Ort: Köln - Gebäude 9
Datum: 26.07.2006
SHE WANTS REVENGE sind der nächste „Heiße Scheiß“, so viel ist schon mal sicher, aber im Gegensatz zu vielen anderen Luftblasen Combos ist der Hype hier auch berechtigt. Siehe die Konzerte im Vorprogramm von PLACEBO, wo man einige anwesende Herzen erobern konnte. Von daher war es für uns selbstverständlich, für eins der wenigen deutschen Club Konzerte nach Köln zu tigern, der grausamen Hitze zum Trotz. Der fiel zunächst mal die A1 zum Opfer, die aufgrund von Rissen in der Fahrbahn gesperrt werden musste, zum Glück für uns erst Rückfahr-relevant. Pünktlich um 8 erreichten wir den Gebäudekomplex an der Deutz-Mülheimer Strasse, hier machten sich die neu gewonnenen Ortskenntnisse vom Amphi Festival positiv bemerkbar. Offensichtlich waren wir gar überpünktlich, denn nur vereinzelt tauchten Nasen vor dem früheren Industriekomplex auf. Dafür konnten wir immerhin einem Beinahecrash beiwohnen, ein Pizzabote versuchte, die örtliche Thekenkraft noch vor ihrer Schicht auf die Heckscheibe zu nehmen. Ungeachtet all dieser „spannenden“ Vorfälle schauten wir uns die Location dann mal genauer an, die aus einem kleinen Vorraum mit Tresen und DJ Pult sowie dem etwas länger gezogenen Konzertsaal besteht. Aufgrund der subtropischen Temperaturen zogen wir es aber vor, unsere Getränke draußen zu uns zu nehmen. Dort versammelten sich im Laufe des Abends immer mehr Gestalten, ziemlich heterogene Gestalten, von Grufti über Indie bis hin zu Normalo war alles vertreten. Da hatte wohl die Werbung auf 1Live ganze Arbeit geleistet, denn 18 Euro AK für eine noch recht unbekannte Combo ohne Support ist ja auch nicht gerade wenig. Auffällig die vielen hübsch gestylten Damen ebenso wie einige Klassiker Shirts mit Motiven von THE SMITHS, JOY DIVISION oder THE CHAMELEONS. Passt natürlich zum Retro Sound der Herren aus San Fernando Valley. Die Zeit verstrich und es bewahrheitete sich, dass Konzerte in derart Indie Läden immer erst mit einiger Verspätung ihren Lauf nehmen. So kam der Terror Cheffe noch in den „Genuss“, vom anwesenden Lokalfernsehen interviewt zu werden. Würfelzucker TV wollte mal kurz einige Stimmen zum Potenzial der Amis einholen. TV Würfel: „Haben die das Potenzial, demnächst Stadien zu füllen?“ – TV Terror: „Nö, dafür sind sie zu gut…“
Um kurz nach 22 Uhr fanden sich dann aber doch alle vor der Bühne ein, der Raum war sehr gut, aber zum Glück nicht bis zum Bersten gefüllt. Wir machten es uns links vorne gemütlich, wobei „gemütlich“ eher das falsche Wort war. Auf uns sollte nämlich das heißeste Konzert christlicher Zeitrechnung zukommen und das nicht in Bezug auf die Musik. Ca. 22 10 standen SHE WANTS REVENGE dann endlich auf der kleinen Stage: Sänger Justin Warfield und Adam Bravin in feinstem Zwirn mit Weste und (im Falle Adams) mit Hut plus Begleitung an Drums und Gitarre, genau wie ehedem in der Bielefelder Stadthalle. Nur dass man jetzt direkten Kontakt zu den Musikern hatte, den Schweiß förmlich riechen konnte. Und der lief nun wirklich aus allen Poren, ich habe noch nie erlebt, dass mein Objektiv beschlägt oder meine Augen vor lauter Wasser nicht mehr einsatzbereit waren. Dennoch hinderte das gerade in den vorderen Reihen niemand daran, seinen Körper rhythmisch zu bewegen. Logischerweise spielte das Quartett die Songs des vorzüglichen, selbstbetitelten Full Length Debüts (außer „Black Liner Run“), von denen insbesondere die ersten 3 mit zum Besten gehören, was in den letzten Jahren aus dieser Richtung kam. Und die Richtung ist eine Mischung aus hypnotisierendem Wave und treibendem Indie Rock. Adam agierte mal am Bass und mal an den Keys, oft schloss er die Augen und gab sich seinen eigenen Tracks fast träumerisch hin. Derweil performte der dandyhafte Sänger Warfield voller Intensität. Mal waren es nur kleine Gesten, dann ging er wieder völlig aus sich heraus und trommelte mit den Händen gegen die Monitorbox. Ansagen gab es verhältnismäßig wenig, bis auf die fast flehende Bitte, jemand möge eine Klimaanlage durchstarten, doch der Gefallen wurde uns nicht getan. Nach „She loves“ verließen dann alle bis auf DJ Adam die Szenerie, der daraufhin „Disconnect“ alleine an seinem Keyboard performte, das er im Gegensatz zu vielen anderen Zeitgenossen richtig spielte. Darauf kehrte Justin mit einer Gitarre wieder zurück, um gemeinsam mit seinem Kollegen eine wunderbare Cover Version hinzulegen: „Stripped“ von DEPECHE MODE in einer zwar klar erkennbaren aber auch leicht eigenwilligen Variante, die für Begeisterung sorgte. Kurz vor dem Solopart nahmen dann auch die beiden anderen wieder ihre Plätze ein, um für ein richtiges Crescendo zu sorgen. Ein Stück fehlte nun noch, und viele wussten ganz genau, was jetzt folgen würde. Die Single „Tear you apart“ mit ihrer einprägsamen Textzeile „I want to fucking tear you apart“, welches sich gegen Ende immer mehr steigert und so einen energievollen Abschluss des ca. 65 minütigen Sets darstellte, mehr Programm haben SWR einfach noch nicht.
Musikalisch gab es an diesem Gig kaum etwas auszusetzen, was die Herren da oben gerade bei der Hitze geleistet haben, ist aller Ehren wert (Bravins Weste war komplett durchgeschwitzt) und das Songmaterial eh über jeden Zweifel erhaben. Der Sound war allerdings verbesserungswürdig, vor allem der Gesang war viel zu leise ausgepegelt, schon erstaunlich bei so viel Vorlaufzeit und ohne Support, das hätte man eigentlich bereits vorab, spätestens aber während des Auftritts korrigieren müssen. Das ändert natürlich nichts daran, dass SHE WANTS REVENGE momentan zu den heißen Eisen der alternativen Musikszene gehören. Wenn Kontinuität und kompositorische Klasse weiterhin Hand in Hand gehen, werden die „New Cold Waver“ ihren Weg gehen, nur Stadien werden sie ganz sicher nicht füllen. Und das ist gut so…
Setlist
Red Flags and long Nights
Sister
Out of Control
These Things
Broken Promises for broken Hearts
Black Liner Run
Spend the Night
I don’t wanna fall in Love
Someone must get hurt
She loves me, she loves me not
Disconnect
Stripped
Tear you apart
Copyright Fotos: Karsten Thurau
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