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SERENGETI FESTIVAL 2006

Ort: Schloss Holte-Stukenbrock - Festivalgelände am Stadion

Datum: 20.05.2006

Lange musste Ostwestfalen auf ein eigenes, großes Rock-Event warten, doch im Jahre 2006 nach dem Herren wurde Abhilfe geschaffen: Das Serengeti-Festival in Schloss Holte-Stukenbrock ward ins Leben gerufen. Doch warum Serengeti und warum ausgerechnet in dem verschlafenen kleinen Kaff zwischen Bielefeld, Gütersloh und Paderborn? Der Titel bezieht sich ganz einfach auf den relativ bekannten Safari Park in der Nähe, und der Ort ist der Hauptsitz der VIBRA-Agency, mithin die Veranstalter dieses und vieler anderer lokaler bis deutschlandweiter Spektakel. Mit dem Open Air erfüllte man sich offensichtlich einen langgehegten Traum und setzte dafür bei der Erstauflage auf viele Freunde und Bekannte. Fast alle Bands sind irgendwie mit der Booking/ Promotion Firma verbunden, sei es auf persönliche oder „wirtschaftliche“ Art und Weise. Nur so ist wahrscheinlich auch der fantastisch niedrige Preis von 10 Euro im VVK (15 an der Abendkasse) zu erklären, für den man normalerweise kaum mehr eine Nachwuchsband zu Gesicht bekommt. Schon lange stand demnach für den Terrorverlag fest, dort mit einer breiten Delegation aufzulaufen, der Tag konnte kommen…

Und der Tag bot leider von Anfang an fiesestes Wetter auf. Nur eine Woche zuvor war eine richtige kleine Hitzewelle durchs Land gegangen, dieser Samstag überbot sich aber selbst mit immer neuen Schauern und heftigen Windböen. Kein gutes Omen für das Serengeti, aber wer wird sich denn von solchen Kleinigkeiten abhalten lassen? So machten wir uns dann unwesentlich später als geplant gegen 18 Uhr auf in den Kampf gegen Nässe und Kälte, während das „Kamerateam“ schon etwas früher vor Ort war. Pünktlich zu unserer Ankunft fing es wieder an zu plästern, einige versprengte Gestalten „irrten“ durch die zweigeteilte Gemeinde, und der Austragungsort wurde relativ schnell aufgespürt. Etwas gutes hatte das Wetter ja: Man konnte zu dem Zeitpunkt noch direkt am Gelände einen Parkplatz ergattern und zudem von weniger leidensfähigen Menschen günstig Karten erwerben. Aber am Ende sollte alles gar nicht so schlimm werden, nach einem regnerischen Auftakt hielt die Wolkendecke bis kurz vor Schluss und gegen die Frostbeulen halfen Gruppenkuscheln und musikalische Bewegungstherapie! Bei der Location handelte es sich um eine Art Rasenplatz (zumindest vorher) in der Nähe von Stadion und Hallenbad, auf dem zu dieser Stunde schon einige Hundert Menschen unterwegs waren. Darunter jüngere „Szeneleute“ aber zumeist Menschen wie du und ich, die sicher auch vom geringen Obolus angelockt worden waren. Auffallend dabei ein paar Vertreter der „Turbojugend“, teilweise mit recht weiter Anfahrt. Die meisten wollten sich zunächst mal mit Speisen und Getränken eindecken, also musste man sich mit dem vor Ort praktizierten Wertmarken-System bekannt machen. Bevor man ein kühles Blondes in sich hineinschütten konnte, galt es zunächst eine längere Wartezeit an den diesbezüglichen Ausgabestellen zu überstehen. Hier sollte man für die Zukunft etwas aufstocken, nicht auszudenken, was bei richtiger Hitze für ein Andrang gewesen wäre, außerdem sind 3 Euro für eine Cola definitiv zu viel. Unbestätigten Gerüchten zufolge herrschte auch eine rege Nachfrage nach Glühwein, die leider nicht erfüllt werden konnte… Sonst war an Fressalien alles vorhanden, was man üblicherweise in der Freiluftsaison erwartet, von daher wollen wir uns jetzt der Musik widmen.

