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SILENCE

Ort: Leipzig - Moritzbastei

Datum: 20.02.2005

Es gibt für mich kaum eine Band, für die es sich lohnen würde, eine fast 400 km lange Reise, dazu mitten im Winterchaos, vorzunehmen. Wie gesagt – kaum. Nun, meine Schwäche für die Slowenische Band SILENCE hat mich an einem Februar Sonntag tatsächlich bis ins erstaunlich sonnige Leipzig verschlagen. Dass sich der Ausflug in die Sächsische Metropole für mich hundertprozentig lohnen würde, davon war ich felsenfest überzeugt, objektiv gesehen jedoch stand das seit Jahren erste Deutschlandskonzert des Duos unter keinem guten Stern. Der Hauptgrund: Die hervorragenden Musiker sind in Deutschland kaum bekannt. Auch wenn das letzte, im Spätherbst erschienene Album: „Vain – a Tribute to a Ghost“ hier zu Lande viele gute bis sehr gute Kritiken geerntet hat, so ist die Band seit einigen Jahren lediglich einem Teil der DEINE LAKAIEN Fangemeinde bekannt, da die beiden Gruppen noch bis vor kurzem gemeinsam bei Chrom Records unter Vertrag standen (DEINE LAKAIEN sind bekannter Weise mit ihrem neuen Album zu EMI/ Capitol abgewandert). SILENCE sollten auch im Januar die Vorband von HELIUM VOLA sein, leider musste Ernst Horn aus Zeitmangel die Tour auf einen noch unbestimmten Zeitpunkt verschieben. Zusammengefasst: Eine fast unbekannte Band kommt nach Deutschland für ein einziges Konzert. Praktisch ohne Werbung oder jegliche Albumpromotion in Print, Funk und Fernsehen. Das ganze findet Ende Februar statt. An einem Sonntag. Ausgerechnet in Leipzig, was – trotz WGT und beachtlich großer schwarzer Szene – weiß Gott nicht als Mittelpunkt Deutschlands fungieren kann. All dessen war ich mir voll bewusst, als ich kurz nach 20 Uhr vor der Leipziger Moritzbastei stand. Der Veranstaltungsort ist mir zwar seit Jahren bestens bekannt, allerdings war es auch für mich eine kleine Premiere den Club und die schöne Stadt überhaupt einmal im Winter und NICHT am Pfingstwochenende zu besuchen. Die Strassen ohne tausende ausstaffierte Grufties aus aller Welt kamen mir deswegen fast gespenstisch vor 😉

