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SECRET GARDEN FESTIVAL 2006

Ort: Hannover - Gilde Parkbühne

Datum: 15.07.2006

An diesem wunderschönen Samstag luden Kai Hawaii und Hannover Concerts zum mittlerweile 5ten Secret Garden Festival ein, so dass der Weg über die Ost-West-Achse für uns natürlich Pflicht war. Zwar hatte es schon am Freitag Abend im Capitol eine Art Aufgalopp gegeben (mit den Elektronikern THIS MORN’ OMINA, SHNARPH! und AGONOIZE), wir entschieden uns aber für ein reines Outdoor Vergnügen. Dies fand an der Gilde Parkbühne statt, welche praktischerweise direkt neben der AWD Hall liegt. Nach einer problemlosen Fahrt trafen wir gegen etwa 15 Uhr an dem Gelände ein, neugierig auf Location und Zuschauerzuspruch. Das Line Up mit den drei „großen“ Namen OOMPH!, NEW MODEL ARMY und DEINE LAKAIEN war zwar sehr namhaft aber auch äußerst heterogen, will sagen, es würde spannend sein zu sehen, ob sich die Zuschauer-Segmente addieren oder eher gegenseitig behindern. Leider wurde schnell deutlich, dass letzteres der Fall war: Nur ein recht verloren wirkendes Häuflein Schwarzgewandeter bevölkerte um diese Zeit die Konzertstätte, von denen die meisten noch Schutz unter den links gelegenen Bäumen suchten. Später wurde es dann natürlich doch etwas voller, aber viel mehr als 1200 Besucher dürften es nicht gewesen sein. Eigentlich viel zu wenig, wenn man bedenkt, dass jeder der drei Headliner alleine locker 2000 Leute ziehen kann. Da hat sich wohl manch einer die Frage gestellt, ob es sich lohnt für eine (oder vielleicht 2) Formationen um die 40 Euro zu zahlen, wenn er diese auf Tour deutlich günstiger zu Gesicht bekommen kann. Der „schöngeistige“ Lakai passt dann vielleicht doch nicht so zu hartem Electro Rock oder klassischem Indie. Außerdem fanden mit der wiederauferstandenen/ neu ausgerichteten Love Parade und dem Gratis Festival „Bochum Total“ (zeitgleich mit SONO, MELOTRON und DOG EAT DOG) auch nicht unbedeutende Konkurrenzereignisse statt.

Doch genug geunkt, außer der leicht reduzierten Publikumsmasse gab es an diesem Tag nichts, was man negativ anmerken könnte. Ausreichend Stände für Getränke und Devotionalien waren vorhanden, eine Mittelalter Ecke (leider kaum frequentiert), eine Tribüne zur Erholung nach wildem Tanz und natürlich die fette Bühne als Zentrum. Doch wo war die zweite? War die kleine Newcomerbühne etwa so putzig, dass man sie mit der Lupe suchen musste? Des Rätsels Lösung kam schnell, denn bei der Second Stage handelte es sich nur um eine Art Vorbau der Großen, welche im Prinzip von allen Bands als Steg genutzt werden konnte. Eine recht kuriose Lösung, wie ich fand, aber so konnte sich zumindest nichts überlappen. Just in dem Moment, als ich ein paar Fotobeweise machen wollte, stapften die Opener ZERITAS auch schon wieder von dannen, ein kurzer Flirt mit den 5 standhaften Damen in der ersten Reihe inklusive. So kann ich nichts berichten über die Deutschen, welche ihren Slot per Voting gewonnen hatten, der erste kleine Umbau begann.

