früh auf
Sommer in der Stadt
Vom Delta bis zu den Quellen
Und JAY-Z singt uns ein Lied

ROBERT FRANCIS

Gegen diesen norddeutschen Emotions-Overkill musste jetzt ROBERT FRANCIS anspielen, der allerdings im letzten Jahr insbesondere mit seiner Single „Junbug“ seines zweiten Longplayers „Before Nightfall“ bewiesen hat, dass er sich durchaus auf gefühlvolle Klänge versteht. Im Gepäck hatte der US-amerikanische Singer-/ Songwriter jedoch auch einen brandneuen Song, der auf der nächsten Platte erscheinen wird und zum ersten Mal live gespielt wurde; sowie seinen Bruder und seine Schwester, die beide Mitglieder seiner Band sind, wobei überhaupt die ganze Familie Francis sehr musikalisch ist. So gehört übrigens auch RY COODER zu den Freunden der Familie und schenkte Robert mit neun Jahren seine erste Gitarre, während er mit 16 Jahren exklusiven Unterricht bei John Frusciante von den RED HOT CHILI PEPPERS bekam. War der neue Track recht spritzig, zeigten sich „Nightfall“ und „Mescaline“ von einer ruhigen Seite, aber mit „18“ gab’s durchaus noch flotten Stuff zu hören. Wobei noch ein weiterer, mir unbekannter Track mit viel Rhythmus auf der Setlist stand.

WE ARE SCIENTISTS

Die Überschneidungen der einzelnen Spielzeiten machten es mir heuer wirklich nicht leicht, zumal, wenn eine Band wie den WE ARE SCIENTISTS auch noch früher aufhörte. So blieben mir letztlich nur zehn Minuten mit „The Great Escape“ (2006 auf der zweiten Platte „With Love And Squalor“ erschienen) und „After Hours“ (vom 2008er „Brain Thrust Mastery“). Die drei seit elf Jahren aktiven Wissenschaftler aus New York (sehen wir mal davon ab, dass Drummer Andy Burrows erst 2009 zu den beiden Gründungsmitgliedern Keith Murray und Chris Cain gestoßen ist) boten zackigen Indie-Rock und gingen durchaus in die Vollen. Ganz ihrer Auffassung entsprechend, Musik gleiche einem Rennwagen, der in eine riesige Torte rast: süß, aufregend und etwas zermatscht…

THE PRETTY RECKLESS

Während sich THE PRETTY RECKLESS, die ebenfalls im Big Apple zuhause sind, für ihren Auftritt auf der Alternastage rüsteten, verdunkelte sich immer mehr der Himmel über dem Zeppelinfeld. Beim eröffnenden „Since You’re Gone“, blieb es noch trocken, wobei die knapp bekleidete Sängerin, Gitarristin und Keyboarderin Taylor Momsen vermutlich den einen oder anderen Herrn vor der Bühne zum Schwitzen brachte. Vielleicht war es aber auch Taktik, mit dem dann folgenden Gewitterschauer die erhitzten Gemüter wieder etwas abzukühlen. Die Dame ist im Nebenberuf Schauspielerin und Model und wusste sich bestens in Pose zu bringen, wobei die Arschrock-Songs wie der Titeltrack des 2010er Debüts „Light Me Up“ oder auch das eingängige „Zombie“ schon bei vielen im Publikum bekannt waren und im Übrigen auch schnell ins Ohr gingen. Das Quartett ließ es ordentlich krachen und auch am Himmel gab’s passend dazu Donnergrollen und Blitze.

