Ort: Bochum - Zeche
Datum: 19.08.2005
Aller guten Dinge sind drei. Dies gilt am heutigen Tage gleich in doppelter Hinsicht, zum einen ist es für mich binnen einer Woche der dritter SP-Gig nach dem Mera Luna und dem ersten Clubgig in Deutschland nach 17 Jahren am Mittwoch im Münchener Backstage. Zum zweiten kehren SKINNY PUPPY bereits zum dritten Mal in einem Bochumer Club ein. Ihr erster Auftritt im Logo am 21.10.86 dürfte Hardcorefans vom „Kill to cure“ Bootleg altbekannt vorkommen und die Zeche wurde auch schon mal am 18.04.88 unsicher gemacht.
Staubedingt (140 km = 3 Stunden) verpassten wir den Auftritt von THE FAIR SEX und kamen in eine schon völlig überfüllte Halle, in Gegensatz zum relativ gutbesuchten Gig in München war die Zeche ausverkauft. Den Rest der Aufbauarbeiten bekam man noch mit und dann ging es auch schon los, cEvin machte es sich hinter seiner Synthesizerburg bequem, filmte die Reaktionen der Fans und zusammen mit Drummer Jason Bennett und Gitarrist William Morrison ließ er das Klanginferno beginnen. „Rain“ vermischt mit Sprachfragmenten einer Rede George W Bushs leiteten den Gig in infernalischer Lautstärke ein. Wer SKINNY PUPPY noch von früher kennt, weiß, dass die Songs nicht nur einfach heruntergespielt werden, sondern die passende visuelle Untermalung durch Leinwand und nette Einfälle zu einzelnen Tracks quasi theatralisch performt werden, dieser Gig sollte selbstredend keine Ausnahme machen.
Die ersten Klänge von „Tormentor“ waren zu vernehmen und langsam, beinahe andächtig schritt Ogre auf die Bühne, um scheinbar dem Publikum erst mal seine Gegenwart realisieren zu lassen. Wie immer bekleidet mit einer blutdurchtränkten zerfetzten Jacke und einer Vogelartigen Schnabel-/ Pestmaske. Mit „I´mmortal“ und „Pro-Test“ folgten dann auch gleich die beiden einzigen Tracks ihrer letzten VÖ „Tgwotr“, unterlegt von sehr fetten, prägnanten Gitarren- und Bassriffs von William und einem wahren Drum-Stakkato von Justin. Gerade die beiden neuen Protagonisten haben den Livesound SKINNY PUPPYs noch intensiver und brachialer werden lassen. Ebenso kam trotz kaum veränderter Setlist keine Langeweile auf, in Gegensatz zu dem, was man bei fast allen Elektroacts z.B. auf dem Mera Luna sehen konnte, wo die Leute an den Synths nur rumkaspern, und nicht ein Ton wirklich live rauskommt, malträtierte cEvin seine Gerätschaften, sorgte für kleine Nuancen bei den einzelnen Tracks und für unterhaltsame Zwischenparts zwischen einzelnen Stücken, im allgemeinen „Dirty Tricks“ oder „Brap“ betitelt. Als alter Fan hatte ich besonders Freude daran, dass fast ausschließlich Songs der Vor- „Last Rights“ Ära performt wurden und mit „God´s Gift Maggot“ begann die Form der Performance, auf die alle gewartet haben, Hände mit Blut beträufelt und martialisch in die Höhe gestreckt, zur Freude des Auditoriums wurden auch sie mit einigen Sprenklern bedacht.