Kurze Zeit später trat der umtriebige Kai Hawaii vor die Leute, um – wie auch den ganzen weiteren Tag über – den nächsten Act anzusagen. Der war dann nicht wie geplant SECRET DISCOVERY (die wohl im Stau steckten), sondern gleich der nächste „Newcomer“: SOUND TESSELATED aus Ost-Berlin. Ich hatte vor längerer Zeit mal Kontakt mit Sänger Ricardo, so war mir dessen leicht schrullige Art bereits bekannt, die nun auch livehaftig zum Ausdruck kam. In helle Freizeitkleidung gesteckt brach er auf lockere Art mit den Erwartungen eines Szene Festivals, zudem konnte er mit witzigen Ansagen und einer sehr feinen Stimme punkten. Neben ihm auf der Bühne befanden sich noch 2 Live Musiker an Keys und Saiteninstrument, welche den (grob gesagt) Synthie Pop etwas untermalten. Zwar bemühten sich nur wenige direkt vor den Dreier, aber auch im hinteren Bereich hörte man durchaus wohlwollende Beurteilungen über die 20 Minuten Performance. Mit Liedernamen kann ich nicht dienen, vermute aber, dass u.a. Material des letzten Studiowerks „Dizzy“ aus dem Jahre 2004 präsentiert wurde. Für ca. 2007 versprach der Meister dann auch neues Material, zu den schnellsten gehören die Mannen nicht, man lässt die Kompositionen lieber etwas reifen.

Danach konnten dann die Bochumer Gothic Rock Urgesteine SECRET DISCOVERY endlich loslegen, die nach eigenem Bekunden 3 Stunden im Stau standen. Nun war es leider vor ihnen etwas übersichtlicher als auf den Straßen zuvor, wenngleich das erste Mal ein paar mehr Leute ihre Aufwartung ganz vorne machten. Man hatte ja vor nicht allzu langer Zeit noch im Capitol (mit UNHEILIG) gespielt, auch den späteren Headliner OOMPH! „durfte“ man bereits supporten. Der wohlgebaute/ sonnengebräunte Sechser präsentierte eine professionelle Show, wie man es von ihm gewohnt ist. Im Zentrum der Action natürlich Shouter Kai Hoffmann, der sich bei Posing und Gesang keine Blöße gab, dazu füllten die anderen (Falk, Ramses usw.) die Bühne ordentlich mit Leben. Der Sound war übrigens den ganzen Tag über erstklassig: Klar und druckvoll, aber nicht zu laut, ein Lob an die Techniker. Richtig lange währte das Set der Ruhrgebietler allerdings nicht, nach Hits wie „Tanz mit mir“ wurde mit der treibenden Cover Version „Rebel Yell“ der Auftritt schon wieder beendet, hier sah man dann auch endlich tanzende Menschen auf dem satten Grün.

Auf die nächste Formation freuten sich sicher nicht nur die anwesenden Damen: Die smoothen Elektroniker DIORAMA besitzen schon seit geraumer Zeit einen sehr guten Namen in der Szene, so dass sich das Rund nun weiter füllte. Vielleicht ist hellster Sonnenschein nicht gerade die optimale Szenerie für den beizeiten recht schwermütigen Sound, aber damit musste das Quartett leben. Zumindest sah es so aus, als habe man schon ein wenig unter der Sonne leiden müssen, denn insbesondere Torben und Sash waren teilweise leicht rot eingefärbt. Dazu kamen dann noch Bernard Le Sigue am Bass rechts und Keyboarder/ Background Sänger Felix Marc hinten, der ja mittlerweile bei FROZEN PLASMA als Fronter fungiert. Mädchenschwarm Torben Wendt wirkte heuer noch ein wenig bubihafter als sonst, es wurde gemunkelt, dass er ein wenig abgenommen habe. Neben diesen hochwichtigen Infos sollte seine fantastische Stimme nicht vergessen werden, ebenso wie seine ausdrucksvolle Performance. In einem vollen Club wäre die Stimmung sicher übergekocht bei Tracks wie „Her Liquid Arms“, „Advance“, „The Girls“ oder „Someone Dies“, aber auch hier und heute wiegten einige ihre Körper im Takt. Jetzt waren die meisten Anwesenden mental so richtig beim Festival angekommen! Übrigens nehmen DIORAMA in Villach (Österreich) gerade ihre nächste CD in einer Art Waldhütte ganz in der Nähe der slowenischen Grenze auf.