Auch hier schien es bereits zu einigen Verzögerungen gekommen zu sein, so dass man beispielsweise WATERDOWN leider ohne Gig wieder nach Hause schicken musste (obwohl der ja sehr zur Regendusche gepasst hätte…), sehr schade für die Jungs aber wohl nicht anders machbar wegen gefährlicher Sturmböen. Demnach waren nun KID ALEX aus Hamburg an der Reihe, die sich mit so einem Wetter eigentlich auskennen müssten. Ich gestehe, dass mir der Name vorab kaum etwas sagte, also war etwas Recherche angesagt. Kopf der Truppe ist ein gewisser Alex Ridha, der sich schon sehr jung als DJ einen Namen machen konnte und mit seiner musikalischen Multi Kulti Truppe einem Mix aus Rock, Electro, Funk, House etc. frönt. Anno 2006 hat man bereits 2 Alben am Start („Colorz“ und das aktuelle „Restless“), von denen dann auch die wenigen präsentierten Songs stammten. „Wenigen“, weil den Mannen da oben auf der Bühne wohl während der Darbietung die Setlist zusammengestrichen wurde aus bereits erwähntem Zeitdruck. Gefiel der Band aber nicht wirklich, wie man den Ansagen entnehmen konnte, zumal der Aufbau jetzt deutlich länger gedauert hatte als der Gig selbst. Der war übrigens überraschend launig, hätte ich bei den angekündigten Musikstilen gar nicht erwartet. Die Gitarren standen eindeutig im Vordergrund bei Songs wie „USA“, und die sich mehrende Menge machte schon gut mit. Leider sorgte ein weiterer Schauer für eine Minderung der Kurzweil, aber irgendwie passend zum kurzen Auftritt.

Danach sollten die „großen 4“ auftreten, für die wir eigentlich auch am Start waren. Und die meisten anderen wohl auch, denn das Areal füllte sich nun doch sehr ordentlich. Schwer zu schätzen, aber 3000 bis 5000 Menschen könnten es am Ende doch gewesen sein, da meinte es der Himmel gnädig und setzte bis auf weiteres mit der Bewässerung aus. Zeit für ein wenig Skandinavien-Appeal im weiten Rund!

Ob man der Anmoderation nun Glauben schenken wollte oder nicht, SUGARPLUM FAIRY seien extra für diesen Gig in Ostwestfalen stundenlang und mehr als 1000 km aus Schweden angereist, das Quintett wurde auf jeden Fall mit wohlwollendem Applaus begrüßt und die Möglichkeit, sich bei ordentlichem Garagenrock den Regen aus den Klamotten zu schütteln, gerne angenommen. Nach ihrem erfolgreichen Debütalbum „Young & Armed“ arbeitet die Kapelle zurzeit an ihrem Nachfolgealbum und testete unter anderem mit „Soul of the sun“ und „She“ bald erscheinendes Material beim Publikum an. Die BEATLES- und OASIS Obsession der Protagonisten ist wie immer unüberhörbar, und hier und da wurde schon in kleiner Runde getanzt. Dem überwiegend weiblichen, sehr jungen Publikum in den ersten Reihen reichte eh schon der bloße Anblick von Victor, Carl und Konsorten, um in Verzückung zu geraten und dies mit ordentlichem Gekreische zum Ausdruck zu bringen. Der Schwerpunkt lag während des ganzen Sets auf den Volldampfnummern, so durfte natürlich „Morning Miss Lisa“, „Godfever“ oder „Far away from man“ nicht fehlen, einzig „Sweet Jackie“ bot eine kurze Verschnaufpause. Halbstarken-Posing und großkotziges Auftreten beherrschte die Kombo bereits, als ich sie vor einem Jahr das erste Mal als Anheizer für den großen Bruder MANDO DIAO sah. Während mir der damalige Gig noch als sehr roh und ungeschliffen besonders im Hinblick auf die stimmlichen Leistungen in Erinnerung geblieben ist, haben die Jungs, was die Qualität des Harmoniegesangs und die interne Abstimmung angeht, einen ganzen Tacken zugelegt – was der Darbietung heute aber auch einen etwas routinierteren und gebügelteren Touch gab als beim ungestümen Auftritt seinerzeit. Nach 9 Titeln und einer knappen halben Stunde war dann auch schon Schluss – Band und Publikum hätten hier sicherlich noch mehr vertragen, aber dafür war der Festival-Schedule zu eng gesteckt. Dass mag die Jungs hoffentlich nicht zu sehr frustriert haben, ergab doch die nachträgliche Recherche, dass sie tatsächlich den Abend vorher noch in Schweden aufgespielt hatten und somit das Verhältnis von Aufwand zu Spielzeit sicherlich hätte optimaler ausfallen können.

