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S.P.O.C.K. – WELLE:ERDBALL – ONETWO

Ort: Leipzig WGT Kohlrabizirkus

Datum: 11.05.2008

Da ich sehr zeitig im Kohlrabizirkus ankam – mit dem Ziel, WELLE:ERDBALL keinesfalls zu verpassen – konnte ich dem kompletten Auftritt der Formation ONETWO beiwohnen, die dem Zuhörer durch eine kurze Anmoderation inkl. deutlichem Verweis auf die Vita der einzelnen Akteure schmackhaft gemacht wurde. Doch wie die nachfolgenden rund 45 Minuten zeigen sollten, handelte es hier um den überflüssigsten und belanglosesten Gig, den ich auf dem gesamten WGT zu hören und zu sehen bekam. Es erweist sich, so zeigte sich hier, als überaus töricht, eine Band auf den Fundamenten von so etwas wie vergangenem Ruhm zu errichten – so in diesem Falle geschehen mit den Herrschaften Paul Humphries vom ORCHESTRAL MANOEUVRES IN THE DARK (OMD) und Claudia Brücken von PROPAGANDA, ihres Zeichens beide in den 80er Jahren anzusiedeln. Der Elektropop, der als Endergebnis dieser Kollaboration entstanden ist, fällt wahrlich durch alle Raster. Zwar treten immer wieder durchaus loungige Passagen in das Gesamtbild, die mir recht gut gefallen haben und leicht an einige Titel SCHILLERs erinnern, aber schon einige Augenblicke später ruinieren Melodien und Soundeffekte, die auch getrost von MODERN TALKING hätten stammen können, den jeweiligen Song unwiderruflich. Kompositionen und Performance waren dann ungefähr so spannend wie ein Aquarium-Bildschirmschoner, und so stand ich mit großem Staunen vor der Bühne und schüttelte hin und wieder ungläubig den Kopf.
Beginn der Farce war pünktlich um 19:30h und der Kohlrabizirkus war locker mit Zuhörern übersät. Ich – zunächst vollkommen unbedarft – ahnte jedoch bereits nichts Gutes bei dem Blick auf gleich drei Synthesizer; wenngleich einer davon, so zeigte sich später, stets im Wechsel mit einer E-Gitarre bedient werden sollte.

Das Publikum zeigte sich durchaus geteilter Meinung; man kann nicht leugnen, dass sich so mancher Konzertbesucher sehr erfreut über die Darbietung ONETWOs zeigte. Als Song Nummer vier angestimmt werden sollte, gab es technische Probleme mit dem dritten Synthesizer, welcher nun erstmals hätte zum Einsatz kommen sollen. Sängerin Claudia war peinlich berührt, begann dann jedoch zögerlich, den für später vorgesehenen Titel „Cloud 9“ a cappella zu improvisieren. Die Publikumsreaktionen waren erstaunlich gut, und so haderte ich ein wenig mit meinem zuvor geformten Urteil über die Band. Als dann auch noch das OMD-Cover „Messages“ zum Besten gegeben wurde – die absolute Perle in dem Wust belangloser Kompositionen – hatte ich zum ersten Mal den Gedanken, dass ONETWO berechtigter Weise auf dem WGT gelandet waren: Die Beats in diesem Song sind druckvoll und mitreißend, die Synth-Melodie eingängig. Das Publikum erkannte den Song sofort und zeigte sich überaus enthusiastisch. Doch bereits beim nachfolgenden Titel „Dr. Mabuse“ verschwand die just in mir aufgekeimte gute Laune und wich der ernüchternden Vermutung, dass diese Band vermutlich keinen weiteren derartigen Song in petto haben würde. Da konnte selbst die songwriterische Unterstützung von niemand Geringerem als Martin Gore – so geschehen bei „Cloud 9“ – nichts dran ändern und so freute ich mich mit einigen weiteren Grüppchen, die um mich herum standen, als das Duo endlich den letzten Song angekündigte.

Setlist ONETWO
Theory Pt 2
Signals
Sequential
Cloud 9 (a capella)
Messages
Dr. Mabuse
Cloud 9
Kein Anschluss
Home tonight
P-Machinery