Doch zurück nach Niedersachsen: Nun wieder einen Newcomer auf die Vorbühne zu stellen, war strategisch sicher nicht gerade durchdacht. Zwar freute ich mich persönlich, die „Verrückten“ der PATENBRIGADE: WOLFF mal bei ihren Baumaßnahmen zuzusehen, doch für die Allermeisten dürfte dies eher eine Begegnung der dritten Art gewesen sein. Brigadier Sven Wolff (auch Chef von DUST OF BASEMENT) und Brigadeleiter Lance Murdock hinter den Keyboards, dazu vier kernige Bauarbeiter, die für die Absperrung sorgten (darunter wieder die beiden Musikanten von SOUND TESSELATED), das war schon ein recht eigenwilliger Anblick in Straßenarbeiter-Orange. Dürfte der Truppe doch recht warm geworden sein, so dass ein ums andere Bier stilecht die Arbeiterkehlen hinunter floss. Dazu präsentierte man instrumentalen und rhythmischen Electro für Turmkranführer, der in rauchigen Clubs sicher besser aufgehoben ist. Man nahm das aber alles mit einem Augenzwinkern und integrierte noch ein paar Show-Elemente wie ein Old School Radio oder Straßenschilder in die Darbietung. Ich fand es witzig, auch dass der Kolonne dann irgendwann einfach der Saft abgedreht wurde und sich die Herren verdutzt anblickten. Demnächst kommt die neue Single „Gefahrstoffe“ mit Gastsängerin SARA NOXX.

Jetzt war es aber an der Zeit für die „großen Drei“, von denen DEINE LAKAIEN den Anfang machen sollten. Der Umbau war im Grunde nicht gerade kompliziert zu nennen, denn die Herren Horn und Veljanov wollten heute ihre Akustik Show zum Besten geben, „nur“ ein Flügel plus Gesang, das reicht für große Kunst. Der Andrang vorne wurde nun richtig intensiv, wenngleich die „Lakaien“ sicher schon opulentere Audienzen gesehen haben. Nichtsdestotrotz war Alexander „gut drauf“, das merkt man bei ihm ja schon meist in den ersten Minuten. Nur Haare und Hose wirkten leicht zumselig, wo hatte sich der Meister wohl herum getrieben? Es begann eine eindrucksvolle Performance, bei der Ernst so ziemlich alles an seinem Instrument gab: So agierte er beizeiten gefühlvoll, dann aber „malträtierte“ er auch wieder die Klavierseiten direkt mit einem Stab, was zu harten, fast dissonanten Klängen führte. Wunderbare Stücke wie „Over and Done“, „Dark Star“, „Wasted Years“ oder „Where you are” ließen die Fans schwelgen, auch Anhänger eher härterer Töne kamen nicht umhin, der Leistung Respekt zu zollen. Herr Veljanov brachte mal wieder ein paar seiner schrägen Anmoderationen, so erzählte er beispielsweise etwas von einem „absurden Theater“, was wohl mit den Umständen des Festivals zu tun hatte (insbesondere die Temperatur). Nach einer ausgiebigen Darbietung wurde nun auch endlich eine Zugabe gefordert, die mit einem launigen „Vamos a la playa“ von Alexander scherzhaft eröffnet wurde. „Love me to the End“ und (in der zweiten Verlängerung!) „Overpaid“ bildeten würdige Schlusspunkte unter diesen überzeugenden Auftritt des Duos.