Nach dieser etwas beschaulicheren Darbietung sollten nun die Hunde von der Leine gelassen werden: DOG EAT DOG ist in da house! Und das ist wörtlich zu nehmen, hat man doch nach einigen eher kargen künstlerischen Jahren endlich wieder ein neues Album in der Hand, welches Ende Juni erscheinen soll. „Walk with me“ bietet den bekannten Stil aus mitreißenden Refrains, flottem Punk Rock und hip-hoppigen Vocals, dementsprechend war ich gespannt, welche neuen Stücke präsentiert würden. Das Gros der Zuschauer hat die Hunde offensichtlich nie vergessen, so herrschte jetzt weiter vorne doch schon ein richtiges Gedränge, pogen, hüpfen und mitsingen stand jetzt auf der Tagesordnung. In Ostwestfalen haben die Amis eine Art zweite Heimat gefunden, was nicht zuletzt an den Bemühungen der VIBRA gelegen hat, ohne die wir wohl keinen weiteren Tonträger mehr auf die Ohrmuscheln bekommen hätten. Dementsprechend dankbar und glücklich zeigte sich John Connor dann auch bei seinen Ansagen. Immerhin war man für diesen Gig direkt aus Slowenien angereist, etwaige Strapazen sah man den Musikern aber nicht an, agil und wendig wie in besten Tagen wurde die Bühne genutzt. Eine Überraschung gab es im Line Up, der Herr da rechts an der Klampfe war offensichtlich nicht Sean Patrick Kilkenny, John stellte den neuen Kollegen dann später auch vor, der seinen allerersten Gig in Deutschland spielte, und das ohne technische Probleme. Die Setlist bestand aus einer guten Mischung aus alt und neu, „Who’s the King“ sorgte gleich für ordentlich Alarm, und „Expect the Unexpected“ stand dem kaum nach. Demgegenüber wurden die neuen Titel „Cannonball“, „M.I.L.F.“ („Mother I’d like to fuck…) und „Walk with me“ zwar logischerweise etwas ruhiger aber auch sehr freundlich aufgenommen. Für letztgenannten drehte ein Kamerateam sogar eine Art Guerilla-Video, dasselbe Aufnahmeteam hatte übrigens am Nachmittag unser Interview mit Basser Dave mitgefilmt, vielleicht also demnächst auf einer DVD ihres Vertrauens. Zurück zum Gig: Für die beiden Songs der 96er VÖ „Play Games“ ließ man sich Besonderes einfallen. Bei „Rocky“ ertönte natürlich das entsprechende Intro und JC imitierte kurz Herrn Balboa, und bei „Step Right in“, im Original eine Zusammenarbeit mit dem WU-TANG CLAN, kam Drummer Brandon nach vorne, um die Rap Parts zu übernehmen. Dafür setzte sich ein Herr aus der Gegend ans Kit, der gerade mit 86 Stündigem Dauerdrumming einen Platz im Guiness Buch der Rekorde ergattert haben soll. Nun so lange musste er heute nicht ran, denn mit den Klassikern „No Fronts“ und „Dog Eat Dog“ (von der Debüt-EP) war der Auftritt dann nach 50 Minuten leider schon wieder am Ende. Beide Daumen hoch für die sympathischen Nordamerikaner!

Von etwas weiter südlich stammte die nächste Formation: TITO & TARANTULA wollten dem Auditorium mit waschechtem Tex Mex Rock einheizen! Zwar haben sie 2006 sicher nicht mehr das Standing wie zu ihren „tarantinoesken“ Hochzeiten, dennoch sind der charismatische Tito Larriva und seine 3 Mitstreiter (darunter die feurige Bassistin Io Perry) jederzeit in der Lage, das Haus zu rocken. In Anbetracht der kurzen Spielzeit von nur 40 Minuten legte man ohne Umschweife los und kommunizierte bis kurz vor Ende auch nicht mit den Zuschauern, das tat der Freude aber keinen Abbruch. Besonders die Soundtrack-Songs „Strange Face of Love“, „Back to the House that Love built” (vom Desperado-Score) und das schier magische “Afer Dark” als schlussendliches Sahnehäubchen ließen den Menschen die Nackenhaare zu Berge stehen, und das lag nicht an den arktischen Temperaturen. Vor dem „From Dusk till Dawn“-Klassiker wandte sich Tito ans Publikum und ließ ein paar Damen und einen Herren auf die Stage holen, die alsbald ihr bestes gaben, sich in tänzerischen Bewegungen zu ergehen. Selma Hayek wäre mir ja noch lieber gewesen, aber man kann nicht alles haben… Eine stimmige, etwas ruhigere Performance als Brotaufstrich zwischen den beiden Energiebündeln drumherum!