MADSEN

Die MADSEN-Brüder aus dem niedersächsischen Wendland dürften sich mit Regen auskennen, deshalb taten die paar Tropfen, die während ihres Gigs noch runterkamen, der guten Stimmung an der viel besuchten Alternastage auch keinen Abbruch. MADSEN sind eh immer ein Garant für eine hervorragende Live-Performance und das sollte auch zur besten Sonntagsnachmittag-Kaffeezeit nicht anders sein. Im Hintergrund prangte das schwarz-weiße „Labyrinth“-Backdrop und mit einem Stück von eben dieser Langrille, die im April 2010 das Licht der Plattenläden erblickte, legten Sebastian (Gesang & Gitarre), Johannes (Gitarre & Gesang) und Sascha (Schlagzeug & Gesang) Madsen sowie Niko Maurer (Bass) und Lisa Nicklisch an den Keys, die MADSEN bereits seit Längerem live begleitet, nachdem Folkert Jahnke aus persönlichen Gründen ausgestiegen ist, los. Die Rede ist von „Das muss Liebe sein“, das sich bestens mitgrölen ließ – perfekte Voraussetzungen für ein gelungenes Punk-Pop-Konzert. Der MADSEN-Klassiker „Vielleicht“ vom selbstbetitelten Debüt aus 2005 wurde ebenfalls gut mitgesungen und es ging bereits ordentlich rund. Schließlich sind die Jungs ja auch schon alte Bekannte beim RiP und zum dritten Mal mit von der Partie. Außerdem war Sebastian noch ganz euphorisiert von seinem 30. Geburtstag, den er am Freitag mit einigen Zehntausenden beim Rock am Ring feiern konnte. „Goodbye Logik“ vom gleichnamigen 2006er Band-Output zählte ebenfalls zu den gern gehörten Evergreens, während das sehr tanzbare „Mein Herz bleibt hier“ vom jüngsten Baby der Kapelle stammt. Als nächstes war „Panik“ angesagt, nachdem Sebastian und Sascha gemeinsam die Drums bearbeitet hatten und eine Konfettikanone wurde gezündet, dessen rote Munition sich weiträumig auf dem Gelände verstreute. Sascha wechselte dann auch von der Schießbude ans Mikro und sang „Die Perfektion“, wobei man wohl sagen muss, dass der jüngste Spross der Madsen-Familie eher nicht der perfekte Sänger ist. Dafür kann Johannes, der älteste der drei Brüder, von sich behaupten, das extravaganteste Outfit getragen zu haben. Die Pornobürste war schon sehr eigenwillig, aber der türkisblaue Trainingsanzug toppte das Ganze noch einmal. Schließlich ging es noch „Mit dem Moped nach Madrid“, wobei bei dieser klasse Nummer das entsprechende, von Sascha gesteuerte Fahrzeug selbstredend nicht fehlen durfte. „Du schreibst Geschichte“ wurde mit großem Hallo begrüßt und auch „Nachtbaden“ nach allen Regeln der Kunst abgefeiert. Der Rest musste ohne mich stattfinden, da die offizielle Pressekonferenz anstand und da ich mich ob meines Stimmverlustes nicht mit anderen Festivalbesuchern unterhalten konnte, wollte ich doch wenigstens die Statements des Veranstalters, der Polizei und der Rettungsdienste hören.

Setlist MADSEN (bis 16.30 Uhr)
Das muss Liebe sein
Vielleicht
Goodbye Logik
Mein Herz bleibt hier
Panik
Die Perfektion
Mit dem Moped nach Madrid
Du schreibst Geschichte
Nachtbaden

SELIG

Eben diese Pressekonferenz führte auch dazu, dass ich meine heiß geliebten SELIG nur teilweise zu sehen und zu hören bekam. Als ich um 17.30 Uhr wieder an der Alternastage ankam, sang Jan Plewka gerade „Sie hat geschrien“, bevor’s ein Lied über das rote Sofa der Eifersucht gab. Mit Piano und Mundharmonika war „Wirklich gute Zeit“ vom letztjährigen „Von Ewigkeit zu Ewigkeit“ eine der ruhigeren Nummern auf der SELIG-Setlist, die mit „Wenn ich wollte“ straight nach vorn rockend fortgesetzt wurde, ehe es noch mal Futter für alle gebrochenen Herzen gab. „Ohne Dich“ stammte vom selbstbetitelten Debüt aus 1994 und ist einfach ebenso zeitlos schön wie traurig. Da war „Wir werden uns wiedersehen“ ein hoffnungsvoller Abschluss, bei dem auch die Bandvorstellung nicht fehlen durfte. Selbstverständlich ist es ja nun auch keinesfalls, dass sich SELIG zwölf Jahre nach ihrer Trennung 2009 in Gründungsformation wieder zusammengefunden und ein wirklich furioses Comeback mit zwei wunderbaren Platten (bereits 2009 erschien „Und endlich unendlich“) hingelegt haben. Belohnt wurden Sänger und Fronter Jan Plewka, Gitarrist Christian Neander, Keyboarder Malte Neumann, Drummer Stoppel Eggert und Bassist Leo Schmidthals mit verdientem Applaus und ich hätte mir gewünscht, dass SELIG eine halbe Stunde später gestartete wären, dann hätte ich bestimmt auch noch meinen Favoriten „Von Ewigkeit zu Ewigkeit“ erleben können.

