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SÓLSTAFIR

Ort: Stockholm – Fryhuset Klubben

Datum: 18.12.2019

Wenn einer eine Reise tut, dann kann er was erzählen! Nun würde sich die werte Terrorverlag-Leserschaft wohl kaum für meinen Trip nach Stockholm interessieren, wäre der wesentliche Punkt der Reiseplanung nicht ein Konzert gewesen. Genauer gesagt ein Gig der isländischen Kapelle SÓLSTAFIR, die mit einer kleinen, nur fünf Termine umfassenden Tour den Umstand feiern, das am 13. März 2009 ihr drittes Album „Köld“ das Licht der Plattenläden erblickt hat.

Auf einen Support hatten die Herren Aðalbjörn Tryggvason (einziges verbliebenes Gründungsmitglied sowie Sänger und Gitarrist), Sæþór Maríus Sæþórsson (Lead-Gitarre), Svavar Austman Traustason (Bass) und Hallgrímur Jón Hallgrímson (Schlagzeug) heuer verzichtet und zudem zur frühen Stunde in den Fryhuset Klubben gebeten. Für 800 Personen war die Venue ausgelegt, viel weniger werden es auch nicht gewesen sein, die ab 19.45 Uhr den Klängen aus dem Off lauschen durften, zu denen die Band langsam Aufstellung nahm und zu denen die Stage zunächst in blaues, wenig später dann in orangefarbenes Licht getaucht wurde. Die Setlist war natürlich während der ersten 80 Minuten kein großes Geheimnis, denn die Islandic atmospheric Rocker spielten die Songs bis auf eine Ausnahme in derselben Reihenfolge, wie sie auch auf dem Longplayer (der übrigens in Schweden aufgenommen wurde!) vertreten sind. Nach einem knackigen instrumentalen Start mit „78 Days In The Desert“, stand somit der Titeltrack „Köld“ auf dem Zettel, für den Aðalbjörn den Sechssaiter wechselte, während die Bühne in diffuses Licht getaucht wurde und der Fronter seinen verzweifelten Gesang zu Gehör brachte. Mit einem Light-Change Richtung Rot änderte sich auch die musikalische Stimmung der traurig-düsteren Nummer, die jedoch auch noch in die lärmenden Vollen ging. Zurück an seiner Main-Krachlatte nutzte Aðalbjörn den ruhigen Start von „She Destroys Again“, um das Auditorium zu begrüßen und festzustellen, dass die Zuschauerschaft doch ein wenig müde wirkte. Dagegen half natürlich der wummernde Sound, dessen Stakkato-Drums von Lichtblitzen begleitet wurden und die dazu angetan waren, auch müde Männer wieder munter zu machen. Der „Pale Rider“ ließ es da etwas ebtspannter angehen, war aber nicht weniger mitreißend und hatte im Übrigen die Position mit „She Destroys Again“ getauscht. An dieser Stelle nahm der Kollege Tryggvason am Fuße des Drumkits Platz und ließ das melancholisch-schöne Grummelmonster zu einem emotionsgeladenen Kopfnicker werden, der begeistert mitgeklatscht wurde. Svavar Austman Traustason, der in Stockholm ohne Hut und Sonnenbrille seinem Job nachging, wechselte den Arbeitsplatz mit dem lonesome Cowboy Sæþór Maríus Sæþórsson und fand sich am Ende in der Mitte wieder. Hier gehörte natürlich im Wesentlichen der Vokalist hin, der zudem etwas wichtiges zu sagen hatte und deshalb im Vorfeld von „Necrologue“ um Ruhe und Aufmerksamkeit bat. Viel wird bei SÓLSTAFIR-Shows eigentlich nie geredet, aber ein Anliegen hat Aðalbjörn regelmäßig: er bittet seine Fans, sich Hilfe zu holen, wenn sie an Depressionen leiden und fordert diejenigen, die Freunde und Familienmitglieder haben, die an der Krankheit leiden, auf, mit den Betroffenen zu reden. Die Band habe selbst einen guten Freund verloren, der depressiv war und sich das Leben genommen hat. Der Umstand, dass im Publikum bei diesem intensiven Track Tränen flossen, ließ ahnen, dass auch hier ähnliche Schicksale die Gedanken bestimmten. Vielleicht wurde deshalb das geheimnisvolle „World Void of Souls“ auch nur in der kurzen Instrumentalvariante gespielt. Wobei kurz bei SÓLSTAFIR selbstredend ein sehr dehnbarer Begriff ist. Immerhin kam man an diesem Mittwochabend mit einem Dutzend Songs auch locker auf zwei Stunden Spielzeit. „World Void of Souls“ hatte es auf jeden Fall in sich und ehrlich gesagt habe ich nach zwei Tagen Power-Sightseeing den Herrn Kapellmeister ein bisschen beneidet, dass er noch mal auf der Schlagzeug-Erhöhung Platz nehmen konnte. Mit dem knackigen „Love Is The Devil (And I Am In Love)“ ging es dann aber alsbald wieder ziemlich fordernd nach vorn und wer aufgepasst hatte, wusste, dass nur noch das wunderbare „Goddess of The Ages“ fehlte, um den Jubiläums-Silberling zu komplettieren. Bevor dieses Lied in der ihm gebührenden Form zelebriert werden konnte, ging es jedoch zunächst an die Bandvorstellung. Bei Sæþór fasste sich Aðalbjörn kurz, was wohl damit zu tun hatte, dass der Mann verheiratet und somit vom Markt ist, während Rattenschwänzchen Svavar als ‚sexiest man in Iceland‘ vorgestellt und Hallgrímur dazu verdonnert wurde, für 10 Kronen ein Drumsolo zu spielen. Die Kohle kam von einer Dame aus dem Publikum, die für ihr Geld zusätzlich noch ein Plektron vom Bandleader bekam. Außerdem gab’s am Ende auch die Penunsen zurück, aber dazwischen lagen noch rund 50 Minuten mit fantastischer Musik vor uns. Und Aðalbjörns Ausflug in den Fotograben (der allerdings den gesamten Abend über von keinem Fotografen genutzt worden war), wo er auf Tuchfühlung mit seinen Fans ging und dafür sorgte, dass die Schweden ihren Einsatz nicht verpassten, denn es gab einen Countdown, nach dem die Anwesenden jeweils laut zu brüllen hatten. Am Ende kniete der Fronter mit seiner Gitarre am Boden – ein wahrlich ergreifendes Stück!