Die Moritzbastei ist meines Erachtens einer der schönsten Veranstaltungsorte für Clubkonzerte in Deutschland. Das Mauerwerk an manchen Gebäudeteilen ist stellenweise über 400 Jahre alt, die verzweigten, gemütlichen Räumlichkeiten verleihen auf jedem Fall jeder dort stattfindenden Veranstaltung ein ganz besonderes Flair. Ein Zusatzvorteil – es gibt dort eine richtige Kneipe mit respektablem Angebot an Getränken und Speisen. Während ich von dem besagten Gastrobetrieb im Schnellverfahren zur Zwangsvegetarierin erzogen wurde (das Leipziger Alternativ Publikum steht scheinbar nur auf Körner und ungewürztes salzfreies labbriges Grünzeug), betrachtete ich den halbwegs gefüllten Speisesaal und versuchte zu erraten, welche von den Gästen ich gleich auch in dem Konzertsaal nebenan sehen würde. Der Veranstalter hatte als Konzertbeginn 21 Uhr angegeben. Kurz davor wurden auch die Türen zum Nebenraum geöffnet und eine Handvoll Leute spazierte gemächlich hinein. Der kleine Saal war sehr spärlich beleuchtet und karg aber stylisch eingerichtet. Punkt 21 Uhr passierte… nichts. Darüber war ich fast froh, da sich dort zu dem Zeitpunkt nicht mal 20 Personen aufgehalten haben. Nur langsam wurden es ein paar mehr, aber leider im Endeffekt auch nicht mehr als 50 Leute. Plötzlich wurde es noch dunkler und eine genauso spärliche Bühnenbeleuchtung ging an. Nach und nach betraten Primoz Hladnik (Klavier), die zwei Zusatzmusiker (Luka Salehar – Drums, Luka Jamnik – Keyboards) und Boris Benko (Vocals) die kleine Bühne. Der Opener „Belief“ in einer noch ruhigeren Version als auf dem „Vain….“-Album gab den ersten Vorgeschmack auf den Rest des Abends. Das so gar nicht zahlreich erschienende Publikum machte wenigstens von vorneherein klar, dass es sehr genau wusste, warum es gerade an dem Abend den Weg ins Moritzbastei gefunden hatte und begrüßte SILENCE mit sehr lauten Applaus. Der Band schien dieser offensichtliche Mangel am Zuschauern Gott sei Dank nicht auszumachen, oder wenigstens ließen sie sich nichts anmerken. Das Konzert wurde als „Vain Tribute Night“ angekündigt, und so stammten die meisten Songs an dem Abend von der entsprechenden Scheibe. Die Lieder waren allerdings neu arrangiert und klangen im Allgemeinen tatsächlich noch etwas ruhiger als auf dem ohnehin homogen–sanften, triphoppigen Album. Nach näherer Betrachtung stellten sich für mich (trotz der zusätzlichen Drums und Keyboards) gewisse Parallelen zum Akustik Set von DEINE LAKAIEN ein. Rein optisch gesehen ähnelte sogar Primoz Hladnik am Klavier etwas Ernst Horn, obwohl letzterer natürlich ein paar Jahre älter sein dürfte. Aber jetzt im ernst – bei den beiden Bands funktionieren solche, verglichen mit den Albumoriginalen relativ schnörkellosen, Arrangements unglaublich gut, was natürlich für die Qualität des Ausgangsmaterials und auch das große musikalische Können der Musiker spricht. Im Fall von SILENCE finde ich es umso mutiger (und gelungener), da Bands vor fremdem Publikum normalerweise versuchen, die Stammhörerschaft mit eher lebhafteren Versionen der Albumsongs zu gewinnen. Nun, die Slowenen sind, nicht nur hinsichtlich dessen, schon eine richtige Ausnahmeband. Der Sänger Boris überzeugte sogar in der Live Version von „Hall of Mirrors“, auf dem Album zum größten Teil gesungen (pardon, rezitiert) von ANNE CLARK. SILENCE Fans der ersten Stunde konnten sich ebenfalls über grandiose Versionen von „La Troia“ oder „The Girl of My Best Friend“ freuen. In der Setlist fand sich auch Platz für das wenig bekannte „Talkshow“ und einen ganz neuen Song namens „Brave New World“. Zwischen den Liedern bedankte sich Boris artig für den herzlichen Applaus, zeigte sich aber weit weniger „geschwätzig“ als z.B. Alexander Veljanov, der die Kunst des Publikumunterhaltens absolut perfekt beherrscht.

Es tat mir wirklich Leid, dass die Veranstaltung so spärlich besucht war und dass ich nicht mal ein einziges bekanntes Gesicht der Leute, die man überall in Deutschland auf LAKAIEN Konzerten trifft, gesehen habe. Ich hätte es zwar nicht erwartet, aber irgendwie ist es dennoch schade, dass die Personen, die angeblich auch SILENCE so gerne mögen, es doch wohl nicht für nötig hielten, der Band etwas Unterstützung bei dem einzigen Deutschlandsauftritt zu bieten (ja, ja – ich weiß: „Ende des Monats, Winter, keine Zeit, zu weit, Blah, Blupp“ – die Ausredenliste mag sehr lang sein). Mit ein paar Leuten mehr im Saal wäre das Konzert zweifellos noch schöner gewesen, andererseits, wann kriegt man die Gelegenheit eine Lieblingsband ohne langen Schlangen vorm Klo, ewigem Anstellen an der Theke, etc. überhaupt luxuriös mit viel Platz um sich und perfektem Sound obendrein aus der ersten Reihe zu genießen? Eben.

Keine vorgefertigten DAT Files, ein analoges Hörvergnügen pur. Es war ein wahrhaftig zauberhafter Abend in der Moritzbastei mit einer äußerst sympathischen, hervorragenden Band, die zweifelsohne viel mehr Annerkennung und Medienaufmerksamkeit verdient hat, als es bis dato der Fall ist. Das kurze Deutschland Gastspiel von SILENCE weckt Appetit auf mehr. Es bleibt nur zu hoffen, dass die verschobene Tour von HELIUM VOLA tatsächlich bald nachgeholt wird und zwar, wie zuvor geplant, mit Beteiligung des Slowenischen Duos. In dem Falle wird es für die Rezensentin keine Trennung zwischen Support und Main Act geben, sondern ein klares Doppelheadliner Vergnügen.

SETLIST
Belief
Baby
Pitaju me, pitaju
Mr. Goodwrong
Talkshow
The Girl of My Best Friend
Hall of Mirrors
La Troia
Favourite Routine
Someone Else’s Song
Brave New World
Runalong

Copyright Fotos: Katarina Mazurkiewicz

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