Setlist SELIG (ab 17.30 Uhr)
Sie hat geschrien
Wirklich gute Zeit
Wenn ich wollte
Ohne Dich
Wir werden uns wiedersehen

SOCIAL DISTORTION

Hätten SELIG länger gespielt, wäre deren Auftritt allerdings auch schon wieder mit SOCIAL DISTORTION kollidiert, die auf der Centerstage mit zehn Minuten Verspätung (wahrscheinlich haben sie auf mich gewartet) um 18.00 Uhr starteten. Bereits sein 31 Jahren stehen SOCIAL D für amerikanischen Punkrock, der stark vom Rock’N’Roll, Rockabilly, Blues und Country beeinflusst ist. Kein Wunder, dass Michael Poulsen von VOLBEAT SOCIAL DISTORTION als wesentlichen Einfluss auf seine Musik nennt und überhaupt wird vermutlich die gesamte Punkrock-Gemeinde in Orange County immer wieder als Wurzeln Mike Ness nennen, der als einziger SD-Gründer noch mit von der Partie ist. In Nürnberg präsentierte er gemeinsam mit seiner Band einen kurzweiligen Abriss der SOCIAL-D-Diskografie, die mit „Story of My Life“ gut gelaunt startete. „So Far Away“ schloss sich direkt mit flotten Beats an und „Back Luck“ ließ wenig später die Füße wippen. „Mommy’s Little Monster“ vom gleichnamigen ersten Album aus 1983 gab ordentlich Gas, bevor mit dem „Machine Gun Blues“ brandaktuelles Material vom diesjährigen Longplayer „Hard Times and Nursery Rhymes“ auf der Liste stand. Es groovte amtlich, während die Sonne vom Himmel brannte – kann ein Sonntagabend besser beginnen? So ging es mit „Don’t Drag Me Down“ wieder in die Vollen, ehe es mit „Gimme The Sweet And Lowdown“ wieder fetten Punkabilly auf die Mütze gab. Country-Feeling war schließlich beim HANK-WILLIAMS-Cover „Six More Miles“ angesagt, bevor bei „Prison Bound“ wieder Gelegenheit zum Mitgrölen war. Rock’N’Roll-Krachlatten sorgten bei „California (Hustle And Flow)“ für perfekte Unterhaltung, wozu außerdem noch weiblicher Gesang beitrug, den es auch beim energiegeladenen „Can’t Take It With You“ zu hören gab. Blieb noch „Ring of Fire“, mit dem JOHNNY CASH sich ein Denkmal und allen Musikern einen Meilenstein gesetzt hat. Und schon wieder war eine äußerst kurzweilige Stunde wie im Fluge vergangen…

Setlist SOCIAL DISTORTION
Story of My Life
So Far Away
Bad Luck
Mommy’s Little Monster
Machine Gun Blues
Ball And Chain
Don’t Drag Me Down
Gimme The Sweet And Lowdown
Six More Miles (HANK-WILLIAMS-Cover)
Prison Bound
California (Hustle And Flow)
Can’t Take It With You
Ring of Fire (JOHNNY-CASH-Cover)