Now to something complete different: NEW MODEL ARMY verfolgen sicher einen komplett anderen musikalischen Ansatz, wenngleich auch ihre Konstanz und der lyrische Anspruch gar nicht so weit von den LAKAIEN entfernt liegen. Im Laufe des Tages hatte man schon einige NMA-Shirtträger gesehen, die nun ihre meist massiven Körper nach vorne wuchteten. Im November des Vorjahres hatte ich sie im Bielefelder Ringlokschuppen gesehen und war schon damals begeistert von ihrer energievollen Performance, mal sehen, wie sie sich auf einem Festival schlagen würden. Zu fünft kamen die Insulaner nach oben: Ikone Justin Sullivan (mittlerweile 50 Jahre alt) plus Bassist Peter Nice Nelson, Gitarrist Marshall Gill, Keyboarder Dean White und Drummer Michael Dean, eine altersmässig gut durchmischte Truppe, die aber tight wie hell zusammen aufspielt. Nachdem im ersten Teil des Sets eher ein paar Titel des aktuellen Albums „Carnival“ präsentiert wurden (wie beispielsweise „Another Imperial Day“ oder „Island“) folgte dann mit „Here comes the War“ ein zwischenzeitlicher Höhepunkt, der durch die Aneinanderreihung von Klassikern noch mal getoppt wurde. Songs wie „Vagabonds“, „White Coats“, „No Rest“, „Get me out“ oder „Poison Street“ sind aber auch wirklich Alltime Favourites, welche die meisten mitsingen konnten, vorne wurde gar ein wenig gepogt. Dazu hatte Justin auch immer mal ein paar geistreiche Sprüche parat, auch auf deutsch. So machte er den Anwesenden Mut, als er erklärte, dass man in ein paar Jahren stolz darauf sein würde, bei diesem kleinen aber feinen Festival zugegen gewesen sein wäre. Auch witzig die Bemerkung, man müsse endlos lang spielen, da der Headliner nur im Dunkeln auftrete. Später bei der Zugabe noch mal getoppt durch die Ergänzung, dass es in Hannover aber ziemlich lange hell sei… Das intensive „Green & Grey“, bei dem Justin zum wiederholten Male die Akustikklampfe bediente, sowie das programmatische „I love the World“ beendeten einen fast 80 minütigen Triumphzug der alten Helden. Für OOMPH! würde es sehr schwer sein, diesen zu toppen.

Nach einer weiteren moderaten Pause, zu deren Ende es zumindest dämmerte, hatten die Wolfsburger ihren großen Auftritt. Übrigens nicht ohne die Einheimischen mit Braunschweiger Schlachtgesängen zu ärgern, die fußballerische Rivalität zwischen den Nachbarstädten ist ja allseits bekannt. Dafür verwöhnten die Mädels in den ersten Reihen die Musiker mit (selbstgebackenen?) Keksen und später mit wildem Geschrei. Das sollte OOMPH! zumindest ein wenig vergessen machen, dass man sonst doch vor erheblich mehr Publikum auftritt. Auftritt: Flux, Crap plus Bassist und Drummer hinten in Soutanen. Und dann natürlich Dero in der allseits bekannten Zwangsjacke mit Augenrollen und Zungeherausstrecken. Der Höllenritt konnte beginnen. Dass man mittlerweile relativ viele Lieder der beiden letzten Erfolgsalben spielt, ist ja überall bekannt, von daher wurden die entsprechenden Titel in den ersten Reihen heftigst abgefeiert und hinten recht wohlwollend quittiert. Als da wären Morricones „Die Schlinge“, Gollums „Mein Schatz“, „Sex hat keine Macht“, „Brennende Liebe“, „Augen auf!“ und zum Abschluss die „blasphemische“ Single „Gott ist ein Popstar“, das alles unterlegt von entsprechendem Videomaterial auf der großen Leinwand. Der Spot lag eindeutig auf Dero, die Mitmusiker agierten auch lichttechnisch deutlich im Hintergrund. Dafür divte der Fronter gleich zweimal ins johlende Publikum. Mit „Gekreuzigt“ und „Das weisse Licht“ gab es dann auch mal Ausflüge in die Bandhistorie. Ein klein wenig enttäuscht schienen die wahren Anhänger, als ihnen als einzige Zugabe das bekannte „Mein Herz“ in der A Capella-Version kredenzt wurde, man hätte sicher gerne noch mehr gehört. Ich bin mir aber ziemlich sicher, dass vorschriftsmäßig um 23 Uhr Schluss gemacht werden musste, von daher war die Spielzeit von ca. 70 Minuten absolut in Ordnung.

Als kleiner Nachschlag zum Festival fand in Hawaiis Stammdisko Capitol noch eine Aftershow Party statt, auf der man sicher Musiker und VIPs wie Eric Burton, Kevin (NCOR), Lorenz Macke oder ALF von der WELLE:ERDBALL antreffen konnte, man hatte sogar eigens drei Shuttle Busse organisiert! Daran erkennt man noch einmal die professionelle und liebevolle Orga der Veranstalter, die bis auf den vielleicht etwas zu hohen Preis nichts falsch gemacht haben. Von daher hoffe ich, dass es sich finanziell doch einigermaßen gerechnet hat und einer Neuauflage im nächsten Jahr nichts im Wege steht! Wir sind gerne wieder dabei.

Copyright Fotos: Karsten Thurau

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