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SCHILLER

Ort: Gütersloh – Theater

Datum: 19.11.2017

Wenn in der kulturellen Einöde Gütersloh schon mal ein namhafter Künstler auftritt, bin ich natürlich dabei – zumal wenn ich keine 2 Kilometer Luftlinie vom Konzertort residiere. Also wurde der Münster-Tatort kurzerhand einprogrammiert, und los ging es zum Gütersloher Theater, ein architektonisch wirklich gelungenes Gebäude, das an diesem Abend ausverkaufte Heimstatt für SCHILLERs ausgiebige Klangwelten-Tour sein sollte. Ich habe Christopher von Deylens elektronische Spielwiese schon häufiger gesehen, allerdings in etwas „anderem“ Ambiente und zumeist mit Gastsängern, wie etwa 2004 mit Peter Heppner im Bielefelder Ringlokschuppen. Mein Gott, so lange ist das schon her?

Im Foyer des Spielorts wurde zunächst mal stilecht ein Prosecco geschlürft, passend zum anwesenden Bildungsbürgertum im eher gesetzteren Alter (mich eingeschlossen!). 70 Euro für eine Karte sind natürlich auch schon mal eine Hausnummer. Wir durften in der allerletzten Parkett-Reihe Platz nehmen, von der man einen guten Ausblick auf das Treiben hatte. Ok, Treiben ist etwas übertrieben, denn die Bühnenaction sollte sich doch – erwartungsgemäß – arg in Grenzen halten. Die Spielgeräte waren natürlich längst aufgebaut, an denen Mastermind Deylen (mittig an den Reglern), Cliff Hewitt rechts (allerlei elektronisches Schlagwerk) sowie Martin Roberts links (Gitarre plus Electronica) performten. Ohne Umschweife ging es direkt mit „Klangwelten“ und „Ultramarin“ los. Der Sound bombastisch austariert, mit perfektem Klang und vibrierenden Bässen, ohne zu laut oder übersteuert zu sein. Dafür so gut wie kein Licht und damit fotographisch eine ziemliche Katastrophe. Das dürfte allerdings die anderen Anwesenden kaum gestört haben. Erst nach der Bandhymne „Schiller“ adressierte Christopher zum ersten (und einzigen) Mal in Set 1 das Publikum, lobte die Location und sprach ein paar unverbindliche Worte. Kommunikation ist anscheinend nicht so seine Sache, dafür geht er hinter den Knöpfchen und Reglern geradezu auf. Im Folgenden wurde auch die Leinwand im Hintergrund für passende Filme, Animationen etc. verwendet, diese ist allerdings vergleichsweise klein und konnte so nicht den maximalen Eindruck erreichen.

Wie bereits erwähnt fehlten Vocals/ Gastsänger komplett, so dass der Focus eher auf einen zusammenhängenden Flow gelegt wurde, die Stücke gingen teils in einander über, welche die bisherigen 9 Studioalben gut abdeckten. Sehr bekannt z.B. „Das Glockenspiel“ vom 1999er Debüt „Zeitgeist“. Aber natürlich wurde auch das neueste Werk „Future“ (aus dem Jahre 2016) entsprechend berücksichtigt. Nach knapp 65 Minuten war dann Teil 1 des Abends beendet, und die Zuschauer spendeten sehr ordentlichen Applaus. Von einem „richtigen“, emotionalen Konzerterlebnis war das Ganze in meinen Augen aber doch etwas entfernt. Sicherlich Geschmackssache, in der nun folgenden Pause hörte man sehr viel überschwängliches Lob für die Darbietung. Ein Kuriosum in meiner doch schon sehr langen Konzerthistorie sollte nun aber folgen: Während wir in der Skylobby unter dem Dach ein kleines Pausengetränk zu uns nahmen, erfolgte plötzlich via Lautsprecher die Ansage, man möchte doch bitte sofort das Gebäude evakuieren. Zunächst noch etwas erstaunt verließen die gut 500 Besucher dann recht geordnet das Theater, viele nicht ohne sich noch vorher ihren Mantel von der Garderobe zu holen. War ja schließlich kalt draußen… Während ein Feuerwehrwagen anrollte, durfte man zum Aufwärmen in die gegenüberliegende Stadthalle, wo die ganze Situation natürlich ausgiebigst diskutiert