Denn das mit dem Headliner aus Münster noch einmal die Post abgehen würde, damit konnte man wohl rechnen. Doch bevor H-BLOCKX die Bühne enterten, gab es ein letztes Mal das wohlbekannte Umbauschauspiel. An dieser Stelle ein kleiner Verbesserungsvorschlag an die Veranstalter: Das jeweilige nächste Drumkit während der Performance des aktuellen Acts aufzubauen ist aus zeittechnischer Sicht sicher löblich, aber man sollte dann den Bereich irgendwie abdecken. Man lässt ja auch nicht die Ehefrau in der Schlafzimmertür warten, während man sich vor ihren Augen mit der Geliebten verlustiert (Geschlechterrollen austauschbar, bevor ich es wieder von allen Seiten bekomme!). 23 30 Uhr und damit nur eine halbe Stunde nach Zeitplan stand dann der Headliner auf dem Podium. Henning Wehland mit nicht unbeträchtlichem Haarwuchs, Tim Humpe, Fabio Trentini und Drummer postierten sich vor ihrem riesigen Bandlogo im Hintergrund. Leider fing es nun auch wieder an zu tröpfeln, aber noch im erträglichen Rahmen. H.W. nahm das zum Anlass, erst mal eine Flasche Wasser über seinem Schopfe zu entleeren, um sich mit den Fans zu solidarisieren. Auch sonst war er gut aufgelegt und alberte mit dem Publikum herum, immerhin hatte er ja (mit Band) eine Livepause von gut einem Jahr hinter sich, und vor so einer großen Zuschauermenge spielen die Blockxer auch nicht alle Tage. Die Setlist war dann praktischerweise eine Art Best of der Westfalen, da hätten wir als Opener „The Power“, dann die uralten „Risin’ High“/ „Little Girl“, die letzte Single „Leave me alone“, das Cover „Celebrate Youth“, „Step Back“, „Revolution“ usw. Die Leute gaben noch mal ihr Bestes, sangen, klatschten und reckten die Fäuste, auch wenn den meisten die Anstrengungen des Tages anzumerken waren. Mit kleinen Spielchen wie etwa der gemeinschaftlich beantworteten Frage nach dem Festival-Ort oder der Aufforderung, leere Becher auf die Bühne zu schmeißen, sorgte der erfahrene Fronter für Unterhaltung. Einmal gab er sogar seine private Handy-Nr. zum besten, ich kann nur hoffen, dass keiner so schnell mitschreiben konnte, denn es war tatsächlich die Echte! 45 Minuten dauerte der Hauptteil, und gegen Ende wurde es dann doch wieder relativ heftig mit dem Regen, so dass wir uns für die Heimfahrt entschieden. Der Zugabenblock wurde mit „Ring of Fire“ eingeläutet, und selbst auf dem Wege zu den motorisierten Gefährten sangen die Ostwestfalen noch die Texte mit.

Das erste Serengeti Festival war Geschichte. Und auch wenn im nachhinein einiges an Kritik in den Foren landete: Abgesehen von ein paar organisatorischen Problemen (Weitere Anregung: weniger Bands mit mehr Spielzeit) und dem zwischenzeitlichen Wetterpech (unter dem besonders die kleinen Acts am frühen Nachmittag leiden mussten) sicher objektiv gesehen ein Erfolg für die Veranstalter und die Ostwestfalen selbst, welche beeindruckende Nehmer-Qualitäten an den Tag legten – etwas stur, aber begeisterungsfähig und standhaft. Nächstes Jahr dann bitte eine Fortsetzung! Der Sieg der Schock Mucker LORDI zur gleichen Zeit beim Grand Prix rundete den Siegeszug des Rocks an diesem Tag dann auch noch perfekt ab…

Copyright Fotos: Jörg Rambow

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