WOLFMOTHER

Was bedeutete, dass für mich bereits die letzte Band des Festivals auf dem Programm stand. Dies sollten WOLFMOTHER aus down under sein, die allerdings nicht nur der anderen Erdhalbkugel, sondern gleich einer ganz anderen Ära entsprungen zu sein schienen. Der Vierer ist schon rein optisch mehr irgendwo in den Sechzigern und Siebzigern beheimatet und wenn die Herrschaften dann ihre Instrumente in Betrieb nehmen, ist ganz schnell klar, dass eine heftige Stoner- und Psychedelic-Rock-Breitseite zu erwarten ist. So auch auf der Alternastage, wo ein großes gelbes Backdrop mit zwei Leoparden und dem „WM“-Logo von den Musikern kündete, die wenig später stürmisch beklatscht wurden. Diese Vorschusslorbeeren hatten Gründungsmitglied Andrew Stockdale (Gesang & Gitarre), Drummer Will Rockwell-Scott, Bassist und Keyboarder Ian Peres sowie der zweite Gitarrist Aiden Nemeth allerdings auch nicht zu unrecht erhalten, denn es sollte in den nächsten 70 Minuten auf eine ganz erstaunliche Zeitreise gehen. Die Australier starteten eben diese Reise in eine andere „Dimension“ mit krachendem Gefrickel und auch beim folgenden „New Moon Rising“ flirrten die Sechssaiter auf das Schönste, während Ian an der Rhodes-Orgel seine wilde Mähne im Takt schüttelte. Ausufernde Orgel-Kaskaden gab’s dann auch bei „Woman“ vom selbstbetitelten Debüt aus 2005, das einen treibenden Gruß Richtung LED ZEPPELIN schickte. Wummernde Beats, lange Instrumentalpassagen und psychedelische Langäxte bescherte „White Unicorn“ den Zuhörern, bevor das vergleichsweise zurückhaltende„Far Away“ mit viel Beifall bedacht wurde. Der Titeltrack des 2009er Longplayers „Cosmic Egg“ ging gleich darauf mit viel Tempo in die Vollen, bevor das Desert-Rock orientierte „California Queen“ Granaten-Gitarren-Sounds und irrwitzige Tempi-Wechsel hinlegte. Rhythmusbetont ging wenig später „Vagabond“ ins Bein, bevor es mit „Apple Tree“ einen weiteren Old-School-Kracher auf die Ohren gab, dem aufheulende Gitarren, stoische Beats und fette Orgelklänge bei „Collossal“ folgten, ehe „Joker And The Thief“ den Reigen ebenso krachend beschloss wie er gestartet war.

Setlist WOLFMOTHER (kein Anspruch auf Vollständigkeit)
Dimension
New Moon Rising
Woman
White Unicorn
Far Away
Cosmic Egg
California Queen
Vagabond
Collossal
Joker And The Thief

Inzwischen lagen drei Tage Rock im Park hinter mir und es war an der Zeit, die Rückreise anzutreten, auch wenn Bands wie INTERPOL und DANZIG durchaus noch gelockt hätten und auf der CENTERSTAGE noch die Headliner KINGS OF LEON auf ihren Auftritt warteten. Aber man soll ja bekanntlich gehen, wenn’s am schönsten ist. Schön war’s auf alle Fälle, auch wenn ich gesundheitlich nicht ganz auf der Höhe war. Ich habe ein sehr gut organisiertes Festival erlebt, auf dem es beruhigend friedlich zuging (die Polizei war mit immerhin 300 Einsatzkräften vor Ort und hatte mit ihrer Präsenz wohl dazu beigetragen, dass es keine größeren Komplikationen gab), auch wenn sich die üblichen Eigentumsdelikte auch in Nürnberg nicht verhindern ließen. Polizei und Rettungskräfte vermeldeten insgesamt aber einen ruhigen Verlauf der Veranstaltung, bei der es keine besonderen Vorkommnisse gab. Auch die üblen Staus des Vorjahres konnten umgangen werden, wozu vermutlich der Christi-Himmelfahrts-Feiertag am Donnerstag beitrug, der dazu führte, dass die anreisenden Park-Rocker nicht mit dem Berufsverkehr kollidierten. Immerhin darf man nicht vergessen, dass das Rock im Park das einzige Festival Europas ist, das im Grunde mitten in einer Großstadt stattfindet. Die logistischen Gegebenheiten sind rund um den Volkspark Dutzendteich aber auch wirklich ideal, sodass auch für die gut 55.000 Besucher der diesjährigen 14. Nürnberger Auflage genügend Platz war und die Leute angenehm kurze Wege vorfanden. Und die Unterschiede zu norddeutschen Festivals ähnlicher Größe? Wahrscheinlich müssen im Norden nicht so viele Zeckenbisse behandelt werden und die Sprache klingt in manchen Fällen vertrauter. Dafür sieht man in Franken weniger Leute in seltsamen Verkleidungen, wenn wir berücksichtigen, dass Trachten-Lederhosen in diesem Landstrich zur normalen Kleidung zählen. Gefeiert wird in Preußen und Bayern in gleicher Weise ausgelassen und was die Veranstalter bei so einer Musikveranstaltung auf die Beine stellen, ist allein schon beim Lesen der nackten Zahlen beeindruckend:

Stromverbrauch: 1,2 Megawatt, Sonderzuleistung 20.000 Volt – das entspricht der Stromversorgung einer Kleinstadt, wobei allein auf den drei Bühnen 1.180 Lampen zum Brennen gebracht werden müssen, das Licht 1.100 kW beansprucht und die Tonleistung bei 315 kW liegt. Das entspricht 126 km Lichtkabel nur für die drei Stages, wozu noch einmal 82 km Ton-Kabel kommen.

Insgesamt sind 1.500 Helfer beim Rock am Ring beschäftigt, die Security sorgte wieder einmal mit 700 Leuten auf dem Gelände für Ordnung und die Polizei war mit besagten 300 Einsatzkräften vor Ort, während sich 280 Sanitäter um kleinere und nur wenige größere Blessuren der Besucher kümmerten.

515 Dixies, sechs Duschbereiche und 24 Toilettencontainer waren aufgestellt worden, außerdem noch 19 km Bauzaun zur Absicherung des Geländes, davon alleine 3 km zum Schutz der Pflanzen- und Tierwelt. Mit dem gesamten Aufbau wird etwa zwei Wochen vorher begonnen und nach vier Tagen ist der Abbau wieder abgeschlossen.

Die Organisation liegt federführend bei etwa 30 Leuten; an der Durchführung sind ca. 2.000 beteiligt, die sich um 450 Musiker von rund 85 Bands kümmern, auf die noch mal 250 Bandtechniker und 300 Techniker, Monteure, Installateure und Helfer kommen. Nicht zu vergessen die etwa 1.000 Leute, die für das leibliche Wohl der Besucher sorgen. Die trinken immerhin 100.000 Liter Bier, 50.000 Liter alkoholfreie Getränke und verzehren 200 Tonnen Nahrungsmittel. Zwei Millionen Liter Wasser braucht das Rock im Park und insgesamt 15.890 Kilowattstunden Strom.

Bemerkenswert finde ich außerdem, dass neben den verschiedensten Gästen aus den unterschiedlichsten Ländern, auch eine Gruppe von 120 Israelis regelmäßig zum Rock im Park kommt. In diesem Jahr sind sie von Oberbürgermeister Ulrich Maly bei einem Meet & Greet begrüßt worden, was unterstreicht, welche Bedeutung die Musik und die so geschlossenen Freundschaften über das Festival hinaus auch für die Stadt Nürnberg haben. Eine bessere Nutzung für das ehemalige Reichsparteitagsgelände der NSDAP als das Rock im Park könnte es wohl gar nicht geben, wobei dem Zeppelinfeld immer noch ein wenig von der bedrohlichen Architektur Albert Speers anhaftet. Umso besser, dass die Stimmung dort umso besser war.

Karten für das nächste Jahr gibt es übrigens schon jetzt zu kaufen und auch der Headliner steht für 2012 schon fest: DIE TOTEN HOSEN werden ihr 30. Bühnenjubiläum mit ihren Fans bei den Zwillingen Rock am Ring/ Rock im Park feiern. Nicht zuletzt, weil deren Bühnen nach eigenem Bekunden irgendwie das eigene Wohnzimmer sind und für eine gelungene Geburtstagsparty eine sorgfältige Auswahl der Gäste, tolerante Nachbarn und eine geeignete Partylocation unabdingbar sind. Damit bekommt auch der Veranstalter Marek Lieberberg das versprochene „Magical-Mystery“-Wohnzimmer-Konzert, das die HOSEN ihm zum 60. Geburtstag geschenkt haben.

In diesem Sinne: Wir sehen uns 2012 beim Rock im Park!

Copyright Fotos: Karsten Rzehak

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