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SALTATIO MORTIS

Ort: Osnabrück - N8

Datum: 02.04.2004

Und wieder einmal ist das finstere Mittelalter über Osnabrück hereingebrochen. Finster ist der Konzertabend im ehemaligen „Works“ schon alleine deshalb, weil sich unter den 250 Gästen doch erkennbar mehr schwarzgewandete „ritter unde juncvrouwen“ befinden als zeitgemäß altertümlich gewandetes Volk. Aber dieses Phänomen ist ja nicht nur von diversen Mittelaltermärkten, sondern auch aus den Konzerten der einschlägigen Gruppen bereits bekannt.

Die schwarze Szene hat einen Hang zum Mittelalter – oder zumindest liebt sie ihre ganz eigene Interpretation dieses Zeitalters. Schließlich lassen sich eigentlich nie Mitglieder dieser Jugendkultur dazu hinreißen, in der Öffentlichkeit so etwas profanes wie Holzschuhe, verfilzte Haare unter schlichten Hauben oder gar Stroh am Hosenbein zu tragen. Nein, ein bißchen edel soll es schon aussehen. So konstruiert man allenthalben das Mittelalter fröhlich neu: Eine Prise Fantasy und ein bißchen Romantik, das ganze garniert mit Pannesamt und Rüschen. Und trotz aller historisch begründeten Einwände – das Ganze hat unbestreitbar Charme, auch, wenn dieser stark ins Karnevalistische spielt.

Schon eineinhalb Stunden, bevor die wilden Sieben endlich auftreten, drängen sich die dunklen Funkenmariechen vor der Bühne. Sie warten geduldig auf die Stars, die auch mal klein angefangen haben: So trauere ich insgeheim der urwüchsigen Atmosphäre hinterher, als SALTATIO MORTIS noch auf dem Bielefelder Sparrenburgfest in Lederröckchen auf einer schwankenden Mini-Bühne aufgetreten sind und sich die Aufmerksamkeit der oftmals betrunkenen Schar noch erkämpfen mußten. Hach.

Um es vorwegzunehmen: So viele Leute, so eine kleine Location, so ein wilder Auftritt mit Pyro-Show… dieses SALTATIO MORTIS-Konzert hat den Charakter eines Gewitters im Schuhkarton. Schon fünf Minuten, nachdem die Spielleute angefangen haben zu spielen, sind sowohl Fans als auch Musiker völlig durchgeschwitzt. Nun gut, das hat Vorteile: So kommt Sänger Alea der Bescheidene wenigstens nicht auf den Gedanken, seinen Oberkörper zu verhüllen. Und auch der Rest dieser Independent-Boygroup gibt sich zielgruppenfreundlich offen: Die Damen haben viel zu gucken, zeigen doch sowohl Lasterbalk der Lästerliche (Percussion, Davul etc.) als auch Die Fackel (Gitarre, Sackpfeifen, Schalmeien etc.) gerne mal Haut. Überhaupt bemühen sich die „tanzenden Toten“ darum, möglichst viele Erwartungen zu befriedigen: Ihre Kleidung ist eine seltsame Mixtur aus futuristischen und archaisierenden Elementen, ebenso ihre Musik. Sie wollen zugleich rockig, synthetisch-elektronisch und mittelalterlich klingen; und irgendwie schaffen sie es auch. Aber zuweilen ist diese Kombination doch eine echte Reizüberflutung. Zwar gefallen mir die Songs aus „Erwachen“ recht gut, da hier das Elektronische nicht so stark ins Gewicht fällt und Die Fackel öfters mal derb auf die E-Gitarre hauen darf. Die „Erwachen“-Songs sind recht bodenständig, schlicht strukturiert und daher wirkungsvoll. Dafür zwei Daumen hoch.

Aber zwischendrin spielt die Band auch Songs vom Album „Das zweite Gesicht“, und hier wirkt der Spagat zwischen den Musikstilen doch etwas arg gekünstelt. Ein an Future Pop erinnernder Baß rummst dumpf herum, zwischendrin trötet Falk Irmenfried von Hasen-Mümmelstein (so nennt er sich wirklich) ein bißchen mittelalterliche Akzente hinein und Alea bemüht sein zwar kontinuierlich sicherer gewordenes, aber dennoch noch immer etwas dünnes Stimmchen. Ich will wirklich nicht meckern: Die instrumentale Seite fast aller Songs ist wuchtig, routiniert, durchschlagskräftig. Keiner wird behaupten wollen, SALTATIO MORTIS seien Virtuosen, aber sie machen auf selbstironische Weise eine Menge Spaß.

Doch eines ist klar: Falk hat eine wesentlich männlichere Stimme als Alea, tiefer und voller. Er sollte viel öfters den Leadsänger geben. Die absoluten Highlights dieses ausgiebigen Konzerts sind unbestritten die Songs, in denen sich SM auf ihre Wurzeln besinnen: als mittelalterliche Stimmungsmacher ohne viel Brimborium sind sie nämlich unschlagbar. So rockt ihre Interpretation des Palästinaliedes nach Walter von der Vogelweide wirklich unglaublich: vier Sackpfeifen und ein Halleluja! Warum nicht immer so? Sie geben ihren Fans zwar nur den üblichen Vor-und-Zurückwiegen-Tanz, aber hier zeigt sich einmal mehr: Das Einfache ist das Überzeugende. Sich in tausend Showeinlagen und zweitausend Musikstilen zu verzetteln ist doch eher unproduktiv. CORVUS CORAX und TANZWUT gibt es schon. Es ist nicht nötig, noch eine solche musikalische Schizophrenie aufzubauen. SALTATIO MORTIS haben ihre eigenen Qualitäten und es täte ihrem Stil gut, sich daran zu erinnern.

Copyright Fotos: Heike Pfaff

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