wurde. Schlussendlich lag es wohl am Rauch aus dem Theatersaal, der in der darüber liegenden Lobby die entsprechenden Melder aktiviert hatte. Eine wirkliche Gefahr bestand zu keiner Zeit. So konnte es nach dieser „interessanten“ Zwangspause mit Set 2 weitergehen, das mit einer kurzen Sequenz begann, bei welcher von Deylen an den Bühnenrand trat und musizierte. Viele hätten sicherlich einen kleinen, launigen Kommentar zu dem „Zwischenfall“ von sich gegeben, der Norddeutsche blieb bei seinem starren Konzept und somit wortlos. Dafür präsentierte sich die visuelle Seite der Darbietung nun noch etwas variantenreicher, beispielsweise wurden die Leuchtstäbe auf der Bühne intensiver genutzt. Nett auch der „schwerelose“ CvD auf der Leinwand beim gleichnamigen Song, hier wurde die Einheit von Bild und Ton konzeptionell gut umgesetzt. Dafür fehlte (mir) der liebe Herr Heppner bei „Leben… I feel you“ doch arg. Mit dem allseits bekannten, sehr rhythmischen „Ruhe“ endete dann nach 22:30 Uhr auch das 2te Set, und die SCHILLERs verbeugten sich salbungsvoll vor Ihrem Publikum, welches vielleicht nicht enthusiastisch aber doch lautstark salutierte. Hier stellte der Chef dann noch seine 2 Mitmusiker vor.

Zuguterletzt ging es dann ohne Umschweife noch in eine kurze Verlängerung, bevor dann endgültig der imaginäre Vorhang fiel und die ostwestfälischen Besucher in die kalte Nacht entlassen wurden. Fürs Zuhause konnte man noch die eigens für die Tour komponierte „Einlassmusik 13 bzw. 14“ erwerben, auch schon eine Tradition bei SCHILLERs Konzertreisen. Für mich letztendlich eine etwas zwiespältige Sache, Setlist und Klang konnten definitiv überzeugen, die visuelle Seite hätte ich mir opulenter vorgestellt und Interaktion gab es so gut wie keine. Bei einem ähnlich gelagerten KRAFTWERK-Auftritt hat das bei mir funktioniert, doch heute sprang der Funke nicht so über. Ob das dann letztendlich die 70 Euro wert ist, soll am besten jeder für sich selbst entscheiden, da möchte ich mir kein Urteil anmaßen. „Viel Rauch um nichts“ wäre sicherlich ein zu zynisches Motto für den Abend, aber ich denke, dass mir vor allem die Evakuierungsaktion im Gedächtnis bleiben wird…

Setlist
Set 1
Klangwelten
Ultramarin
Schiller
The Future III
Once Upon a Time
Das Glockenspiel
Tiefblau

Set 2
(Unknown) (Christopher am Bühnenrand)
Berlin – Moskau
Leben… I Feel You
Schwerelos
Denn wer liebt
Sehnsucht
Polarstern
Ruhe

Mitternacht
Opus: Reprise

Copyright Fotos: Karsten Thurau

1 Kommentar

  1. oldknobber sagt:

    Ich besuchte das ähnlich strukturierte Konzert gestern in der Rudof-Oetker-Halle (04.02.2018). Ich bin kein „geborener“ Fan von Schiller, aber jahrzehnte langer Hörer von verschiedenster Electronic-Music. Ich musste nun doch ‚mal Schiller live erleben. Der 5.1 Sound war in der Halle Mist!
    Oft verzehrt und durchgängig zu laut.
    Die feinen Klangstrukturen, wozu die Geräte vom „Hr. Schiller“ fähig sind, waren nur rudimentär erkennbar. Stellenweise war nur „Klangbrei“ erkennbar.
    Auch das zelebrierende Anschlagen/Berühren von Tastern und Pads, fand ich überzeichnet und albern. Es sollte wohl den Wert seiner Musik steigern.
    Die fast 60 € hätte ich in Blueray’s von ihm besser angelegt. Die Gesichter der Gäste am Schluss im Foyer habe ich bei Konzerten anderer Musiker als „glücklicher“ empfunden. Ich bin dann wohl mit meinem Urteil nicht ganz alleine! —- Ich fuhr gegen 22.30 Uhr enttäuscht nach Hause. — Einmal Schiller war genug!

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