Damit nicht genug, gab es zudem noch einen prominent besetzten Zugabenblock. So waberten blaue Nebelschwaden über den Ort des Geschehens, wo einen Moment später die ersten Klänge vom kongenialen „Ótta“ vom gleichnamigen Longplayer aus 2014 zu hören waren. Mit diesem Song haben sich SÓLSTAFIR selbst ein Denkmal gesetzt und wem hier nicht das Herz aufging, war definitiv auf der falschen Veranstaltung. Auf diesem Level blieb der Vierer, denn auch das sphärische „Ljós í stormi“ (2011 auf dem Konzept-Doppelalbum „Svatir Sandar“ veröffentlicht) zählt eindeutig zu den Highlights der SÓLSTAFIR-Discografie. Was verhalten begann, entwickelte sich zu einem totalen Abriss mit markanten Drums und zuckenden Lichtgewittern und auch „Bláfjall“ von der letzten Langrille „Berdreyminn“ aus 2017 hat mit seinem Mix aus Orgelklängen und metallischer Straightness schon jetzt das Zeug zum Klassiker. Diesen Status hat sich das finale „Fjara“ in den letzten acht Jahren längst erarbeitet und so sorgte der hymnische Rausschmeißer für einen krönenden Abschluss und jede Menge zufriedener Gesichter.

Im März habe ich SÓLSTAFIR mit großem Besteck an einem ganz besonderen Ort, der Christuskirche in Bochum, gesehen. Damit war der schlichte Bau, der etwas außerhalb der Innenstadt lag und zur Non-Profit-Jugend-Organisation Fryhuset gehört, nicht zu vergleichen. Die Musik – irgendwo zwischen Post-, Psych- und Metal angesiedelt – war aber auch ohne Streicher und Tasten einmal mehr ein großes Vergnügen. So ist das mit SÓLSTAFIRs Islandic atmospheric Rock halt: die Mucke ist genau so rau und fesselnd wie das Eiland im Nordatlantik, auf der die Jungs zuhause sind! Diese Insel verlassen sie aber immer wieder gern für ihre Konzertreisen und vielleicht sollte ich mit den Herrschaften schon mal Kontakt aufnehmen, dass sie für das letzte Quartal 2020 Oslo ins Visier nehmen, denn in Helsinki, Kopenhagen und jetzt Stockholm habe ich sie (neben verschiedenen deutschen Städten) schon gesehen.

Setlist

  • 78 Days In The Desert
  • Köld
  • She Destroys Again
  • Pale Rider
  • Necrologue
  • World Void of Souls (short version)
  • Love Is The Devil (And I Am In Love)
  • Goddess of The Ages
  • Ótta
  • Ljós í stormi
  • Bláfjall
  • Fjara

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