Im weiteren Verlauf des Konzertes konnte man sehr genau erkennen, welche Meinung SKINNY PUPPY zu aktuellen Ereignissen haben, teilweise wurden die Songs mit drastischsten Bildern von Kinderleichen, toten Soldaten, Massengräbern, explodierenden Bomben und einem brennenden Bagdad unterlegt. Gepaart mit einer wie immer intensiven und exzessiven Bühnenpräsenz von Nivek, der seine Wut in beinah wahnsinniger Weise präsentiert, ebenso finden allerlei „Spielzeug“ wie eine mit Schlamm gefüllte Gasmaske, oder eine Blut verspritzende Halbautomatikwaffe ihren Einsatz. Die morbide Sichtweise kommt besonders gut bei den Songs „Deep Down Trauma Hounds“ und „Hexonexxon“ rüber, welches ursprünglich übrigens „Hexonxonx“ hieß, die Titeländerung wird sich von selbst erklären… Den Text zu „Deep Down Trauma Hounds“ hat Ogre nach eine Welle von Teenagerselbstmorden in Amerika in den Achtzigern geschrieben. Jetzt kann man auf der Leinwand sowohl junge Soldaten sehen, die sich durch die Häuserlandschaft irakischer Städte kämpfen, als auch den großen „Feldherren“ George W Bush, Ogre singt und hält sich die Waffe an den Kopf, mir fällt hierzu der Begriff „Selbstmordkommando“ ein. Am meisten Witz, wenn man davon sprechen kann, versprüht „Hexonexxon“, Ogre mit Stahlhelm und Maske und abgerissener Zapfsäule in der Hand, plötzlich stehen zwei vermummte „Gotteskrieger“ neben ihm, zücken eine Machete und schneiden ihm blutreich den Hals durch, wer verbirgt sich hinten der Vermummung?: George W Bush und Dick Cheney! Besser und pointierte kann man aktuelle Geschichte nicht verpacken: Exxon, Öl, Krieg, Bush.
„Worlock“ kommt, was den Gesang betrifft, in neuem Gewand rüber, man kann während des gesamten Songs Ogres Stimme mit Echo vernehmen, ursprünglich war dies nur beim Refrain so. „Tin Omen“(Thema Aufstand auf dem Platz des himmlischen Friedens) ist der brachialste Song des Sets und William Morrisons Gitarrenfolter baut wahnsinnige Soundflächen auf. Ogre singt „…tell the world what´s going on there…“, macht mit seinen Handbewegungen auf Kameramann, und wenn man zurück überlegt, lange vor 09/11 war dieser Vorfall eines der ersten großen weltweiten Medienereignisse. „Hardsethead“ bietet auch noch mal eine sehr nette Kopfbekleidung, eine Mischung aus Stahlhelm und Fuchskopf, garniert mit einem in der Mitte geteilten Kreuz, wenn Ogre sich bewegt, bietet er je nach Standpunkt zwei verschiedene Gesichter. Als letzter Song folgt der Überhit „Smothered Hope“, das Publikum tobt. Zwei Zugaben („Rodent“ und „Testure“) beenden den Auftritt, letztere leider ohne Videoanimationen, hier wäre zum Thema Tierversuche noch einiges drastische möglich gewesen.
Durchschwitzt und fertig ging der Set zu Ende, und es ist nun Zeit für ein Fazit: Enttäuschend war die Dauer von gerade mal rund 85 Minuten, 2004 wurden rund 110 geboten. Den Rest kann man einfach nur als gigantisch bezeichnen. Eine morbide, aufrüttelnde Show, der Fokus klar auf alte Songs gelegt. Ein Zusammenspiel zwischen der Band, das perfekt abgestimmt war. Ogre, der mit seiner Gestik und Mimik das Publikum in seinen Bann zieht, und auch wenn einem meiner Mitfahrer das Material teilweise zu sperrig war, Soundtechnisch und Showmäßig hat es bis zum heutigen Tag keine andere Elektroband geschafft, auch nur im entferntesten die Intensität zu erreichen, die SKINNY PUPPY sowohl auf Platte als auch Live vermitteln, gerade das „Böse“, was viele Elektrobands versuchen rüberzubringen, wirkt dagegen nur aufgesetzt und wie gewollt und nicht gekonnt. Jetzt, wo die Tour mit dem Gig in Genf geendet ist, ärgere ich mich ein wenig, nur drei Shows gesehen zu haben und hoffe, dass an den Gerüchten eines weiteren Konzertes in Amsterdam im November was dran ist.
Setlist:
Rain
Tormentor
I´Mmortal
Pro-Test
Curcible
God´S Gift Maggot
Vx Gas Attack
Worlock
Deep Down Trauma Hounds
Hexonexxon (Original: Hexonxonx)
Tin Omen
Spasmolytic
Hardsethead
Smothered Hope
Brap/ Rodent
Testure
Copyright Fotos: Jörg Rambow
Hinterlassen Sie einen Kommentar.
Du musst angemeldet sein, um einen Kommentar abzugeben.