Wie zu erwarten, füllte sich der Kohlrabizirkus für den Auftritt der Retro-Popper WELLE:ERDBALL nun nahezu zum Bersten. Denn neben den Songs selbst erwartet den Konzertbesucher ja immerhin stets eine ganze Menge Entertainment. Eine tolle Stimmung entstand, da gemeinsam dem bevorstehenden Konzert entgegen gefiebert wurde. Auf der Bühne wurden einige Vorkehrungen getroffen; so etwa brachte man vier weiße Stellwände in Position, auf deren Vorderseite die Gesichter von Honey, A.L.F., Frl. Venus und Plastique projiziert wurden. Das ungeduldige Warten entlud sich in Pfiffen und Rufen, bis Honey vor dem eigentlichen Konzertbeginn schnell auf die Bühne gelaufen kam und auf das für den nächsten Tag angesetzte Akustik-Konzert (schwer vorstellbar) in der Moritzbastei zum 15-jährigen Bandjubiläum hinwies. Eingangs wurde eine Coverversion des KRAFTWERK-Klassikers „Die Roboter“ zum Besten gegeben und ich dachte melancholisch an die Zeit zurück, in der ich als kleines Kind fasziniert die betreffende 7inch-Vinyl meines Onkels – wohlgemerkt in rot – in den Händen hielt und anschließend auf dem Plattenspieler rauf und runter dudeln ließ… Das komplette WELLE:ERDBALL-Team hatte sich inzwischen auf der Bühne vor den Stellwänden eingefunden, wobei sie allesamt roboterartige Bewegungen aufführten. Dann wurden weitere vier Personen auf die Bühne getragen, jeweils ein optischer Klon der bereits dort stehenden Herrschaften. Ein wenig Verwirrung herrschte darüber, wer denn nun die Echten seien, bis sich die später Hinzugekommenen durch Masken als Fakes erwiesen. Kurz darauf wurden die Stellwände zu Schattenwänden umfunktioniert, hinter denen TänzerInnen erschienen. Als kleine Überleitung zu „Das Alpha-Tier” zelebrierte Honey die übliche Hommage an den altehrwürdigen Commodore C64 und sein 25-jähriges Bestehen. Die Damen hatten sich derweil hinter die äußeren beiden Schattenwände zurückgezogen, um sich demonstrativ zu entblättern und nach einiger Zeit im neuen Outfit hervor zu treten. Die Stimmung im Publikum war bis zu diesem Zeitpunkt bereits überaus überschwänglich, steigerte sich aber noch einmal deutlich, als der Klassiker „Schweben, fliegen, fallen“ präsentiert wurde. Die Damen verteilen hierzu die traditionellen Riesenballons, dieses Mal in rot, an das Publikum. Auch ein elektrisches Gerät im Brotkastengehäuse – man muss nicht lange raten, was das wohl gewesen sein könnte – wurde unter die Menge gegeben. Honey selbst zeigte sich immer wieder mehr als nur erfreut über das zahlreiche Publikum und die vielen positiven Reaktionen. Hin und wieder feuert er die Hörerschaft zudem mit seinem Ruf „Alles was drin ist!“ an. Getreu dem Motto „Hoch die Fahnen“ schwenkten Frl. Venus und Plastique beim entsprechenden Titel eben solche mit dem WELLE:ERDBALL-Logo und steuerten zwischendurch ihre Gesangsparts bei. Zu meiner Verwunderung bemerkte ich an dieser Stelle einen Crowdsurfer in der Menge. Der Erste des Festivals – sollte bei diesem Auftritt WELLE:ERDBALLs aber nicht der Letzte sein. Bei „Ich bin nicht von dieser Welt“ erkannte das Publikum erneut direkt die ersten Tunes und jubelte begeistert. Die Damen hatten sich derweil wieder hinter den Schattenwänden drapiert und performten singend mit dem Mikrofon, um einen Song später bei „Ich bin aus Plastik“ erstmals richtig im Mittelpunkt zu stehen: Jener neue Song wird (logischerweise) von Plastique gesungen, die für die Präsentation alleine mit Frl. Venus auf der Bühne stand. Mit „Arbeit adelt!“ und „Starfighter F-104G” inkl. Papierfliegerwerfen ins Publikum hatten WELLE:ERDBALL gegen Ende noch einmal zwei absolute Hits aufgefahren, wenn auch bei ersterem die linke Boxenseite im Kohlrabizirkus für etwa 45 Sekunden ausfiel. Als letzter Song war eigentlich noch „Monoton und Minimal“ vorgesehen, konnte aber mangels Zeit nicht gespielt werden. Am Ende des Gigs jubelte die ganze Halle noch einmal frenetisch, so dass sich Honey wahrlich gerührt zeigte. Überaus zufrieden nach diesem gut gelaunten Gig entschied ich mich nun noch, den ersten Klängen der nachfolgenden S.P.O.C.K. zu lauschen.

Setlist WELLE:ERDBALL
Die Roboter
Wir wollen keine Menschen sein
Das Alpha-Tier
Schweben, fliegen, fallen
Hoch die Fahnen
Ich bin nicht von dieser Welt
Ich bin aus Plastik
Arbeit adelt!
Starfighter F-104G

Da ich nicht zu spät zu WELTENBRAND kommen wollte, konnte ich den schwedischen Science Fiction-Liebhabern S.P.O.C.K. nur Platz für einige wenige Lieder in meinem Zeitplan einräumen. Bei Blick auf die Diskographie der Herren fällt sofort auf, dass seit dem Jahre 2001 keine neuen Outputs zu verzeichnen sind und die Band selbst seit 2002 keinen Fuß mehr auf deutschen Boden gesetzt hatte. Zum 20-jährigen Bandjubiläum sollte dem nun allerdings mit dem bevorstehenden Auftritt auf dem WGT Abhilfe geleistet werden. Zu erwarten war also eine solide Mischung des bisherigen Schaffens mit Fokus auf den altbewährten Klassikern wie „Never trust a Klingon“ oder „Astrogirl“. Grundsätzlich hinterließen S.P.O.C.K. während der wenigen Songs, die ich mir anhören konnte, den Eindruck, dass ich nicht allzu viel verpassen würde. Eingangs bot man „Reactivated“ dar und später konnte ich noch „Dr. McCoy“ und „Queen of space“ heraus hören. Zwar fand ich die Idee an sich ganz lustig, die Herren mal wieder in ihren spacigen Anzügen auf die Bühne zuholen, andererseits war das irgendwie alles nicht mehr so recht stimmig. Vielleicht ist deren Zeit einfach vorbei, denn da war – und das ist keine Anspielung auf das Alter der Herren – einfach nichts Frisches auf der Bühne. Wenngleich ich anmerken möchte, dass viele Besucher des Konzerts überaus guter Dinge und recht engagiert am Tanzen und Mitsingen waren. Im Endeffekt alles doch wieder nur Geschmackssache. Besonders bei den oben genannten Klassikern, die sicherlich später noch dargeboten wurden, wird die Atmosphäre im Kohlrabizirkus mehr als ausgelassen gewesen sein – und vermutlich hätte selbst ich aufgehört zu analysieren und einfach nur im Takt mitgewippt.

Copyright Fotos: Daniela Vorndran

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